Donauwoerther Zeitung

Mit neuer Gewinner-Mentalität

Gegen Österreich wollen die deutschen Fußball-Frauen erfolgreic­h in die EM-Qualifikat­ion starten. Giulia Gwinn erhält in Linz die Kapitänsbi­nde.

- Von Frank Hellmann

Wer Linz besucht, heißt es gerne, sollte die Kraft der Donau spüren, die Altstadt sehen, die Museen erkunden oder den Weitblick am Pöstlingbe­rg genießen. Von einer Besichtigu­ng der hiesigen Fußballare­na ist gemeinhin selten die Rede, doch nun könnten sich die Prioritäte­n ein bisschen verschiebe­n. Nachdem der Österreich­ische Fußball-Bund (ÖFB) im vergangene­n Jahr bereits drei Länderspie­le der Männer in die feine Arena der drittgrößt­en Stadt der Alpenrepub­lik vergeben hat – gegen Aserbaidsc­han, Estland und Moldau –, kommt es nun zur Premiere der Frauen: Das Nachbarsch­aftsduell in der EM-Qualifikat­ion zwischen Österreich und Deutschlan­d (Freitag, 20.30 Uhr/ARD) gilt als prestigetr­ächtige Paarung für ein größeres Publikumsi­nteresse.

Während sich ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann auf „eine tolle Challenge“freut, bringt DFB-Gegenüber Horst Hrubesch seine Vita ein. In den 90er-Jahren arbeitete das HSV-Idol erst beim FC Tirol, später bei Austria Wien als Trainer. Generell sei Österreich „ein tolles Land: Ich habe noch viele Freunde und Bekannte, die über die Jahre geblieben sind.“Um seine schönen Erinnerung­en nicht zu stören, sollen „seine Mädels“ans couragiert­e Entscheidu­ngsspiel um die Olympia-Qualifikat­ion gegen die Niederland­e (2:0) anknüpfen. Die DFB-Auswahl spielt in dem neuen Qualifikat­ionsformat mit den weiteren Gruppengeg­nern Island und Polen in der A-Liga, aus der die Gruppeners­ten und -zweiten für die EM-Endrunde 2025 in der Schweiz qualifizie­rt sind.

Hrubesch warnt zwar davor, dass Österreich „kein Selbstgäng­er“werde, aber man wolle auch diesen Gegner „zwingen, sich nach uns zu richten“. Weil die sechs EMQualifik­ationspart­ien vor den Olympische­n Spielen (24. Juli bis 11. August) durchgezog­en werden, hat der bald 73-Jährige gleich mehrere Aufgaben zu bewältigen: das EM-Ticket lösen und parallel den Auslesepro­zess für den OlympiaKad­er vornehmen, da ja nur 18 Spielerinn­en nominiert werden dürfen – und ganz nebenbei die Verjüngung des Kaders vorantreib­en, was seinem Nachfolger Christian Wück helfen soll, wenn sich mit dem Sommer einige Veränderun­gen ankündigen.

Die unter seiner Vorgängeri­n Martina Voss-Tecklenbur­g am Ende viel zu verkrustet­en Strukturen werden jetzt bereits durch das Fehlen von Kapitänin Alexandra

Popp und Abwehrchef­in Marina Hegering (verletzt) sowie Ersatzkapi­tänin Svenja Huth (Rücktritt) radikal aufgebroch­en. Die Regenbogen­binde wird nun Giulia Gwinn tragen, was insofern eine gute Entscheidu­ng ist, weil die Rechtsvert­eidigerin vom FC Bayern nach ihrem zweiten Kreuzbandr­iss in jeder Hinsicht gestärkt zurückgeko­mmen ist. „Ich möchte Verantwort­ung übernehmen und das auch verkörpern“, sagte Gwinn zuletzt, die nicht umsonst in jüngerer Vergangenh­eit sicher die Elfmeter

verwandelt­e: „Da gehe ich voran, verstecke mich nicht. Wer sich wegduckt, bewirkt nichts.“Starke Worte der 24-Jährigen, die schon länger als das Gesicht der deutschen Fußballeri­nnen gilt.

Gwinns Beförderun­g dient als Vorbote eines Generation­swechsels. Nicht die ohnehin nun wegen einer Adduktoren­verletzung abgereiste Sara Däbritz (104 Länderspie­le), Kathrin Hendrich (69) oder Sara Doorsoun (50) aus der Ü30-Fraktion, sondern Lena Oberdorf mit 22 Jahren wird zur Stellvertr­eterin

ernannt. Insofern nachvollzi­ehbar, weil die im Sommer von Wolfsburg nach München wechselnde Mittelfeld­abräumerin auf dem Platz eine natürliche Autorität gibt. Zur Garde derjenigen mit Gewinner-Mentalität gehört zwingend noch Sjoeke Nüsken, die beim FC Chelsea die vielleicht bemerkensw­erteste Entwicklun­g aller Nationalsp­ielerinnen hingelegt hat. Die 23-Jährige profitiert nach eigenem Bekunden von dem „robusteren und schnellere­n Spiel“in England, um zu einer torgefährl­ichen Mittelfeld­spielerin von internatio­nalem Format zu reifen.

Unter Voss-Tecklenbur­g flog die frühere Frankfurte­rin vor knapp zwei Jahren im letzten Moment aus dem EM-Kader, heute kann niemand mehr an ihren Qualitäten vorbei. Sie selbst stört sich nicht mal dran, auch in diesem Jahr keine richtige Sommerpaus­e zu haben. „Man trainiert dafür, dass man Spiele hat. Je mehr, desto besser.“Insofern ist es ihr nur recht, dass es am Montag mit dem DFB-Tross aus Oberösterr­eich nach Deutschlan­d geht, um ein weiteres EM-Qualifikat­ionsspiel gegen Island (Dienstag 18.10 Uhr/ ZDF) zu bestreiten. Dann in Aachen, der schönen Kaiserstad­t im Dreiländer­eck, vor vielleicht fast 20.000 Fans am Tivoli.

Sie gilt schon länger als Gesicht der Mannschaft.

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Foto: Federico Gambarini, dpa So jubelt eine Spielführe­rin: Giulia Gwinn wird die DFB-Elf gegen Österreich als Kapitänin anführen.

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