Fachkräftemangel: Eine Chance für ausländische Arbeitskräfte
Innerhalb weniger Monate lernt der Ukrainer Volodymyr Shaniuk Deutsch und findet einen Job. Die Statistik zeigt: Die Zahl der beschäftigten Deutschen steigt kaum.
Seit November vergangenen Jahres lernt Volodymyr Shaniuk Deutsch – an diesem Aprilvormittag begrüßt er die Anwesenden mit einem deutlichen „Servus“. Shaniuk ist erst seit dem 1. April bei der Firma von Martin Spielberger angestellt, doch der ist jetzt schon sehr zufrieden mit seinem neuen Mitarbeiter. Der soll dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu dämpfen. Er und sein Arbeitgeber können ein Musterbeispiel für viele andere in der Region sein. Denn gerade mal seit September 2023 befindet sich der 43-Jährige in Deutschland.
Die Baufirma von Martin Spielberger ist aktuell für Tiefbauarbeiten am Saumarkt in Oettingen zuständig, am Durchgang sind im Boden die Leitungen zu sehen, rund zwei Meter tief ist die Fläche freigelegt: „Das ist eine unangenehme Arbeit“, sagt Spielberger, noch dazu wie zuletzt bei Regen – doch Shaniuk sei dabeigeblieben. Die Suche nach Fachkräften hat Spielberger eigentlich aufgegeben: „Es gibt keine Suche mehr“, meint der Geschäftsführer, denn es sei meist aussichtslos. Als er vom Jobcenter einige Vorschläge für neue Mitarbeiter bekommen habe, hat er sich keine großen Hoffnungen gemacht, zu schlecht waren die früheren Erfahrungen. So mancher komme am ersten Tag, sei am zweiten schon zu spät und tauche am dritten Tag gar nicht mehr auf.
Doch unter ihnen war auch Shaniuk, er wandte sich persönlich an Spielberger, der den Ukrainer zum Vorstellungsgespräch einlud, um eine Dolmetscherin kümmerte sich der Ukrainer selbst. „Schon nach zehn Minuten habe ich gemerkt: Da ist Potenzial da und der Wille.“Shaniuk schildert, Spielberger habe klargemacht, dass er pünktlich sein und genau arbeiten müsse. Spielberger hat seinem neuen Mitarbeiter einen erfahrenen Baggerfahrer zur Seite gestellt, einen kleinen Bagger kann der 43-Jährige schon bedienen, auch ein Radlader sei kein Problem. Der Ukrainer wird nun
eingelernt, im Winter, wenn die Baustellen stillstehen, soll er dann auch richtige Kurse belegen.
Shaniuk hat in der Ukraine studiert, Ingenieurwesen im Autobereich und Jura, erzählt er. Im Februar 2022 war er mit seiner Familie im Urlaub in Ägypten, über verschiedene Stationen führte ihn sein Weg schließlich nach Deutschland. Als er einen Termin im Jobcenter hatte,
sagte er, dass er „Spezialmaschinen“bedienen wolle. Da er am Donau-Ufer die Bauarbeiten gesehen hatte, kam er auf den Bagger. Bedenken hatte Spielberger keine, im Gegenteil, er befürchtet, dass Volodymyr Shaniuk vielleicht „durchstarten“und sich etwas anderes suchen könnte. Manchmal müsse er ihn bremsen.
Das Pressegespräch der Agentur
für Arbeit Donauwörth ist Teil des sogenannten Job-Turbos, einer Aktionswoche der Bundesregierung ab dem 22. April. Dieser soll mit verschiedenen Maßnahmen dazu beitragen, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen. Das ist auch notwendig, laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gab es im dritten Quartal 2023 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland. Im Landkreis Donau-Ries waren in diesem März 1655 Stellen frei, die Arbeitslosenquote beträgt 2,4 Prozent. Richard Paul, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Donauwörth, sagt, es handle sich um eine Fluktuationsarbeitslosigkeit – viele Menschen seien nach drei Monaten schon wieder in Arbeit. Es sei nicht nur so, dass Fachkräfte gesucht würden, sondern allgemein Arbeitskräfte, auch für Hilfsarbeiten. Die Beschäftigung in der Region wachse im Prinzip nur aufgrund von Personen aus dem Ausland. Laut Zahlen der Behörde ist zwischen September 2022 und September 2023 in der Region die Zahl der beschäftigten Deutschen um nur vier Personen gestiegen – dem gegenüber stehen 356 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit.
Paul ergänzt, dass mittlerweile auch viele Geflüchtete, die 2015 nach Deutschland kamen, in Arbeit seien, da habe es teilweise etwas länger gedauert. Fast jeder siebte Beschäftigte im Donau-Ries-Kreis besitze eine ausländische Staatsangehörigkeit. Seit Februar 2022, nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, seien 130 Ukrainerinnen und Ukrainer hier in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gekommen, so der Stand im September 2023. Das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen. 311 Ukrainerinnen und Ukrainer sind derzeit arbeitslos gemeldet, Paul geht davon aus, dass es stetig weniger werden.
Natürlich lerne nicht jeder so schnell wie Volodymyr Shaniuk, sagt Monika Holzmann, Geschäftsführerin des Jobcenters Donau-Ries, und ganz ohne Sprachkenntnisse gehe es nicht. Aber gerade für Familienbetriebe seien ausländische Arbeitskräfte eine gute Chance, Mitarbeiter zu gewinnen, es gebe Bereiche, bei denen die Anerkennung von Abschlüssen nicht so stark reglementiert ist. Dass eine Bereitschaft für die Integration im Arbeitsmarkt da sei, zeigten die Beispiele der beschäftigten Ukrainer – stellvertretend für sie: Volodymyr Shaniuk.