Die abscheuliche Seite des Werner Egk
Werner Egk ist kein unumstrittener Künstler. Seit Kriegsende gab es Zweifel an seiner Nähe oder im Umkehrschluss seiner Distanz zum Nationalsozialismus. In Donauwörth hieß es von Anfang an und bis zuletzt: In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Das ist kein verstaubter Rechtssatz, auch nicht in Bezug auf Egk. Ein Gschmäckle, eine Mutmaßung, ein paar Anhaltspunkte, das reicht nicht, um jemandem eine klare Gesinnung zu unterstellen. Schriftstücke belegen indes durchaus Haltungen. Und die nun im Stadtarchiv aufgetauchten Briefe haben es zum Teil wirklich in sich. Es handelt sich dabei um ziemlich eindeutigen Antisemitismus. Der mag en vogue gewesen sein in einer breiten Schicht der Bevölkerung in der damaligen Zeit der Weimarer Republik. Und doch: Er war auch damals, wie eh und je, verwerflich, abscheulich, irre. Es gab auch damals andere Haltungen.
Umso bestürzender, dass heute in Teilen der Bevölkerung – nicht allein in Deutschland – wieder jener schändliche Antisemitismus, der leider nie weg war, aufbricht. Er tritt rechts wie links im politischen Spektrum auf, es gibt ihn zudem in seiner islamistischen Form, und bis in die Mitte der Gesellschaft halten sich noch immer antijüdische Klischees. Auch deshalb dürfen Egks Schmähungen nicht ignoriert werden. Die Stadt Donauwörth hat dies erkannt und eine Untersuchung des Egk-Briefwechsels, der lange lagerte, veranlasst. Man darf gespannt sein auf die Studie. Aber was bereits jetzt bei Sichtung der Quellen zu lesen ist, spricht Bände.
Der Auchsesheimer Komponist, mit dem sich die Stadt jahrzehntelang schmückte, hatte eine gewisse Rolle im NS-System, das stand und steht außer Frage. Er war einer der Lieblingskünstler Adolf Hitlers, er war Kunst- und Kulturschaffender in jenem abscheulichen System. Doch die Person selbst stand bis dato eher als Nutznießer, Opportunist, als Mitläufer da. Nach dem Krieg galt Egk als Pazifist, der den Verlust seines Sohnes betrauerte und das Hitler-System retrospektiv ablehnte, wie sein Freund, AltOB Alfred Böswald, versicherte.
Den Antisemitismus Egks, der nun bekannt geworden ist, abzutun mit Sätzen à la „das war halt damals so“, greift historisch zu kurz. Es wäre zudem moralisch fatal. Egk schrieb an seine Frau, relativ ungefiltert. Er verfasste die Sätze zudem 1929, vier Jahre vor der sogenannten Machtergreifung durch die Nazis. Er stand nicht unter Druck, sich so zu äußern. Er schrieb freiweg so, wie er dachte. Und nach dem, was aus der neuen Egk-Studie bekannt ist, war wohl auch nach 1945 von Reue (zu) wenig zu spüren.
„Ich war ein passiver Mitläufer“soll Egk einst gesagt haben. Die neuen Erkenntnisse über den Donauwörther Ehrenbürger legen zumindest nahe, dass – milde augedrückt – eine gewisse ideologische Offenheit zum Nationalsozialismus bestand. Es ist an der Stadt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.