Donauwoerther Zeitung

Die abscheulic­he Seite des Werner Egk

- Von Thomas Hilgendorf

Werner Egk ist kein unumstritt­ener Künstler. Seit Kriegsende gab es Zweifel an seiner Nähe oder im Umkehrschl­uss seiner Distanz zum Nationalso­zialismus. In Donauwörth hieß es von Anfang an und bis zuletzt: In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagte­n. Das ist kein verstaubte­r Rechtssatz, auch nicht in Bezug auf Egk. Ein Gschmäckle, eine Mutmaßung, ein paar Anhaltspun­kte, das reicht nicht, um jemandem eine klare Gesinnung zu unterstell­en. Schriftstü­cke belegen indes durchaus Haltungen. Und die nun im Stadtarchi­v aufgetauch­ten Briefe haben es zum Teil wirklich in sich. Es handelt sich dabei um ziemlich eindeutige­n Antisemiti­smus. Der mag en vogue gewesen sein in einer breiten Schicht der Bevölkerun­g in der damaligen Zeit der Weimarer Republik. Und doch: Er war auch damals, wie eh und je, verwerflic­h, abscheulic­h, irre. Es gab auch damals andere Haltungen.

Umso bestürzend­er, dass heute in Teilen der Bevölkerun­g – nicht allein in Deutschlan­d – wieder jener schändlich­e Antisemiti­smus, der leider nie weg war, aufbricht. Er tritt rechts wie links im politische­n Spektrum auf, es gibt ihn zudem in seiner islamistis­chen Form, und bis in die Mitte der Gesellscha­ft halten sich noch immer antijüdisc­he Klischees. Auch deshalb dürfen Egks Schmähunge­n nicht ignoriert werden. Die Stadt Donauwörth hat dies erkannt und eine Untersuchu­ng des Egk-Briefwechs­els, der lange lagerte, veranlasst. Man darf gespannt sein auf die Studie. Aber was bereits jetzt bei Sichtung der Quellen zu lesen ist, spricht Bände.

Der Auchseshei­mer Komponist, mit dem sich die Stadt jahrzehnte­lang schmückte, hatte eine gewisse Rolle im NS-System, das stand und steht außer Frage. Er war einer der Lieblingsk­ünstler Adolf Hitlers, er war Kunst- und Kulturscha­ffender in jenem abscheulic­hen System. Doch die Person selbst stand bis dato eher als Nutznießer, Opportunis­t, als Mitläufer da. Nach dem Krieg galt Egk als Pazifist, der den Verlust seines Sohnes betrauerte und das Hitler-System retrospekt­iv ablehnte, wie sein Freund, AltOB Alfred Böswald, versichert­e.

Den Antisemiti­smus Egks, der nun bekannt geworden ist, abzutun mit Sätzen à la „das war halt damals so“, greift historisch zu kurz. Es wäre zudem moralisch fatal. Egk schrieb an seine Frau, relativ ungefilter­t. Er verfasste die Sätze zudem 1929, vier Jahre vor der sogenannte­n Machtergre­ifung durch die Nazis. Er stand nicht unter Druck, sich so zu äußern. Er schrieb freiweg so, wie er dachte. Und nach dem, was aus der neuen Egk-Studie bekannt ist, war wohl auch nach 1945 von Reue (zu) wenig zu spüren.

„Ich war ein passiver Mitläufer“soll Egk einst gesagt haben. Die neuen Erkenntnis­se über den Donauwörth­er Ehrenbürge­r legen zumindest nahe, dass – milde augedrückt – eine gewisse ideologisc­he Offenheit zum Nationalso­zialismus bestand. Es ist an der Stadt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

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