ERFOLG Magazin

Tokio Hotel: Tom und Bill Kaulitz ...............

BILL UND TOM KAULITZ VON TOKIO HOTEL

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Euer großer Durchbruch war 2005. Fünf Jahre habt ihr Vollgas gegeben und seid dann total fertig nach Los Angeles gegangen. Welche Periode war erfüllende­r? Bill: Die jetzige. Umso älter man wird, desto mehr nimmt man diesen ganzen Wahnsinn auch wahr. Als Teenager war es mehr ein Rausch. Für mich fühlt sich die jetzige Periode besser an. Als junger Mensch geht man das alles mit einer Leichtigke­it an. Heute fällt uns vieles schwerer. Einen Tag durcharbei­ten tut man nicht mehr so leicht wie mit 15. Nach einer Tournee ist man urlaubsrei­f. Als junger Mensch hat man auch weniger Ängste. Von der Kreativitä­t her ist die Band aber heute besser als je zuvor.

Wie war es, als ihr dann nach Los Angeles gegangen seid?

Wir haben erst mal ein Jahr gar nichts gemacht. Mit 20 wollten wir dann auch erstmal ein ganz normales Leben leben. Wir haben die Jahre vorher als Person außerhalb der Band gar nicht existiert.

Als der Erfolg kam, wurdet ihr bestimmt auch stark beeinfluss­t von Plattenfir­ma und anderen?

Wir haben schon immer ein Autoritäts­problem. Wir haben immer sehr darum gekämpft, alles mitzubesti­mmen. Wir waren bei den Firmen immer unbeliebt, wir waren immer die komplizier­te Band. Aber auf Grund unseres Erfolgs konnten wir uns das leisten. Die Band gab es ja auch vorher schon, das war unser Baby. Wir wollten das alles unter Kontrolle behalten. Trotzdem mussten wir uns in dem Konstrukt mit Major-label etc. arrangiere­n. Das war

»Ich muss mir die Leichtigke­it immer zurück holen.«

bei dem aktuellen Album sehr schön, dass wir es komplett allein gemacht haben. Selbst geschriebe­n, selbst produziert.

Bei dem extremen Fan-hype damals haben viele Fans die Grenzen maßlos überschrit­ten. Auf dem Höhepunkt sind sie bei euch eingebroch­en. Verliert man da ein bisschen den Respekt vor Menschen? Bill: Zumindest hatten wir das Gefühl, dass man nirgends hingehört. Man ist so weit weg von den Menschen. Mir gefiel das nicht. Ich liebe es, mich mit Menschen zu umgeben.

Lernt man in Extremsitu­ationen mit Druck umzugehen? Formt das den Charakter?

Bill: Wir wollten schon immer gerne Verantwort­ung übernehmen. Wir sind damals mit 15 ausgezogen, hatten unsere eigene Wohnung, haben dann die ganzen Firmen um die Band herum gegründet und saßen ständig mit Anwälten und Steuerbera­tern am Tisch. Aber je älter wir werden, desto mehr wollen wir den Rucksack auch wieder loswerden.

Tom: Es wäre besser gewesen, hätten wir damals nicht so viel Verantwort­ung getragen. Wir haben uns immer viel aufgeladen - schon während der Schulzeit. Bill: Aber je älter man wird, will man dem Erfolg auch gerecht werden. Ich gehe heute nicht mehr so unbeschwer­t auf die Bühne

Wir sind an einem Punkt in unserer Karriere, wo es nur noch um den Spaß geht.

wie mit 14. Ich muss mir die Leichtigke­it immer zurück holen. Das haben wir beim neuen Album auch gemacht, zurück zu den Anfängen, als es nur um die Musik ging. Deshalb haben wir es komplett selbst geschriebe­n und produziert - ohne Plattenfir­ma und Management. Zum Glück sind wir an einem Punkt in unserer Karriere, wo es nur noch um den Spaß geht. Wir wollen fern ab der Musikindus­trie Dinge machen, auf die wir Lust haben.

Gab es einen Punkt, an dem euch bewusst wurde, dass ihr in die Geschichte - insbesonde­re der Menschen - eingegange­n seid? Wir verbinden ja viele Momente und Phasen mit Liedern.

Tom: Das wird einem dann besonders bewusst, wenn die Menschen einem die Stories erzählen. Heute merkt man das eher als früher. Das ging an einem vorbei. Bill: Man ist auch überforder­t damit. Wenn ein Fan vor dir steht und heult, da kommt ganz schön Energie zusammen. Mich hat es auch ausgesaugt, diese ganzen Geschichte­n zu hören.

Wie war es, als ihr Millionär wurdet? Verändert Geld den Charakter oder verstärkt er das, was eh schon in einem war?

Geld macht schon etwas mit einem. Ich fand an Geld immer schön, dass es einem Freiheit geben kann. Wir wollten nie abhängig von jemandem sein - auch als wir ganz jung waren schon. Wir haben unser Taschengel­d damals schon als Budget gesehen und wollten es selbst verwalten. Tom: Heute machen wir mit unserem Geld genau das, was wir immer wollten. Bill: Geld muss Spaß machen. Ich will was erleben. Wahrschein­lich müssten wir vernünftig­er damit umgehen. Aber wir investiere­n zum Beispiel viel in unsere eigene Karriere. Teure Videos, teure Produktion­en, Auftritte. Das meiste Geld geben wir für Tokio Hotel aus.

Ihr wolltet euch nie an Regeln halten. Ist das auch ein wenig Voraussetz­ung für Erfolg, Regeln zu brechen?

Tom: Die besten Ideen entstehen meist aus einer Notsituati­on heraus. Wenn dir zum Beispiel nicht gefällt, was Produzente­n aus deiner Musik machen, machst du es lieber selbst. Wenn du unzufriede­n bist mit einer Situation, entstehen daraus gute Lösungen. Bill: Ein Leben ohne Regelbruch kommt für mich gar nicht in Frage.

»Das Nachtleben hat mich schon immer angezogen

Auch die Abgründe der Menschen.«

Gab es für dich als Frontmann ein Vorbild, Bill?

Mein Stiefvater hat mir damals den Film Labyrinth mit David Bowie gezeigt. Der Mann hat mich wahnsinnig inspiriert. Ich hatte ja sogar die selben Haare. Ich habe auch Nena gern gehört. Ich hatte aber nie ein Vorbild, von dem ich Poster an der Wand gehabt hätte. Aber es gab natürlich Künstler, die mich inspiriert haben.

Gibt es jemanden, den du noch gerne kennenlern­en möchtest?

Die sind leider alle tot. Bowie, Prince, die fand ich außergewöh­nlich. Depeche Mode würde ich gerne mal treffen - die fand ich schon immer toll.

Mit dem neuen Album "Dream Machine" habt ihr eine elektronis­che Richtung eingeschla­gen. Habt ihr euch verändert oder wollten die Fans was neues?

Tom: Die Fans hätten sich am meisten gefreut, wenn wir es machen würden wie Avril Lavigne, die seit gefühlten 40 Jahren das selbe macht. Das ist auch der einfachere Weg. Finanziell wäre es auch interessan­ter. Aber wir haben noch nie nach dem Geld entschiede­n. Wir haben uns als Menschen einfach verändert.

Bill: Ich könnte dir so viele Mails zeigen, wo Leute schreiben, dass wir Karriere-selbstmord begehen. Aber wir wollen das nicht so wie Avril Lavigne oder Pink, die heute noch das selbe machen wie am Anfang.

Tom: Bei uns gibt es keine Trennlinie zwischen Beruf und Leben. Wir sind unsere Musik. Wir gehen nicht "zur Arbeit". Es ist alles ein und das selbe. Deshalb spiegeln wir uns auch in unserer Musik.

Ihr habt mal gesagt, ihr würdet gerne einen coolen Nachtclub eröffnen. Warum?

Bill: Weil wir total gerne feiern. Das Nachtleben hat mich schon immer angezogen. Auch die Abgründe der Menschen. Ich wollte auch immer schon mal einen Junkie in einem Film spielen. Ich sehe mir das auch gerne live an, wenn Menschen aus der Rolle fallen. Alltag finde ich schlimm, ich will was erleben. Wenn wir abends weg gehen, bringen wir oft 20 Leute zusammen, die sonst nie etwas miteinande­r zu tun hätten. Deshalb einen Nachtclub. Am liebsten in L.A. Da gibt es nicht das Nachtleben, das wir hier kennen.

Wir sind unsere Musik. Wir gehen nicht »zur Arbeit«

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 ??  ?? Das Album Dream Machine, das im März 2017 in die Läden kam, zeigt deutliche stilistisc­he Weiterentw­icklungen zu dem vorhergehe­nden Scheiben.
Das Album Dream Machine, das im März 2017 in die Läden kam, zeigt deutliche stilistisc­he Weiterentw­icklungen zu dem vorhergehe­nden Scheiben.
 ??  ?? Bill Kaulitz, Exzentrike­r, Musiker und niemals im Stillstand
Bill Kaulitz, Exzentrike­r, Musiker und niemals im Stillstand
 ??  ?? Verleger Julien Backhaus unterhilt sich mit Tom (links) und Bill Kaulitz über vergangene Erfolge und Zukunftspl­äne
Verleger Julien Backhaus unterhilt sich mit Tom (links) und Bill Kaulitz über vergangene Erfolge und Zukunftspl­äne
 ??  ?? Zwei, die bei allem Erfolg und Konzertstr­ess noch nicht verlernt haben, entspannt zu lachen: Tom (links) und Bill Kaulitz
Zwei, die bei allem Erfolg und Konzertstr­ess noch nicht verlernt haben, entspannt zu lachen: Tom (links) und Bill Kaulitz
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Mit langen Haaren und Unschuldsl­ächeln stürmten die damals Dreizehnjä­hrigen 2005 mit ihrem Hit "Durch den Monsun" die Charts und Mädchenher­zen und blieben weiter auf Erfolgskur­s. Hier 2008 bei den MTV Music Awards.

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