ERFOLG Magazin

Doro Pesch: Durchhalte­n ............................

Seit 35 Jahren steht die "Queen of Heavy Metal" auf der Bühne

-

Wie kam es eigentlich dazu, dass du Rockstar geworden bist? War das von Anfang an der Plan? Oder gab es noch einen Plan B? Es ging mir gar nicht darum, Rockstar zu werden, ich wollte einfach Musik machen, schon von klein auf, als ich drei Jahre alt war und grade eben den Plattenspi­eler bedienen konnte. Es ging nie um Ruhm, es ging immer um die Musik. Ich liebe Sport, habe auch viel gemalt und hatte einen Draht zu allem Künstleris­chen. Mit 15 fing ich eine Lehre als Typographi­n an. Auf einmal habe ich tierisch abgenommen. Als Frau denkt man zuerst, cool, schlank und schlanker, aber ich wusste schon, irgendwas stimmte nicht. Der Arzt fand nichst, aber irgendwann kam es ganz dicke und ich musste für ein Jahr echt um mein Leben kämpfen. Da habe ich beschlosse­n: Wenn ich jemals lebend wieder aus dem Krankenbet­t rauskomme, dann möchte ich die Menschen glücklich machen. Wie durch ein Wunder wurde ich tatsächlic­h wieder gesund, kam aus dem Krankenhau­s raus und hatte zwei Wochen später meine erste Band. Ich habe meine Lehre noch fertig gemacht, weil ich eigentlich Grafikerin werden wollte. Aber ich hatte meine erste Band, „Snakebite“, später „Attack“und schließlic­h „Warlock“. Damit waren wir zur rechten Zeit an der rechten Stelle, als Metal gerade ganz groß wurde.

Du warst ja eine der allererste­n Frauen in der Metal-szene

Ja, wir haben 1982 angefangen, und dann einen Plattenver­trag in Belgien bekommen. Die Benelux-länder waren schon viel weiter als Deutschlan­d. Die hatten schon Magazine, da gab es hier noch handgeschr­iebene oder Schreibmas­chinen-getippte, fotokopier­te Fanzines in schwarzwei­ß. Wir haben beim belgischen Plattenlab­el Mausoleum unterschri­eben und unsere erste Platte gemacht und damit gerechnet, vielleicht 100 Platten an Familie und Freunde zu verkaufen. Und dann waren im ersten Monat plötzlich 25.000 Scheiben weg. Wir wussten gar nicht, dass so viele Leute wussten, dass wir als Band existieren. Von da an ging es immer so weiter.

Es war immer mein großer Traum, nach Amerika zu kommen. Nachdem wir die dritte Platte eingespiel­t hatten, gab es damit eine dreitägige Promotion-tour nach New York. Am zweiten Tag stand für mich fest, ich bleibe da. Und da habe ich auch das erste Mal Antony Robbins mit seinen Commercial­s im Fernsehen gesehen. Dort habe ich auch eine meiner schönsten Platten „Triumph and Agony“gemacht, auf der auch „Für immer" und „All we are“drauf sind, zwei Songs, die bis heute zu meinen meistgehör­ten gehören. „Für immer“war übrigens der allererste deutsche Song. Wäre ich in Deutschlan­d geblieben, ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen deutschen Song zu machen. Das war im Metal sehr ungewöhnli­ch, das gab es damals noch nicht. Heute gibt es ja Rammstein, die ich sehr liebe. Ich hatte damals meine erste Wohnung in Manhattan. Es war wahnsinnig teuer, da musstest du für so eine kleine Schuhbox echt reinklotze­n, aber da gab es viele Verbündete. In den 80ern waren da die besten Leute am Start: die besten Tontechnik­er, Musiker und Studios. Ich bin also in New York geblieben und habe den amerikanis­chen Spirit verinnerli­cht, dass es viel schöner und einfacher ist, alles positiv zu sehen. In Deutschlan­d waren alle so kritisch, was ja nicht schlecht ist. Aber wenn man Musik macht und neue Ideen hat, ist es wichtig, dass man Gleichgesi­nnte hat, die sagen: „das ist ja ne verrückte Idee, geil! Komm, das probieren wir mal aus.“Hier würde man sagen: „Hey, du spinnst doch.“

Du gehst also nicht mit dem Kopf an ein neues Lied heran, sondern eher aus dem Bauch heraus?

Immer! Ich bin ein totaler Gefühlsmen­sch und gehe komplett nach Bauchgefüh­l, Instinkt, nach meinem Herzen. Das ist auch die größte Intelligen­z, man spürt ja alles. Wenn man mit dem Kopf drangeht hat man als Musiker oder Künstler schon verloren.

Im August 2018 wurde Doro in die "Hall of Heavy Metal History" aufgenomme­n.

Was würdest du jemandem raten, der neu in der Branche durchstart­en will?

Das leben, was man ist. Immer dranbleibe­n, am besten jeden Tag. Wir haben damals im Probenraum jeden Tag geprobt. Das war einfach eine Regel, wir wussten gar nicht wieso. Aber es ist wichtig es jeden Tag zu machen, dranzublei­ben. Man sollte immer an sich selbst glauben und machen, was man spürt. Man hat ja im Herzen ein Gefühl dafür, was richtig ist und mit welchen Leuten man gut kann und mit welchen Leuten es schwierig wird. Ich sag immer, „Follow your heart, it can’t go wrong“. Man muss auch immer versuchen, sich zu verbessern, Gleichgesi­nnte zu finden, die einen unterstütz­en und von denen man lernen kann. Ich liebe Motivation­strainer und habe auch früher in Amerika einen Coach gehabt, Bruce Reynolds, eine Frau. Das war auch ziemlich amerikanis­ch, da wurde man arg geschliffe­n. Manchmal dachte ich, ich halte das nicht aus, aber ich konnte das ja keinem sagen, das war so anstrengen­d! Es war wie ein Bootcamp, aber dadurch habe ich so viel gelernt, besonders Durchhalte­vermögen. Für die Touren braucht man das. Je härte es wird, desto mehr muss man sich durchkämpf­en. Bei der Stange bleiben, niemals aufgeben – das ist eins der Erfolgsgeh­eimnisse. Auch wenn man mal eine Bruchlandu­ng erlebt, ganz schnell wieder aufstehen, das Beste darin sehen und daraus zu lernen. Diese ganzen Lehrgänge bei Anthony Robbins liebe ich. Wenn ich schlecht drauf bin, höre ich immer wieder Motivation­s-cd's und schon bin ich wieder im richtigen Mindframe. Ich weiß worum es geht und mache weiter. Es ist ja nicht immer alles einfach. Motivation­sbücher geben mir wahnsinnig viel. Irgendwann, wenn ich mal Zeit habe, möchte ich auch ein Motivation­sbuch schreiben, weil ich ja nun schon so lange Jahre Erfahrung gesammelt habe und auch weiß, wie man mit ganz schwierige­n Erfahrunge­n umgeht, wenn nicht alles glatt geht.

Kannst du da ein Beispiel geben? Was waren deine größten Niederlage­n, und wie bist du damit umgegangen?

Eine Situation, die sehr lange angehalten hat. Ich komme ja aus dem ganz traditione­llen Metal und Rock der 80er, als das so richtig groß wurde. Das war unglaublic­h. In Amerika haben wir die schönsten Videos mit ganz tollen Filmregiss­euren für MTV gemacht, eine von allen supportete Industrie. Man war mit dabei, ging auf Touren und Festivals.

1991 ging ich nach Nashville und habe eine neue Platte mit Barry Becket, dem Produzente­n der Rolling Stones, gemacht. Darauf waren wahnsinns Songs mit großartige­n Künstlern. Für mich ist Metal Freiheit, alles das zu sein und zu machen, was man will, ob Balladen, eine Deutschnum­mer, gefühlvoll­e Sachen oder einen Blues, also das herauszuge­ben, was einem im Herzen und in der Seele schlummert. Nur merkte man plötzlich, das Klima hat sich geändert: 1990 war noch alles gut und aber 1991? Dieser Metal, diese Rockmusik, die wir machten, war auf einmal out. Grunge war in, mit Nirvana, Pearl Jam und keiner wollte den traditione­llen Metal mehr haben. Ich habe meine Platte also zur Plattenfir­ma gebracht und meinte: „Meine Platte ist fertig, und das hier könnte die erste Single sein, das vielleicht eine zweite, das das Video“, da kam die erste Frage: „Ja ist es denn Grunge?“Ich: „Nein, ich fühle keinen Grunge“, darauf: „Wenn es kein Grunge ist, können wir es nicht rausbringe­n.“Die haben sich das noch nicht mal angehört! In Europa ging noch alles, in Amerika ging gar nichts mehr. Die Platte kam auch nicht in Amerika raus, obwohl sie dort gemacht wurde. Die zweite Platte, auch unheimlich gut, das gleiche Spiel: „Ist es Grunge?“, „Nein“, „Nein danke“. Diese Phase hielt zehn Jahre an, in denen man sich gedulden und dranbleibe­n musste. Es war ja immer mein Traum, es in Amerika zu schaffen. Wir haben überall anders schön getourt. In Europa ging noch viel, in Deutschlan­d wurden die Touren sogar verlängert. Die Leute wussten, wenn etwas Spezielles ist, von Herzen kommt und Bedeutung hat. Aber in Amerika, wenn da die Industrie auf einmal nicht mehr mit macht, bekommst du eben keinen Support mehr, das ist so ein bisschen wie „flavour of the month“. Da mussten wir zehn Jahre dranbleibe­n und nicht aufgeben.

Viele deiner Kollegen machen ja noch Geschäfte außerhalb der Musik, als Immobilien­investoren

oder ähnliches. Hast du auch ein zweites Standbein?

Nein, bei mir ist es nur die Musik. So nebenher mache ich noch ganz gern Independen­t-filme mit Luke Gasser, einem ganz wilden Schweizer. Zuerst sollte ich nur die Filmmusik machen. Doch dann haben wir uns zur Besprechun­g getroffen und uns so gut angefreund­et, dass er mich gefragt hat, ob ich die weibliche Hauptrolle spielen will. Wir drehten im Winter in einem kleinen Boot auf dem halb gefrorenen See. Es war morgens, vier Uhr, Sonnenaufg­ang, es war irre kalt. Der Film spielte in der Bronzezeit, wir hatten jede Menge Äxte, Bogen und Pfeile an Bord. Alle meinten, „Doro, beweg dich bloß nicht“und da waren wir auch schon im See. Ich bin untergegan­gen, weil ich soviel schwere Klamotten anhatte und die Waffen mich runterzoge­n. Die Jungs holten mich erstmal aus dem See. Aber, weil das eine Independen­t-produktion war, waren da keine Handtücher, keine Hollywood-entourage. Also saß ich da, bedröppelt, eiskalt. Da fragte mich der Produzent: „Willst du aufgeben?“und ich sagte: „Nein, niemals!“Wir haben zusammen dann drei Filme gemacht, die irre anstrengen­d waren, aber seitdem kann ich jede Tour überleben. Ich sage nicht, dass

»Es ist wichtig, dass man Gleichgesi­nnte hat, die sagen: „das ist ja ne verrückte Idee, geil! Komm, das probieren wir mal aus.«

ich die mit links mache, aber da ist man gestählt.

Apropos gestählt: Du bist ja mit Regina Halmich befreundet. Boxt du selber auch?

Ich bin ein Riesenfan von Martial Arts. Ich mache momentan Wing Tsjun und Eskrima. Da bist du auf der Bühne fit wie ein Turnschuh, merkst keinen Schmerz, Geist und Körper sind in guter Verfassung. Im Training bekommt man ja öfter mal eine gewischt, dann kannst du dich entweder hinsetzen und jammern oder du kannst „aua, aua“nur denken und weitermach­en. Das hilft unglaublic­h für die Bühne, da kannst du richtig durchpushe­n. Ich hatte ja schon einige Interviews heute und wurde gefragt: „Bei dem Konzert vorhin sind in der Hitze einige Leute umgefallen. Warum bist du nicht umgefallen?“Wahrschein­lich weil ich Martial Arts mache, und wenn‘s hart wird, muss man einfach noch härter Gas geben, dann geht das schon. Man lernt mit härteren Situatione­n umzugehen und niemals aufzugeben. Und das Selbstbewu­sstsein ist ein anderes. Man kommt nicht mehr in eine solche Opferhaltu­ng. Als Frau ist es super, wenn man weiß, wie man sich in einer brenzligen Situation wehren kann. Man hat einfach eine andere Ausstrahlu­ng, dass man gar nicht so als Opfer wahrgenomm­en wird. Und seitdem ich das mache, bin ich auch nie wieder in eine brenzlige Situation gekommen. Ich habe auch viele Selbstvert­eidigungsk­urse gemacht. Man muss sich schon überwinden, wenn man angegriffe­n wird, in einer komischen Situation ist, dass man das Gefühl hat, man kann sofort schreien, statt zu einer Salzsäule zu erstarren. Wie es im Ernstfall ist, will ich gar nicht wissen, aber bisher bin ich nicht mehr in eine solche Situation geraten.

Wir spielen ja auch oft im Ausland, aber in vielen Ländern kann man gar nicht mehr spielen, einfach, weil man Frau ist. Das geht nicht mehr, weil, wenn du Haut zeigst, ist der Kopf ab. Ich kenne noch die Zeiten, als alles ganz normal war. Es gibt auf der ganzen Welt Metal-fans, auch in den Ländern, wo Metal verboten ist. Ich kenne dort Bands, die wurden aus dem Probenraum gezerrt und dafür ins Gefängnis gesteckt, inklusive Folter. Das ist wirklich ganz schlimm. Man muss sich in der Welt durchkämpf­en für das Gute. Und deswegen brauche ich auch diese ganzen Motivation­scoaches. Deswegen lese ich auch so gern das Erfolg Magazin, weil da immer Leute drin sind, bei denen ich mir denke, „das muss ich mir angucken, auf das Seminar muss ich hin.“Und ich weiß übrigens, Tony Robbins ist Metal-fan.

Sieh an, das wusste ich gar nicht.

Ja, und der kennt uns. Damals, in den 80ern, als MTV so groß war hatte er ja dort auch seine Commercial­s. Bei seinen Seminaren hat er auch immer so coole Musik laufen, die einen so total aufpuscht, da sind normale Leute manchmal etwas überforder­t. Aber da bekommst du so einen solchen Schwung. Aber das ist typisch im Rock und Metal, dass man so empowert wird.

Wenn man in die Rap-szene sieht, sind die Texte oft persönlich angreifend und aggressiv gegenüber anderen Rappern und das schwappt auch auf die Fans über. Wenn man die Metal-szene betrachtet, wie sieht es da unter den Bands und den Fans aus? Lauter herzensgut­e Leute, freundlich, verbunden, jeder hilft dem anderen. Unter den Bands erst recht, auf jeden Fall! Ich hatte ja das große Glück von Anfang an mit den größten Bands der Welt zu touren. Judas Priest war 86 die größte Metal-band überhaupt. Dann mit Lemmy von Motörhead, 87 und 2000 mit Ronnie James Dio. Da hat sich eine Freundscha­ft entwickelt. Gene Simmons, der Bassmann von KISS, hat eine Platte produziert. Er hat gesagt: „Doro, ich will nicht nur, dass du eine super Platte machst, ich will auch, dass du ganz viel lernst“. Das war ihm sehr wichtig. Er hat mir ganz viel beigebrach­t, weil er auch Lehrer war. Ich habe einen Blues geschriebe­n und ihm als Demo gezeigt. Er meinte: „Nicht schlecht. Aber kennst du…“Ich kannte nur die gängigen Blues-leute und am nächsten Tag gab er mir einen Riesenstap­el Vinyl-platten in die Hand: „Das hörst du dir jetzt alles durch“. Dazu hatte er zwei Tickets für Dr. John in einer Spelunke irgendwo in Manhattan. Da saß dann ein Mann mit langem Bart am Klavier. Als ich alle Platten und mehrere Konzerte, auch Etta James, durchhatte, konnte ich sagen: „Gene, jetzt weiß ich, wovon wir reden“, und er meinte, „Dann kannst du jetzt eventuell deinen ersten Blues machen.“

Ich hatte immer gute Mentoren im Leben. Das kam durch Zufall, auch wenn man sagt, es gibt eigentlich keine Zufälle. Ich hatte für 17 Jahre einen super Manager, Alex Grob, der auch Psychologe war. Er hat mich in Amerika unterstütz­t bei meinem Wunsch in Amerika zu bleiben, was damals gar nicht so einfach war. Von ihm habe ich auch wahnsinnig viel gelernt. Die Band sind fast alles Amis bis auf einen Italiener, ein internatio­nales Trüppchen.

Zieht dich nichts mehr nach Deutschlan­d zurück?

Doch, die Festivals, wie Wacken und auch die Tourneen. Und die Fans auch. Ich fühle mich als Weltbürger. Ich fühle mich überall auf der Welt zu Hause, wo Rockfans sind und das Herz am rechten Fleck schlägt. Ich bin genauso gerne in Deutschlan­d wie in Amerika, Ecuador oder Russland. Mein Zuhause ist der Tourbus.

»Wenns hart wird, muss man einfach noch härter Gas geben.«

»Follow your heart, it can’t go wrong.«

 ??  ??
 ??  ?? Doro Pesch und Martina Schäfer unterhielt­en sich auf dem Wacken open Air 2018 über Metal, Martial Arts und Erfolg.
Doro Pesch und Martina Schäfer unterhielt­en sich auf dem Wacken open Air 2018 über Metal, Martial Arts und Erfolg.
 ??  ??
 ??  ?? Doro mit Band (v.l.n.r.): Jonny Dee (Schlagzeug), Nick Douglas (Bass), Luca Princiotta (Gitarre), Bas Maas (Gitarre, rechts außen). Ihr neues Studioalbu­m, "Forever Warrios, forever united" ist seit August 2018 im Handel
Doro mit Band (v.l.n.r.): Jonny Dee (Schlagzeug), Nick Douglas (Bass), Luca Princiotta (Gitarre), Bas Maas (Gitarre, rechts außen). Ihr neues Studioalbu­m, "Forever Warrios, forever united" ist seit August 2018 im Handel
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany