Düstere Vergangenheit, lichte Zukunft
Ein britischer Banker, der um das Leben jüdischer Kinder kämpfte, Spurensuche am Ort eines Völkermordes und Musik, die uns ein wenig Zuversicht zurückgibt: die Empfehlungen der Woche
SEHEN
„Kleine schmutzige Briefe“Helle Aufregung im beschaulichen Küstenort Littlehampton: Die anständigen Leute erhalten plötzlich unanständige Post. Bloß von wem? Erfreulich anstößige Komödie mit Olivia Colman und Jessie Buckley. (Kino)
„Club Zero“Als Miss Novak ihren übereifrigen Schülern beibringt, wie man sich nachhaltig und gesund ernährt, vergeht bald allen der Appetit. Fein abgeschmeckte Satire über Essstörungen von Jessica Hausner mit Mia Wasikowska. (Kino)
„Chantal im Märchenland“Von der Weimarer Klassik zu den Brüdern Grimm? Chantal aus „Fack ju Göhte“tritt als aufstrebende Influencerin in eine wundersame Fabelwelt voller Prinzen, Feen und Zauberer ein, wo aber trotz aller Magie kaum ein Witz zünden will. (Kino)
„One Life“Bewegendes Biopic mit Anthony Hopkins über den englischen Bankangestellten Nicholas Winton, dem es kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gelingt, 669 jüdische Kinder vor dem Abtransport in die Vernichtungslager zu retten. (Kino)
„Stop Making Sense“Sieben Jahre vor „Das Schweigen der Lämmer“drehte Jonathan Demme mit den Talking Heads einen Konzertfilm, der ohne Wenn und Aber bis heute als der Goldstandard des Genres gilt. Zum 40. Jubiläum in restaurierter Fassung. (Kino)
LESEN
Leyla Piedayesh, Stefanie von Wietersheim, Neda Rajabi: „Irans Töchter“20 Porträts von Frauen mit iranischen Wurzeln. Sie handeln vom Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung – und sie feiern das Leben in bedrohlichen Zeiten. (Callwey)
Anne Weber: „Bannmeilen“Hinschauen, wohin sonst niemand blickt, außer in Nächten des Krawalls: Mit einem befreundeten Filmemacher durchstreift Weber die Banlieus von Paris, porträtiert die Menschen und wirbt um Toleranz. (Matthes & Seitz)
Didier Eribon: „Eine Arbeiterin: Leben, Alter und Sterben“Der französische Soziologe und Bestsellerautor („Rückkehr nach Reims“) erzählt voller Trauer vom Tod der Mutter – und zeigt auf, wie selten würdevolles Altern in unserer Gesellschaft gelingt. (Suhrkamp)
Ronya Othmann: „Vierundsiebzig“Wie lässt sich das Unfassbare in Worte fassen? Die Tochter einer deutschen Mutter und eines kurdisch-jesidischen Vaters reist in den Norden des Iraks, wo IS-Terroristen 2014 Tausende Jesiden ermordeten. (Rowohlt)
HÖREN
Adrianne Lenker: „Bright Future“Schon als Sängerin und Gitarristin der fantastischen US-Indiefolk-Band Big Thief ist Lenker eine Extremistin der Zartheit. Also wird auf dem neuen, sechsten Soloalbum – das im Wald aufgenommen wurde, wo sonst – so schön gehaucht, geflüstert und geseufzt, dass einem der Hut hochgeht.
Kim Gordon: „The Collective“Wäre die Ex-Sonic-Youth-Bassistin keine ältere weiße Dame, hielte man ihr Album Trap Beats, gesprochener Text – für HipHop. Es klingt mehr nach Playboi Carti als nach 90er-Noise-Rock. Aber vielleicht hält man Carti auch nur deshalb für HipHop, weil er ein junger schwarzer Mann ist.
Gossip: „Real Power“Beth Dittos (r.) bunte Truppe ging eigentlich auseinander, nachdem Gitarrist Nathan Howdeshell (l.) sich als evangelikaler Christ neu erfunden hatte. Doch nun ist ein neues Album da, das nahtlos an früher anschließt – nur dass Gossip heute einfach viel besser klingen.
Shakira: „Las Mujeres Ya No Lloran“Die kolumbianische Hitmaschine und Freundin extremer (illegaler) Steuersparmodelle ist nach langer Pause zurück. Um an die Gegenwart anzuschließen, hat sie etliche Gäste des jungen spanischsprachigen Pops dabei wie Karol G, Ozuna und Bizarrap. Aber wer ist die Frau auf dem Cover?
Deep Purple: „Machine Head“Wiederveröffentlichung des unkaputtbaren Hard-Rock-Klassikers als „Super Deluxe Edition“, für die Frank Zappas Sohn Dweezil die Originalbänder neu abmischen durfte. Diverse Live-Aufnahmen sowie ein neues Remaster des 52 Jahre alten Albums sind außerdem Teil des Pakets.