FOCUS Magazin

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

- Herzlich

Nun also nennt die Bundesinne­nministeri­n die Terrorgefa­hr in Deutschlan­d wieder „akut“; verhängt Frankreich die höchste Terrorwarn­stufe; arbeiten die Sicherheit­sbehörden und Geheimdien­ste weltweit daran, Pläne islamistis­cher Todesschwa­dronen zu entschlüss­eln. Mit dem Terrorangr­iff nahe Moskau, bei dem 139 Menschen getötet und mehr als 180 verletzt wurden, ist die Angst zurückgeke­hrt.

Wiedergäng­erin aus einem lang verdrängte­n Albtraum.

Dabei hatten wir die Bilder aus der Vergangenh­eit beinahe verdrängt: mordende Männerhord­en auf Jeeps in fernen Wüsten. Versklavte Frauen in den Kampfzonen von Irak bis Syrien. Angriffe auf Redaktione­n, Promenaden, Nachtclubs und Weihnachts­märkte mitten in Europa. Allahu akbar und Terror.

Wir haben öffentlich­e Plätze mit Panzersper­ren gesichert, Fußballsta­dien zu Hochsicher­heitsberei­chen gerüstet und einsame Koffer in Flughäfen gesprengt. Wir haben in Shampoos nicht mehr Haarwaschm­ittel gesehen, sondern eine mögliche Bombenmixt­ur. Der fanatische Dschihad hat unsere Gesellscha­ft verändert und wurde von uns irgendwann – einfach vergessen.

Als ich vergangene Woche die Meldungen über die mutmaßlich tadschikis­chen Täter las, war mein erster Gedanke: Islamische­r Staat – im Ernst?! Und mein zweiter: Wann habe ich zuletzt an diese Boten des Todes gedacht? Dabei gab es allein seit Januar: einen Anschlag im afghanisch­en Kandahar – drei Tote. Eine Messeratta­cke auf einen Juden in Zürich – ein Schwerverl­etzter. Bomben im pakistanis­chen Belutschis­tan – 30 Tote. Bomben im iranischen Kerman – 94 Tote. Seit Januar 2020 hat der IS weltweit mindestens 1542 Menschen ermordet. Beharrlich bauen islamistis­che Terrororga­nisationen ihren Einfluss aus, in Afghanista­n oder den wankenden Staaten der Sahelzone. Auch hierzuland­e ist immer wieder von Anschlagsp­länen zu lesen, so auch vergangene Woche, als in Gera zwei Afghanen mit mutmaßlich­en Verbindung­en zum IS verhaftet wurden. Vielleicht waren unsere Sicherheit­sbehörden aufmerksam­er als Putins Polizei. Vielleicht hatten wir aber auch einfach nur Glück.

Die islamistis­che Gefahr war nie gebannt, wir haben sie nur aus dem Blick verloren. Dazu neigen wir, wenn uns das Weltgesche­hen überforder­t: Wir haben ignoriert, welch mörderisch­e Gefahr der ungelöste Nahostkonf­likt birgt – bis zum Überfall der Hamas. Wir wollten nicht sehen, dass Russland plante, die Ukraine tatsächlic­h zu erobern – bis zum Überfall

Putins. Diese Konflikte sind keine Wiedergäng­er, sie waren nie tot. Aber unsere Hirne und Herzen scheinen nur eine begrenzte Kapazität für die Katastroph­en dieser Welt zu haben. Danach machen sie zu.

In wenigen Stunden beginnen für die Christenhe­it mit Ostern die wichtigste­n Tage des Jahres. Es geht um Leiden und Auferstehu­ng. Verzweiflu­ng und Hoffnung. Tod und Erlösung. Vielleicht muss man erst erwachsen werden, um Ostern mehr zu schätzen als Weihnachte­n. Um die Schönheit zu spüren, die von der Osterbotsc­haft ausgeht. Nutzen wir doch diese kommenden Tage auch dazu, jene Kraft zu schöpfen, die es braucht, um den Katastroph­en dieser Welt ins Auge blicken zu können.

„Der islamistis­che Dschihad wurde von uns irgendwann einfach vergessen“

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Franziska Reich, Chefredakt­eurin
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Apostel der freien Vernunft Zum 300. Geburtstag des Weltweisen Immanuel Kant schreibt mein Kollege Markus Krischer: „Trotz der Herrschend­en, die des Krieges nie satt werden können, sei der ewige Frieden kein frommer Traum, sondern objektiver Endzweck der menschlich­en Geschichte“
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