Augenblicke für die Ewigkeit
Mit 30 stand ihm Hollywood offen, aber Fritz Wepper blieb lieber daheim und hat deutsche Fernsehgeschichte geschrieben. Abschied von einem begnadeten Volksschauspieler
Als er im Juni 2021 abdanken musste, hatte der niederbayerische Bürgermeister Wolfgang Wöller noch einmal einen großen Auftritt, wie immer zum Finale einer Staffel der wundervollen ARD-Serie „Um Himmels Willen“. Fritz Wepper sang also im Duett mit seiner Filmpartnerin Janina Hartwig den Hit
„The Time of My Life“aus „Dirty Dancing“, und man merkte ihm an, wie sehr ihm diese 260 Folgen als Provinz-Zampano an der Seite gewiefter Nonnen Freude bereitet hatten. Ja, als Wolfgang Wöller hatte er die „Zeit seines Lebens“.
Fritz Wepper konnte eine Figur entwickeln und mit Leben erfüllen wie kaum ein zweiter, und das über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Er schrieb Fernsehgeschichte, vor allem in seiner Rolle als Harry Klein. Von 1969 an spielte er 30 Jahre lang den treuen Assistenten der Chefermittler in „Der Kommissar“und „Derrick“. Sein Duett mit Horst Tappert wurde zum Exportschlager, es lief in mehr als 100 Ländern.
Harry Klein war dabei viel mehr als nur der Sidekick, er wurde Kult. Einer der besten Techno-Clubs in München benannte sich nach der Figur, und die Aufforderung „Harry, fahr schon mal den Wagen vor“ist ein geflügeltes Wort, auch wenn sie in der Serie nie vorkam. Sie zeigt aber das Berufsethos dieses deutschen Dr. Watson: nie auftrumpfend, immer dienstbar, mindestens so kompetent wie der
Chef und ganz sicher weniger hölzern. Das lag an Fritz Wepper.
Dabei hat er die Schauspielerei nie auf einer Schule gelernt, er hat sie sich erlebt. 1941 wurde er in München geboren, im Krankenwagen an der Maillinger Bushaltestelle, wie er mal erzählte, Fritz Wepper hatte zeitlebens einen Sinn fürs besondere Timing. Mit elf stand er im Residenztheater auf der Bühne in „Peter Pan“, mit 18 gelang ihm der weltweite Durchbruch im Antikriegsfilm „Die Brücke“von Bernhard Wicki. Wepper spielte den 16-jährigen Albert Mutz, der ganz kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs zur Wehrmacht eingezogen wird. Es war großes internationales Kino in der jungen Bundesrepublik, mit ganz neuen Leinwandgesichtern.
Weltruhm erlangte er 1972, als er in der Musical-Verfilmung „Cabaret“zu sehen war. Mit Hauptdarstellerin Liza Minnelli war er seitdem gut befreundet. Er hätte wohl in Hollywood reüssieren können, aber er entschied sich für das Fernsehen. 1983 war er noch einmal auf der Kinoleinwand zu sehen, in, wie passend, „Der letzte Kampf“.
Fritz Wepper war ein Familienmensch, selbst in seiner Arbeit. Er drehte gemeinsam mit seinem Bruder Elmar, der im vorigen Jahr starb, die Krimiserie „Zwei Brüder“und mit seiner Tochter Sophie „Mord in bester Gesellschaft“.
Vielleicht war es eine Folge des frühen Ruhms, dass er sich nie dem Interesse seiner vielen Fans verschloss. Er ließ sich in die Seele blicken, ein Schauspieler war er nur im Rampenlicht. Die letzten Leerstellen füllte seine Autobiografie, die er 2021 unter dem Titel „Ein ewiger Augenblick“veröffentlichte. Auch dass es schon länger nicht gut um ihn stand, war kein Geheimnis. Der Krebs machte ihm zu schaffen. Nun ist Fritz Wepper im Hospiz in Oberbayern „friedlich eingeschlafen“, wie seine zweite Ehefrau Susanne bekannt gab. ■
Martin Greenfield, 95, Herrenschneider
Es war eine Gabe, die aus der Hölle kam. Geboren im tschechoslowakischen Pawlowo in eine jüdische Familie, wurde Maximilian Grünfeld, wie er damals hieß, im Alter von 14 Jahren gemeinsam mit seinen Eltern, den Großeltern, zwei Schwestern und einem Bruder nach Auschwitz deportiert. Man stufte den Jungen als arbeitsfähig ein und steckte ihn in die Lagerwäscherei, seine Angehörigen wurden ermordet. Eines Tages riss er versehentlich den Kragen vom Hemd eines Aufsehers, der ihn zwang, den Schaden zu reparieren. So lernte er nähen. Nach der Befreiung wanderte er nach New York aus, verdingte sich bei einem Kleiderhersteller und übernahm schließlich das Geschäft. Martin Greenfield, wie er sich nun nannte, wurde zum anerkanntesten Herrenschneider der USA, sechs Präsidenten trugen seine Anzüge, dazu Hollywood- und Sportstars wie Frank Sinatra oder Shaquille O’Neal. Er arbeitete für Designer wie Donna Karan, aber auch für Filmstudios, so stammt der orange-rote Dreiteiler des „Joker“im Oscar-Film von Martin Greenfield Clothiers. JOBST-ULRICH BRAND,
FOCUS-Redakteur