Planet Auckland
Neuseelands größte Stadt ist ein Hotspot am Pazifik für Kunst, Kultur und richtig gute Küche. Michael Raffael hat sich die vielseitige Kiwi-Metropole mal genauer angesehen
Eine kulinarische Tour durch die fantastische SuperCity von Neuseeland
Endlose Strände, immergrüne Regenwälder, fruchtbare Weinberge und ein pulsierendes Stadtleben. Auckland am nördlichsten Zipfel der neuseeländischen Nordinsel bietet all das – und noch viel mehr. Die größte Stadt der Kiwis, wie sich die Landsleute am anderen Ende der Welt gern bezeichnen, erstreckt sich über unglaubliche 147 Kilometer entlang der Küste.
Auckland hat viele verschiedene Gesichter und jedes ist einzigartig. Über 90 Prozent der Auckländer wohnen in einem 30-MinutenRadius von dem ikonischen Sky Tower. Der Rest lebt in kleinen Buchten, an den Stränden, auf den Inseln, in den Vororten oder den umliegenden Schutzgebieten. Seit 2010 wird diese gigantische Super-City von einem gemeinsamen Stadtrat mit einem Bürgermeister verwaltet. Und so kann man fernab von Busbahnhöfen und Einkaufszentren leben und trotzdem Großstädter sein. Auckland ist voller Kontraste und genau das macht die Stadt so reizvoll.
Piha Beach am Rande des Waitakere-Ranges-Schutzgebiets ist ein Paradies für Surfer, aufgrund der starken Strömungen aber auch sehr gefährlich. Bei Flut ist der Hafen von Whangateau eine blaue Ebene, bei Ebbe verwandelt er sich in ein großes Schlammbett, das ideal ist, um Muscheln zu sammeln. Dominion Road ist tagsüber nichts anderes als ein staubiger Schleichweg in die Stadt, doch am Abend pulsiert die Straße im China Town und Restaurants wie Love A Duck oder Eden Noodels, die traditionelle Spezialitäten etwa aus der Metropole Chengdu servieren, erwachen zum Leben.
An den Wochenenden findet der Hobsonville Point Farmers Market in einem alten Flugzeughangar abseits der Upper-HarbourAutobahn statt. Das Angebot ist göttlich und reicht von in ManukaHonig geräuchertem Aal zu selbst gebrautem Ingwer-Bier. Tamati Norman verkauft hier seine von den Maori inspirierten Gewürze und Pasteten. Er hat sogar eine im Angebot, die er aus
„Noch vor gut einem Jahrhundert hatte die Ponsonby Road einen schlechten Ruf als Hotspot für das alltägliche ,Sechs-Uhr-Saufgelage‘ . Heute reihen sich in der Straße Restaurants und Bistros aneinander. In Cafés genießen die Leute ihren Flat White mit fluffigen Lamingtons“
Dunklen Sturmtauchern kocht und mit Ti-toki-Likör würzt. „Wir nennen dieses Paté die Anchovi-Paste des Süd-Pazifiks“, erklärt er stolz. „Einmal im Jahr dürfen wir die Vögel jagen. Um sie zu fangen, müssen wir mit der Hand in ihre Nistlöcher greifen.“
Leichter herzustellen sei da seine Gewürzmischung Kawakawa aus einer Art Pfeffer, der auf tiefliegenden Bäumen wächst und mit Seegras und Meersalz gemischt wird. Das Ergebnis ist eine scharfe und duftende Würze. „Bei allem, was wir tun, führen wir Kulturen zusammen und vermischen Tradition und Moderne“, sagt der Maori. Auf der Nordinsel leben die meisten Nachfahren der neuseeländischen Ureinwohner, deren Traditionen bis heute gepflegt werden. John Panoho, ein Maori-Ältester, Waka-Segler und Wildniss-Führer, würzt seinen gegrillten Fisch mit Tamatis Kawakawa. Er erzählt uns, dass die Kiwis verrückt nach Booten sind. Dass sie sogar lieber raus aufs Meer fahren, um dort ihren eigenen Fisch zu fangen, als einfach zu einem Fischhändler zu gehen. „Sie glauben, es sei ihr Geburtsrecht – und das denken nicht nur die Maori. Das Fischen lernt jeder Junge von seinem Vater, der es wiederum von seinem Vater gelernt hat. Jeder hat ein Boot oder kennt jemanden, der eins hat. In den Gemeinden außerhalb der Stadt gibt es viele Jäger und Sammler, die mehrmals pro Woche rausfahren.“
Das erklärt jedenfalls, warum hier alle möglichen Fischarten perfekt zubereitet werden, wobei der Schnapper die ungeschlagene Nummer eins ist. Aber die Konkurrenz ist groß. Die Zeitung The New Zealand Herald wählte die Fish and Chips im Restaurant Oceanz Seafood im Wynyard-Viertel zu den besten der Stadt. Statt mit Schnapper wird hier mit Barsch gekocht – die Sorte, die auch von japanischen Küchenchefs gern für Sashimi verwendet wird. Das Bistro Ponsonby Road ist der pazifischen Küche treu und serviert gebratenen Knurrhahn, indisch gewürzte Kichererbsen, Pastinaken und Gurken-Raita. Das Café Sawmill in Leigh belegt und backt seine beliebte Holzofen-Pizza mit Shrimps und Tarakihi, einem Gründler, der sich von Krustentieren ernährt.
Eine Stunde vom Stadtzentrum entfernt liegt Goat Island, das erste Meeresschutzgebiet Neuseelands. Omaha Cove liegt auf der anderen Seite der Halbinsel. Die kleine Bucht mit dem nilgrünen Wasser ist ein Paradies für Hummer-Jäger. Die Krustentiere werden hier tonnenweise gefangen, aber nur ein kleiner Teil gelangt auch tatsächlich in die Kochtöpfe von Auckland. Der Großteil wird in Boxen lebendig verpackt und geradewegs zu den reichen Gourmets nach Shanghai geflogen. Wer in Auckland eines der Krustentiere kosten will, muss den Sky-Tower-Aussichtsturm besuchen. Die Flusskrebse mit Otago-Safran schmecken im
Panorama-Restaurant The Sugar Club zum 360-Grad-Ausblick über die Stadt gleich noch mal so gut. Wer zum Dessert eine Portion Adrenalin möchte, kann sich an einem Bungee-Seil gesichert 200 Meter in die Tiefe stürzen – ein Abgang, den Sie garantiert nicht vergessen werden. The-Sugar-Club-Inhaber und Küchenchef Peter Gordon gilt als der Pate des Fusion-Food in Neuseeland. Er war der Erste, der konservative, mitteleuropäische Gerichte mit asiatischer Küche verband und 1986 das erste FusionFood-Menü in einem neuseeländischen Restaurant servierte. Mittlerweile ist diese Fusionküche fester Bestandteil der Kiwi-Esskultur. Und so kredenzt Tamati Norman sein Kawakawa aus nativem Kokosöl, Pinienkernen, etwas Feta-Käse und Quinoa.
Noch vor gut einem Jahrhundert hatte die Ponsonby Road einen schlechten Ruf als Hotspot für das alltägliche „Sechs-Uhr-Saufgelage“, wie man es nannte, weil die Männer der Stadt nach der Arbeit in den Kneipen entlang der Straße einkehrten und sich den einen oder anderen Feierabend-Drink gönnten. Heute reihen sich dort Restaurants, Cafés und Bistros aneinander. Bei Dizengoff oder auch im Café Clear Water Peak genießen die Leute ihren Flat White, Espresso mit aufgeschäumter Milch, mit fluffigen Lamingtons. Die süßen Kuchen sind in Schokolade und Kokosflocken gewälzte Biskuit-Würfel, die mit Sahne und Marmelade gefüllt sind. Unfassbar süß und einfach himmlisch. Wer Hunger hat, kann seinen Appetit bei Boy & Bird mit gegrillten Zitronenhühnchen vom Spieß stillen.
Im ehemaligen Lagerhaus von Ponsonby Central treffen Zutaten und Zubereitungsarten aus aller Welt aufeinander: Neben Coddled Eggs gibt es auch Parrilas und Tappanyaki. Ricotta-Pfannkuchen mit geschlagener Salz-Karamell-Butter bei Toru konkurrieren mit den getoasteten Sauerteig-Kreationen bei Little Bread & Butter. Zwischen all den Bistros und Brasserien lockt The Dairy mit Käseleckereien aus ganz Neuseeland. Einer der Zulieferer ist Crescent Dairy Goats aus Aucklands direktem Umland.
Jan und John Walters Hof liegt idyllisch zwischen Erdbeerfeldern und den Weingärten von Kumeu. Zu ihren Verkaufsschlagern gehören ein mittelfester Käse mit Nesseln und süßem Bockshornklee sowie der mit Brandy gespülte Dirty Devil – sehr aromatisch! Die Spezialität des Hauses ist allerdings der kegelförmige Flat White, benannt nach dem beliebten Kaffee. Der unfassbar cremige,
„Im einstigen Lagerhaus von PonsonbyCentral treffen Zutaten und Zubereitungsarten aus
beinahe Mousse-ähnliche Käse ist mit einem Koru dekoriert, der sich entrollende Wedel des Silberfarns – das Symbol Neuseelands. In direkter Nachbarschaft liegt die Winzerei Kumeu River Wines, deren prächtige Chardonnay-Reben bis fast an die Hauptstraße hinunterreichen. Und Maté’s Vineyard, benannt nach ihrem kroatischen Gründer Maté Brajkovich, der mit seiner Familie vor über 70 Jahren das Weingut etablierte, landet mit ihren Tropfen regelmäßig in den Top 100 der besten Weine der Welt.
Um Auckland herum liegen einige Weingüter, vor allem die Region um Matakana hat sich einen Namen gemacht. Einen großen Verdienst daran haben insbesondere Richard und Christine Didsbury vom Weingut Brick Bay. Im großzügigen Glashaus mit Blick auf die Reben und den Skulpturenpark servieren die beiden köstliche Gerichte und erstklassige, frische Weine aus der Neuen Welt. Schon allein deswegen lohnt sich eine Fahrt nach Brick Bay. Aber es gibt noch mehr: Richard und Christine haben den Matakana Village Farmers Market gegründet: ein exklusiver Markt, auf dem ausschließlich regionale Ware angeboten wird. Standplätze sind heiß begehrt. Laut Christine ist der Markt aber viel mehr als nur ein Umschlagsplatz für handgefertigte Produkte. „Es geht nicht nur darum frische und regionale Waren zu kaufen – wir wollen vor allem auch den Gemeinschaftssinn fördern.“Das Angebot kann sich sehen lassen: Lorraine Norths Windfall-Chutney ist hervorragend, und die Backwaren von I Love Pies schmelzen im Mund. Es gibt Büffelkäse, frische Säfte, Speck von glücklichen Schweinen, authentische Cannelloni, Frühlingsrollen und Verjus von Heron’s Flight Vineyard. Falls in diesem Schlemmerparadies mal schlechte Stimmung herrscht, dann nur wegen der strengen Auflagen des Stadtrats, der nicht zwischen Stadt und Land unterscheidet und alles reglementiert – und sei es nur die Verpackung der Eier.
Federvieh ist übrigens ein viel diskutiertes Thema unter den Geflügel-Liebhabern auf Waiheke, eine Insel knapp 18 Kilometer vor Auckland. Der Super-City-Stadtrat verfügte, dass Hähne nicht in bebauten Gegenden krähen dürfen. Also brachten die Insulaner ihre gefiederten Schreihälse aufs Land und ließen sie frei. Nun stolzieren Hähne in allen Farben und Größen über die Insel – eine RegenbogenGeflügel-Gemeinde. Wenn mal jemand einen potenten Hahn für seine Hennen braucht, sammelt er einfach einen
aller Welt aufeinander wie köstliche Ricotta-Pfannkuchen mit Salz-Karamell-Butter“
der bunten Vögel ein. Nach erfolgreichem Stelldichein werden die stolzen Hähne wieder zu den anderen Junggesellen in die Wildnis entlassen. Bewohnern und Hühnervolk scheint dieses Arrangement sehr zu gefallen. Doch Waiheke erlangte auch traurigen Ruhm: 1985 versenkte der französische Geheimdienst das GreenpeaceFlaggschiff Rainbow Warrior in dem Gewässer vor Auckland.
Jonathan Scott besuchte schon als kleiner Junge die Insel. Seiner Familie gehörte ein bach, wie die Ferienhäuser genannt werden. „Es war nur eine kleine Hütte“, erinnert er sich. „Aber sie hatte alles, was man brauchte – mit Bett, Küche, Bad und Plumpsklo im Garten. Wir kamen mit dem Wasserflugzeug und landeten direkt am Strand.“Die kleine Hütte von damals ist heute das The Boatshed: ein weiß gekalktes Boutique-Hotel, das sich an die Hügel schmiegt und die Oneroa Bay überblickt. Obwohl das Hotel nur fünf Suiten hat, befürchteten die Einheimischen bei Baubeginn, dass es zu wuchtig für die Insel sein könnte. Obwohl Waiheke schon lange ein beliebtes Ferienziel ist, hat es sich seine Ursprünglichkeit bewahrt und ist charmant provinziell. Es gibt B&Bs, Weingüter, eine Mikro-Brauerei und eine Olivenöl-Presse.
Jonathan war früher Manager bei der Kaufhauskette Selfridges, heute kocht er für seine Gäste Gemüse aus seinem Garten. Zum Dinner kredenzt er gern Lamm mit Sauerampfer-Tzaziki oder ein Kahawai-Fischpaté mit geschälten Saubohnen. Zum Frühstück gibt’s Ricotta-Pfannkuchen mit Ahornsirup und poschierten Eier. Auf Waiheke herrscht Urlaubsfeeling statt Großstadtstress. Dass man Teil einer Super-City ist, ist kaum vorstellbar, wenn man gerade ein Opossum im Grapefruit-Garten erwischt hat. Auckland ist eben nicht wie andere Städte. Und das ist gut so.
Michael Raffael und Ewen Bell reisten mit freundlicher Unterstützung von Tourism New Zealand. visitnewzealand.com
Von links: Lachs mit MaoriKräutern; Wildnis-Führer John Panoho; Waiheke; Muscheln Unten, von links: Boote; Köstliches aus dem Mudbrick; Jonathan Scott von The Boatshed; traumhaftes Mudbrick
„Jonathan Scott besuchte schon als kleiner Junge die Insel. Seiner Familie gehörte ein Ferienhaus. Nur eine kleine Hütte – aber sie hatte alles, was man brauchte – mit Bett, Küche, Bad und Plumpsklo im Garten. Heute ist die Hütte ein Hotel“