Allein unter Männern
freundin-textchefin Johanna Zimmermann über Männer, die im Sommer unser Mitleid verdient haben
Es gibt viele Gründe, den Sommer toll zu finden: laue Abende im Bier‑ garten, baden am See, Eis am Stiel… Außerdem ist es die einzige Jahres‑ zeit, die für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern sorgt. Zumindest klamotten‑ technisch. Denn es ist doch so: Während ich mir das ganze Jahr den Kopf zerbreche, was ich anziehen soll (was bitte heißt „Casual Chic“?) und zwischen unzähligen Bluse‑hose‑rock‑ Kombinationen wählen muss, ziehen Männer einfach eine Jeans aus dem Schrank. Hemd drauf oder T‑shirt, fertig. Feiert jemand Hoch‑ zeit, stellt sich für sie bloß eine Frage: grauer oder blauer Anzug? Nur im Sommer gilt das nicht mehr. Wenn es zu heiß für den Einheits‑ Look wird und etwas Styling‑fantasie gefragt ist. Das Ergebnis: größtenteils erschreckend. Das bestätigt mir auch ein Blick in die Stamm‑ tischrunde. Kumpel Nummer eins etwa sieht aus wie ein Bademeister, der statt Rettungsboje immer ein Skateboard dabeihat. Egal, ob er in der Stadt unterwegs ist oder am See, er trägt stets ein geripptes Unterhemd. Um die Knie schlackern ihm Shorts in Knallfarben – halb Skaterhose, halb Bermudas. So als müsste er allzeit bereit sein, sich in die Fluten zu stürzen. Oder den nächsten Isarzulauf. Der Vorteil am Bademeister? Man kann ihn selbst im vollsten Biergarten nicht verlieren: wegen der schnalzen‑ den Flip‑flops und des Viskose‑nylon‑gemischs seiner Hose, das bei jedem Schritt laut raschelt. Das genaue Style‑gegenteil von ihm ist Kumpel Nummer zwei. Während Nummer eins den Halb‑angezogen‑look relativ lässig interpretiert, sieht er darin aus wie ein Pfadfinder: Er trägt eine kurze beige Hose, die ein paar Zentimeter zu weit über den Knien endet. Dazu kombiniert er Polohemden oder Ringelshirts. Was dazu auf keinen Fall fehlen darf: quietschbunte Sneakers. An sich keine schlechte Idee, allerdings geht auch das letzte bisschen Coolness flöten, wenn darin weiße Söcklinge zum Vorschein kommen. Ich sehe mich weiter um und stelle fest, dass Kumpel Nummer drei das stylishste Exemplar am Tisch ist – und ein Krempler. Klettern die Temperatu‑ ren über 20 Grad, steckt er in Chinohosen, deren Hosenbeine es auf die perfekte Länge umzu‑ schlagen gilt: kurz genug, damit der Stoff nicht auf den Segeltuch‑loafern aufliegt, aber nicht so kurz, dass die Hose in die Wade einschneidet und zu viel Beinhaar freigibt. Es ist ein schmaler Grat, den Männer wie Nummer drei hier ge‑ hen. Der Einzige, der sich dem sommerlichen Styling‑problem widersetzt, ist Nummer vier. Er zieht an 365 Tagen im Jahr einfach dasselbe an: Jeans, T‑shirt und drüber ein offenes Jeans‑ oder Karo‑hemd. Den Jahreszeitenwechsel erkennt man bei ihm an den Accessoires: Mütze im Winter, Baseball‑cap im Sommer. Statt peinliche Kurze‑hosen‑momente zu riskieren, steht er lieber in seinem eigenen Schweiß. Ein bisschen feige, oder? Momentan nicht am Stammtisch vertreten ist der Manager, für den im Job Anzugpflicht gilt. Weil ich selbst so einen zu Hause habe, weiß ich, dass er jeden Morgen in einer Zwickmühle steckt: norma‑ les Hemd tragen und die neuen Budget‑pläne mit unschönen Flecken unterm Arm präsentieren oder ein kurzärmliges Exemplar aus Leinen wählen und darin wie Tom Selleck in der Serie „Magnum“aussehen? Die Männer können einem schon leidtun, denke ich, während ein lauer Wind mein Maxikleid umspielt.