Ich frage mich manchmal ...
ICH FRAGE MICH MANCHMAL UND IN LETZTER ZEIT IMMER ÖFTER: Das Internet kann einen unter Umständen ziemlich krank machen. Unsere Autorin hat es am eigenen Leib erfahren
Warum googeln wir ständig unsere Krankheiten?
Letztens spürte ich einen kleinen harten Punkt im Gesicht, oberhalb des Wangenknochens. Schon der erste Google-eintrag brachte mich zur Diagnose: „Tumorartige Veränderung“nannte eine medizinisch angehauchte Webseite mein Symptom. Tumor?
Oh Gott. In zwei Clicks vom harmlosen Pickel zur tödlichen Krankheit, das kann nur Dr. Google. Google ist wie ein riesiger Baum. Man fängt an einem niedrigen Ast an und kann sich in allerkürzester Zeit in schwindelerregende Höhen hangeln. Das ist mitunter wahnsinnig interessant, im Falle des Googelns von Krankheiten aber auch nicht ohne Nebenwirkungen. Ruck, zuck hat man sich in die gewagtesten Diagnosen hineinfantasiert. Besonders anfällig für die Netzdiagnose war ich in der Schwangerschaft. Da horcht man viel in sich rein, ist besorgt, ob auch alles gut gehen wird. An guten Tagen recherchierte ich auf vertrauenswürdigen, weil offensichtlich fachlich kompetenten OnlinePortalen wie netdoktor, mylife und so weiter. Aber es gab auch andere Tage. Da wühlte ich mich wild durch obskure Internetforen, in denen seitenlang über stümperhafte Ärzte und Fehldiagnosen geflucht wurde. Wer so was liest, rechnet mit dem Schlimmsten.
Allein bin ich damit nicht. 73 Prozent aller Erwachsenen suchen Antworten auf ihre Krankheitssymptome im Netz. Frauen übrigens häufiger als Männer. Der Grund des Googelns: Wir sind unsicher. Aber sind wir deswegen auch Cyberchonder? Nein. Wer nach Ferienwohnungen, Sommersandalen oder nach einer neuen Liebe im Netz fahndet, der kann in den allermeisten Fällen auch die seriösen von den unseriösen Anbietern unterscheiden. Warum sollte das bei Gesundheitswebseiten anders sein? Dabei wird immer wieder vor Dr. Google gewarnt. Hausärzte sind verständlicherweise genervt davon, wenn patente Patienten sie bei der Untersuchung mit ihrem Netzwissen belehren und ihrem Urteil misstrauen. Jede vierte Selbstdiagnose im Netz soll fehlerhaft sein. Dabei sind die Fachleute nicht ganz unschuldig an der Entwicklung. Wie oft ist das, was einem die Mediziner mitteilen, komplett unverständlich? Zudem belegen Studien, dass die Datenmenge, die dem digitalen Doktor bei der Diagnose hilft, so umfassend ist, dass Patienten so seltenere Krankheiten früh bzw. rechtzeitig erkannt haben. Eine aktuelle Untersuchung bescheinigt sogar, dass ein entscheidender Anteil der befragten Patienten durch das Googeln nicht weniger, sondern mehr Vertrauen zu ihrem Arzt aufbaut. Eine interessante Entwicklung: Wer häufiger seine Symptome googelt, den beruhigt das Ergebnis seiner Suche eher, wer noch wenig Erfahrung damit hat, klickt sich leicht in Hysterie hinein.
Im Falle meines „lebensbedrohlichen“Punkts auf der Wange half mir die Googlebilder-suche. Im Vergleich sah meine Hautstelle dann doch eher nach Pickel aus. Beim Arzt war ich trotzdem. Der bestätigte meine Diagnose. Puh, Glück gehabt.