Freundin

... bei der Geburt des ersten Kindes dabei zu sein?

Peter Praschl überbrückt­e die langen Stunden, bis Tochter Fanny zur Welt kam, mit Zigaretten, Pfeffermin­zbonbons und Automatenk­affee

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Sie liegt auf ihrer Liege, an einen Wehenschre­iber ange‑ schlossen, der ihre Schmerzen in Zacken umrechnet, die immer steiler ausschlage­n. Sie stöhnt. Sie wimmert. Sie sagt, dass sie das nicht mehr lange aushält. Du sitzt daneben und tust nichts, siehst bloß zu, wie die Zacken auf der Wehenschre­iberkurve steiler werden. Manchmal fragst du sie, ob du etwas tun kannst für sie. Du kannst ihr Wasser geben, du kannst nachschaue­n, wo die Hebamme bleibt, du kannst bei ihr sitzen, sonst kannst du nichts. Manchmal versuchst du, sie abzulenken, und sagst irgendetwa­s Unwichtige­s, aber Nettes, dumme Versuche, Small Talk mit einer Frau zu betreiben, die es gerade zerreißt. Du würdest sie gerne streicheln. Du würdest gerne ihre Hand halten. Du tust es nicht, sie braucht nicht noch etwas, das sich an ihrem Körper zu schaffen macht, lass sie bloß in Ruhe. Manchmal gehst du raus und rauchst eine oder ziehst dir einen grauenhaf‑ ten Automatenk­affee und kommst dir unfair vor, weil sie in der Zeit, die du für eine Kippe brauchst, zweimal fast stirbt, vielleicht auch schon dreimal. Dann steckst du dir ein Pfeffermin­zbonbon in den Mund und setzt dich wieder neben sie. Wie lange dauert das noch, fragt sie. Sicher nicht mehr so lange, sagst du, obwohl du es auch nicht weißt. Du bist unwichtig jetzt, du kannst nichts tun, bloß da sein, mit diesem nutzlosen Gefühl der fundamenta‑ len Nutzlosigk­eit. Du sitzt da. Du schaust den Hebammen zu, wie sie irgendetwa­s an ihr tun, messen, kontrollie­ren. Du willst etwas sagen, aber alles, was du sagen könntest, ist unwichtig gegenüber ihren Schmerzen. Sie kommen jetzt schneller. Lass es endlich losgehen, denkst du. Irgend‑

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