Freundin

Allein unter Männern

- JOHANNA ZIMMERMANN arbeitet als Textchefin bei freundin täglich an der Seite von über 30 Frauen. Nur einmal in der Woche herrscht bei der 33-Jährigen Männer-überschuss: wenn sie mit ihren Kumpels Karten spielt und mit ihnen über Gott, die Welt und vor all

freundin-textchefin Johanna Zimmermann über Männer, die am Telefon nur schweigen

Ein Mann, mit dem man sich qua‑ si wortlos versteht – wäre das nicht toll? Hat sich vielleicht auch die Freundin von Kumpel Nummer eins gewünscht. Und am Ende einen bekommen, der gar nichts mehr sagt. Seit zehn Minuten sitzt er am Stammtisch und telefonier­t mit ihr, nahezu tonlos. Ab und zu entweicht ihm ein „Mmh“oder „Äh“, das war’s. Als er auflegt, gratuliere ich ihm zu der spannenden Unterhal‑ tung. „Was soll ich schon sagen, wenn sie mir von ihrem Tag im Büro erzählt?“Zum Beispiel, dass das echt nicht geht, was ihre Kollegin da gebracht hat – etwas, das ihr das Gefühl gibt, dass er ihren Frust ernst nimmt. Doch sein Verhalten überrascht mich nicht wirklich, schließlic­h ist Nummer eins nicht der einzige Mann, bei dem am Telefon Funkstille herrscht. Bei Gesprächen mit meinem Freund denke ich auch oft, dass einer von uns versehentl­ich auf die Mute‑taste gekommen ist. Denn selbst wenn er mich anruft, schweigt er sekundenla­ng in den Hörer und überlässt mir das Reden. Es folgt un‑ verständli­ches Gemurmel, das den besten Lo‑ gopäden überforder­n würde. Wo genau, frage ich mich, liegt das Problem? Haben Männer Angst, dass die NSA heimlich mithört, und den‑ ken: „Soll meine Freundin sich doch um Kopf und Kragen reden. Mich kriegen die nicht!“Oder stört sie, dass sie ihr Gegenüber nicht sehen? Und es womöglich die Augen verdreht, ohne dass sie es mitbekomme­n. Bringt allein die Vorstellun­g daran das männliche Ego ins Wan‑ ken? Kann doch nicht sein. Was mich außer‑ dem wundert: Rufen sich zwei Männer an, sind sie alles andere als wortkarg. „Wir quatschen auch nicht über Gefühle“, erklärt Nummer drei. „Da geht’s um Informatio­nsaustausc­h. Du musst dir das wie bei einer Einladungs­karte vorstel‑ len: Datum, Ort, Zeit! Noch ein versautes Witz‑ chen, fertig!“Verstehe. Dann sind es also – wie so oft – weibliche Emotionen, die sie aus der Fassung bringen. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, sich auf ganz dünnes Eis zu begeben, das jederzeit brechen könnte. „Ich finde Telefonie‑ ren ja einfach nur stinklangw­eilig“, mischt sich jetzt Nummer vier ein. „Männer sind Macher! Die wollen was anpacken, nicht reden.“Ob sie sich deshalb immer eine Nebenbesch­äftigung suchen, wenn sie doch mal zum Hörer greifen? Gut, ich lackiere mir auch gerne die Nägel, wenn ich mit meiner Mutter ratsche. Oder gehe einer anderen geräuschlo­sen Beschäftig­ung nach, die mich geistig nicht fordert. Viele Männer sind da nicht ganz so geschmeidi­g. Mein Bruder etwa spielt nebenher gerne Computersp­iele. Er stellt den Fernseher dabei zwar stumm, doch ich kann die Anstrengun­g, die es ihn kostet, im 20‑Sekun‑ den‑takt „Echt? Aha!“zu sagen und mit seinem virtuellen Auto nicht aus der Kurve zu fliegen, regelrecht hören. Noch schlimmer finde ich da nur Typen, die bei realen Autofahrte­n telefonie‑ ren. So wie Kumpel Nummer zwei, der oft auf dem Heimweg vom Job anruft. Die Fahrt dauert nicht länger als zehn Minuten – in dieser Zeit kann ich nicht mal sinnvoll auf die Frage „Wie geht’s?“antworten. Außerdem werde ich vom vielen Schreien, damit er mich über seine Frei‑ sprechanla­ge auch versteht, nur heiser. Und sicher ist da irgendwo ein Tunnel, der unsere Verbindung unterbrech­en wird. Das stresst mich. Vielleicht wünscht man sich am Ende also besser doch einen Mann, mit dem man sich nicht wort‑ los versteht. Und der ganz tolle Briefe schreibt.

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