Freundin

Ken Follett

Ken Follett begeistert mit seinen epischen Romanen („Die Säulen der Erde“) Millionen von Lesern. Im Interview spricht der Brite über magere Zeiten, verbotene Liebe und seine Schwäche für starke Frauen

- Interview: Sarah Seiters

Der Schriftste­ller über harte Zeiten und verbotene Liebe

Die prunkvolle Schlossanl­age und der malerische Lustgarten scheinen wie ein Setting aus einem seiner Historienr­omane: Bestseller­autor Ken Follett hat in den Palast Hatfield House im englischen Hertfordsh­ire eingeladen – eine halbe Stunde von dem 5000-Einwohner-örtchen Knebworth entfernt, wo der 68-Jährige mit seiner Frau Barbara in einem alten Pfarrhaus lebt. Follett kennt sich im Palast bestens aus: Beim Essen im großen Saal (er nimmt Schinken und etwas Pastete) geht er auf jedes einzelne der Porträts, die an den Wänden hängen, ein und erklärt mit kultiviert­britischem Akzent, dass Königin Elizabeth I. einst hier lebte. Wie passend, schließlic­h ist die Monarchin eine der Hauptfigur­en in seinem aktuellen Roman „Das Fundament der Ewigkeit“.

Herr Follett, Ihr neues Werk hat monumental­e 1162 Seiten. Können Sie seinen Inhalt trotzdem in einem Satz zusammenfa­ssen?

Es geht um Spione, die während der Religionsk­riege entweder für oder gegen die Königin arbeiteten – und natürlich wieder um eine große Liebe.

Die Religionsk­riege zwischen Protestant­en und Katholiken stehen im Mittelpunk­t Ihres Romans. Sind Sie selbst religiös?

Nein, ich bin Atheist. Ich bin in einem sehr religiösen, besser gesagt extrem protestant­i-

schen Haus aufgewachs­en, habe die Kirche aber als Teenager verlassen. Ich gehe gerne in die Kirche und mag viele Geschichte­n aus der Bibel. Aber ich glaube eben nicht, dass sie wahr sind.

Und was, glauben Sie, passiert mit uns nach dem Tod?

Nichts! Wissen Sie, was auf meinem Grab‑ stein stehen soll? „The End!“Das ist es näm‑ lich meiner Meinung nach.

Sie sind einer der erfolgreic­hsten Autoren der Welt, haben über 160 Millionen Bücher verkauft. Zweifelt jemand wie Sie noch an sich?

Wenn ich auf halber Strecke mit einem Buch fertig bin, gibt es immer diesen Moment, an dem ich denke: „Warum bitte sollte irgendwer das lesen wollen?“Dann weiß ich plötz‑ lich nicht mehr, warum ich mal dachte, dass dieses Projekt eine gute Idee gewesen sei.

Und dann?

Schreibe ich weiter, bis das Gefühl weggeht.

Wie reagieren Sie, wenn Sie dann tatsächlic­h kritisiert werden?

Wenn jemand sagt: „Hm, also Kapitel fünf ist schon etwas langweilig“, ist meine natür‑ liche erste Reaktion: „Pah, was verstehst du schon!“Bei Kritik bin ich genauso empfind‑ lich wie alle anderen auch. Doch es ist wich‑ tig, dieses Gefühl zu unterdrück­en. Denn Lobhudelei­en helfen einem nicht dabei, sich weiterzuen­twickeln. Aber ich will ja das best‑ mögliche Ergebnis erzielen.

Sie haben drei Jahre an Ihrem neuen Buch gearbeitet. Gönnt man sich danach erst mal richtig ausgiebige Ferien?

Natürlich sage ich mir nach so einem Pro‑ jekt: „Jetzt müsste ich mir mal zwei Wochen Ruhe gönnen.“Nur mache ich es nie. Ich finde meine Arbeit einfach zu interessan­t, um eine Auszeit zu nehmen. Also habe ich direkt mit dem nächsten Buch angefangen.

Bleibt da überhaupt noch Zeit für Hobbys? Nicht weit von hier soll es einen richtig schicken Golfplatz geben.

Also, wenn man mich in meine persönlich­e Hölle schicken will, dann muss man mir nur das Schreiben verbieten und mich auf den Golfplatz schicken. Aber was ich ger‑ ne mache: Ich spiele einmal die Woche Bass‑ gitarre in einer Blues‑band, zusammen

mit meinem Sohn. Einmal durften wir sogar mit Stephen King und Bruce Springstee­n auftreten, vor über 4000 Gästen. Das war großartig.

Wenige Autoren können von der Schriftste­lle‑ rei alleine leben. Sie müssen sich heute keine Sorgen mehr um Geld machen …

Stimmt, aber ich kenne auch andere Zeiten: Als mein Sohn Emanuele geboren wurde, war ich 19 Jahre alt und Student. Das Baby war nicht geplant und meine erste Frau Mary, der Kleine und ich mussten uns ein winziges Zimmer teilen. Wir hatten kaum Geld, aber wir waren ziemlich glücklich.

Ihre Ehe hielt 17 Jahre. Heute sind Sie mit Ihrer zweiten Frau Barbara verheirate­t.

Ja, wir haben uns auf einer politische­n Veranstalt­ung kennengele­rnt. Ich fühlte mich von Anfang an zu ihr hingezogen. Was ich eigentlich nicht durfte, weil ich ja noch mit Mary verheirate­t war.

Wie ging es weiter?

Das war Liebe auf den ersten Blick zwischen uns. Doch wir waren zunächst nur Freunde und haben angefangen, zusammen für poli‑ tische Projekte zu arbeiten. Irgendwann hat es dann richtig kawumm gemacht. Mit mei‑ ner Ex‑frau bin ich bis heute gut befreun‑ det. Nicht nur wegen der beiden gemeinsa‑ men Kinder, ich schätze sie einfach sehr. Natürlich müssen sich beide Ex‑partner erwachsen verhalten, damit so was klappt.

Beide Ihrer Frauen sind älter als Sie. Mary drei Jahre, Barbara sechs Jahre. Ein Zufall?

Nein, auf keinen Fall. Ich glaube, das ist eine Schwäche von mir. Ich habe mich schon oft in Frauen verliebt, die älter waren als ich. Ich mag selbstbewu­sste, starke Frauen. Jemand, der nur zu mir aufschaut, den fände ich per‑ sönlich furchtbar langweilig.

Sind Sie als Autor auch ein Profi im Liebesge‑ dichteschr­eiben?

Ich glaube, ich habe tatsächlic­h noch nie ein Liebesgedi­cht für meine Frau geschriebe­n, obwohl ich eigentlich sehr romantisch bin.

Dann gab es einen emotionale­n Antrag?

Das schon. Aber den hat Barbara mir ge‑ macht. Vor 32 Jahren hat sie um meine Hand angehalten. Wie gesagt, ich mag star‑ ke Frauen.

Haben Sie auch weibliche Groupies?

Aber nein, ich bin Autor, nicht Rockstar. Obwohl: Es hat mich wirklich mal eine Frau gefragt, ob die Liebesszen­en in meinem Buch auf eigenen Erfahrunge­n basieren wür‑ den. Falls ja, solle ich sie doch bitte mal anrufen. Was ich allerdings nie getan habe.

Dann müssen Sie sich auch nicht mit Papa‑ razzi herumärger­n?

Nicht wirklich, bis auf dieses eine Mal: Bar‑ bara und ich waren nackt im Meer schwim‑ men. Dabei wurden wir von Fotografen er‑ wischt. Die Bilder landeten prompt in einer englischen Zeitung.

War Ihnen das peinlich?

Nein, gar nicht. Wir fanden es urkomisch. Sie müssen sich vorstellen, wir waren damals in unseren Fünfzigern und keine knackigen, jungen Models. Es waren einfach diese zwei normalen Menschen in den besten Jahren, die seit Ewigkeiten verheirate­t sind. Auch un‑ sere Kinder haben sich kaputtgela­cht.

Sie haben zwei Kinder mit in Ihre zweite Ehe gebracht, Ihre Frau drei. Wie funktionie­rt das Leben als Patchwork‑familie?

Bestens. Die Kinder kommen uns oft besu‑ chen, auch wenn ein paar von ihnen in Kalifornie­n wohnen. Manchmal holen wir dann die Gitarren raus und singen. Und unsere Enkelkinde­r lieben den großen Gar‑ ten, den Pool und unser Baumhaus.

Viele große Künstler gelten als launisch. Findet Ihre Familie Sie manchmal schwierig?

Hin und wieder verliere ich mich in meinen Geschichte­n, dann bin ich vielleicht etwas abwesend. Als meine Frau mal eine Haushäl‑ terin einstellte, sagte sie: „Falls Sie Ken im Haus herumtiger­n sehen und er schaut Sie an, als würde er Sie umbringen wollen … einfach ignorieren. Ich garantiere Ihnen: Er hat Sie gar nicht wahrgenomm­en.“Mir war lange nicht bewusst, dass ich so grimmig wirke, wenn ich am Grübeln bin, bis Barbara mich darauf hinwies.

Haben Sie mit 68 eigentlich schon Pläne für den Ruhestand?

Aber nein! Natürlich wird irgendwann der Punkt kommen, wo ich zu alt zum Schreiben bin. Aber zurzeit will ich sicher noch nicht in Rente. Vielleicht so in 30 Jahren …

 ??  ??
 ??  ?? Ken Follett empfängt zum Interview in Hatfield House, eine Stunde außerhalb von London. Aufgewachs­en ist der Schriftste­ller in Cardiff
Ken Follett empfängt zum Interview in Hatfield House, eine Stunde außerhalb von London. Aufgewachs­en ist der Schriftste­ller in Cardiff

Newspapers in German

Newspapers from Germany