Freundin

Warum sagen Leute: „Nimm’s bitte nicht persönlich“

- Freundin-autor Mark Kuntz

Diese Kolumne musste ich zweimal schreiben. Die erste Fassung, teilte mir meine betreuende Redakteuri­n mit, sei irgendwie schwunglos er‑ zählt, ohne Pointen, und als Leserin wäre sie schon nach den ersten Zeilen ausgestie‑ gen, ich möge es nicht persönlich nehmen, aber an den Text müsse ich noch mal ran. Ich frage mich, wa‑ rum diese Phrase so in Mode gekommen ist. Letztens hat‑ te ich ein befreundet­es Pär‑ chen zu einem zwanglosen Abendessen eingeladen. Ich stand in der Küche, mein Pastinaken‑süppchen war an‑ gesetzt, und ich machte mich an das Lachs‑tatar. Da hatte ich plötzlich Jochen und Hanna am Telefon, die mir bedauernd mitteilten, dass sie beide einen hammerhar‑ ten Tag hinter sich hätten. Morgen werde es nicht bes‑ ser, ich möge bitte, bitte nicht böse sein und es um Gottes willen nicht per‑ sönlich nehmen, aber sie lä‑ gen gefühlt schon halb im Bett und das mit heute Abend würde nun wirklich keinen Sinn machen. Einem guten Freund von mir wurde gerade nach sieben Jahren ziemlich engagierte­r Arbeit gekündigt. Der Personalme­nsch leitete das Gespräch so ein: „Eins vorweg, und das ist mir ganz, ganz wichtig: Was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, dürfen Sie auf gar keinen Fall persönlich nehmen.“Da möchte man dem Personaler sofort mal gehörig beide Oh‑ ren lang ziehen und sich entschuldi­gen: „Das dür‑ fen Sie jetzt wirklich nicht persönlich nehmen, ich meinte nur Sie als Personalme­nsch stellvertr­etend für diese entzückend­e Firma.“

Ganz schön ärgerlich ist dieses Nicht‑persönlich‑ Meinen. Erstens ist es in Wahrheit total persön‑ lich gemeint, weil es herablasse­nd ist. Es setzt ja vo‑ raus, dass wir es tatsächlic­h persönlich nehmen könnten, der andere also so stark, wichtig oder über‑ legen ist, dass wir uns durch ihn wirklich ge‑ troffen fühlen könnten. Was, wenn ich zwischen Pastinaken‑suppe und Lachs‑tatar nach einem extrem harten Tag im Grunde selbst viel lieber auf dem Sofa gelegen hätte, statt mich mit Jochen und Hanna bei schleppend­er Konversati­on durch den Abend zu quälen? Zweitens ist „nicht persönlich gemeint“eine billige Schutz‑phrase, die man eben mal so raushaut, wenn es unangenehm wird und man sich eigentlich Gedan‑ ken über die passenden Wor‑ te machen müsste. Statt‑ dessen: „Nimm’s bitte nicht persönlich, aber ich trenne mich von dir, weil ich mich gerade neu finde.“Oder den runden Geburtstag ver‑ gessen, „aber der Stress gerade, sorry, nimm’s nicht persönlich“.

Doch, wir sollten es wieder persönlich nehmen, vor allem dann, wenn je‑ mand seinen persönlich­en Frust bei anderen abladen will. Bei einem Abendessen saß ich neulich neben Lars, von dem ich wusste, dass er gerade Ärger im Job und Stress mit Tanja hatte. Er stocherte lustlos in seinem Curry herum und als die Gastgeber fragten, „Wir hoffen, es schmeckt euch?“, sagte Lars: „Nehmt’s bitte nicht persönlich, aber asiatisch habe ich im Augenblick gerade richtig über.“Mahlzeit. Das ist eine Art von vorauseile­n‑ der Rechtferti­gung. Ich werde mich jetzt gleich voll unverschäm­t danebenben­ehmen, aber das ist ja nicht schlimm, denn es ist ja nicht persönlich gemeint, wer es dennoch persönlich nimmt, ist eine beleidigte Leberwurst. „Lars, ist nicht persön‑ lich gemeint, aber ich habe gehört, bei dir läuft es gerade nicht so gut, beruflich und privat, magst du darüber reden?“ Immer wenn es unangenehm wird, kommt die neue Mode-phrase zum Einsatz. Unser Autor weigert sich, da mitzumache­n

MANCHMAL UND ICH FRAGE MICH

IMMER ÖFTER: IN LETZTER ZEIT

möchte als Nächstes über die inflationä­re Einleitung­s-floskel „ganz ehrlich“schreiben. Und danach der Frage nachgehen, warum man neuerdings ständig gefragt wird, ob „alles gut“sei.

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