SPIEGEL DER SEELE“
Stress kann Hautprobleme verstärken – das ist bewiesen. Aber wie eng ist die Verbindung von Haut und Psyche? Wir haben einen Dermatologen gefragt
Herr Prof. Gieler, Sie sagen, das Wechselspiel von Körper und Seele zeigt sich besonders deutlich auf unserer Haut. Was meinen Sie damit?
Neue Forschungen belegen, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Immunsystem, den Nerven, dem Ge‑ hirn und der Haut gibt. Wir wissen auch, dass in der embryonalen Ent‑ wicklung beide Gewebe gemeinsam aus einem Keimblatt, dem sog. Ekto‑ derm, hervorgehen. Die Haut ist weit mehr als eine äußere Hülle, sondern auch ein zentrales Element unserer zwi‑ schenmenschlichen Kommunikation.
Was macht Stress mit der Haut?
In jedem Quadratzentimeter Haut be‑ finden sich ca. 50 Nervenendigungen, die die Verbindung zum Gehirn dar‑ stellen. In Stresssituationen schüttet die Hirnanhangsdrüse Hormone wie Adrenalin aus. Gleichzeitig findet
emotionale Aktivie‑ rung statt. Stress lässt sich eindeutig im Blut messen, da sich dort verstärkt bestimmte Nervenbotenstoffe zeigen, die auch die Haut beeinflussen. Er kann nachweislich zu einer Verschlech‑ terung des Hautbilds führen, gut belegt ist das für Neurodermitis. Die Haut reagiert etwa mit Verdickung oder verstärkter Trockenheit. Immer vorausgesetzt, die genetische Veran‑ lagung ist da.
Wie wirken sich Hautkrankheiten psychisch aus?
Studien zeigen, dass Neurodermitis und Psoriasis das Leben ebenso stark beeinträchtigen wie andere schwere Krankheiten, etwa Rheuma oder Diabetes. Sichtbare Hautläsio‑ nen sind ein öffentliches Stigma. Das Selbstbewusstsein leidet, viele Be‑ troffene reagieren mit sozialem Rück‑ zug, 20 bis 25 Prozent entwickeln psychische Probleme wie Depressio‑ nen und Ängste. Unsere Haut ist tatsächlich ein Spiegel der Seele.
Wie kann man positiv auf seine Haut einwirken?
Indem man sich sein Leben anschaut und überlegt, wie man Stress bewälti‑ gen kann. Vielen hilft autogenes Training, aber auch Berührungen durch Physiotherapie oder Massagen. Es gibt Selbsthilfegruppen, in denen Hautkranke Inspiration und Unter‑ stützung bekommen. Im Rahmen eines deutschlandweiten Schulungs‑ programms mit Kratzreduktionstrai‑ ning lernen Neurodermitiker einen besseren Umgang mit dem quälenden Juckreiz. Nur wenn der Patient echtes Interesse hat, kann unter Umständen eine psychotherapeutische Behand‑ lung sinnvoll sein. Manchmal geht die Hautkrankheit auf ein zurückliegen‑ des, unbewältigtes Ereignis zurück.
ist leitender Oberarzt an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Uniklinikums Gießen und Marburg und Buchautor („Die Haut und die Sprache der Seele“, Fischer & Gann).