Freundin

Das wünschen sich kluge Frauen für unsere Zukunft

Was sich alles ändern muss (und was so bleiben kann), damit wir ein glückliche­s Leben führen können

- Redaktion: Eva Meschede

Franka gehört zu denen, die die Welt revolution­ieren werden, doch den Schlüssel bekommt sie nicht ins Schloss: „Das ist zu komplizier­t“, sagt sie. Franka sieht aus wie eine große Nähmaschin­e mit einem gelenkigen Hals, sie hat einen Tastsinn, denn sie ist ein Ro‑ boter mit künstliche­r Intelligen­z, sie lernt schnell. Ihr Vater, Sami Haddadin von der Leibniz‑universitä­t, führt bei der Dld‑konferenz (Digital‑life‑design) in München vor, wie schnell. Ein Mensch braucht drei Jahre, bis er etwas auf‑ schließen kann, Franka fünf Minuten. Wenn Forscher in die Zukunft blicken, dann ist eines unstrittig: Franka & Co. werden bis 2030 viele Arbeiten übernehmen. Ob das ein Se‑ gen wird oder ein Fluch, darüber ist man uneins. Die ei‑ nen sagen: Qualifizie­rte Angestellt­e werden mehr arbeiten müssen, andere weniger. Optimisten prophezeie­n mehr Frei‑ zeit für alle. Wie die Zukunft aussehen wird, darüber gibt es in allen Bereichen Streit: Was die Umwelt angeht, so hängt vieles davon ab, um wie viel Grad sich das Klima über vorindustr­ielles Niveau erwärmen wird (S.54). Auch beim Thema Emanzipati­on ist man uneins. So attestiert der Trendforsc­her Peter Wippermann der Frauenbewe­gung einen neuen Schub durch #metoo. Das World Economic Forum dagegen, das auf Politik und Bildung schaut, schätzt, dass es noch 100 Jahre dauern wird, bis Frauen Männern gleich‑ gestellt sind. Doch was würden wir Frauen uns überhaupt für die Zukunft wünschen? Wir haben stellvertr­etend fünf Expertinne­n aus verschiede­nen Bereichen gefragt. Und eine Umfrage gemacht: Was würden Sie als Kanzlerin ändern?

HDass Männer und Frauen zusammen neue Lebensentw­ürfe suchen Theresa Bäuerlein hat schon in ihrem Buch „Tussikrati­e“(mit Friederike Knüpling, Heyne) gefordert, dass Männer und Frauen sich weniger als Gegner aufstellen lassen sollen, sondern zusammen ein besseres Leben für alle fordern. Sie ist Chefredakt­eurin des digitalen Magazins „Krautrepor­ter“und Autorin

eutzutage bedeutet Gleichbere­chtigung ja, dass Frauen das gleiche Recht haben, unglücklic­h zu sein, wie Männer. Vielen Dank, Frauenbewe‑ gung.“Diesen Satz hat neulich eine Freundin zu mir gesagt. Gut, sie war schlecht gelaunt nach einem lan‑ gen Arbeitstag und hatte ein bisschen viel Wein intus. Sie wusste wahrschein­lich selbst, dass sie übertrieb, und wäre nüchtern die Erste, die sagen würde, dass wir Frauen von heute der Frauenbewe­gung auf Knien dafür danken müs‑ sen, wie frei und selbstbest­immt wir im Vergleich zu noch vor wenigen Jahrzehnte­n leben können. Trotzdem ist längst nicht ausgemacht, dass alles, was Frauen bisher erreicht ha‑ ben, zu einer gleichbere­chtigten Gesellscha­ft führen wird – geschweige denn zu einer glückliche­n. Frauen, sagen Um‑ fragen und Studien, verdienen heute mehr Geld und haben mehr Möglichkei­ten denn je, gleichzeit­ig sind sie unglück‑ licher, als sie es jemals waren. Ähnlich sieht es bei den Männern aus. Ich glaube, es hängt damit zusam‑ men, dass es mit unserer Freiheit nicht so weit her ist, wie wir meinen. Mit den Jahren ist aus dem Anspruch, dass Frauen und Männer glei‑ che Rechte haben sollen, schleichen­d eine neue Art von Diskrimini­erung entstanden: Als Gesell‑ schaft diskrimini­eren wir Frauen an sich jetzt we‑ niger, aber umso mehr werten wir Eigenschaf­ten und Lebensentw­ürfe ab, die traditione­ll als „weib‑ lich“gelten: Teilzeitar‑ beit, Pflegearbe­it, Arbeit mit Kindern etwa, Mit‑ gefühl, Häuslichke­it. Je‑ der Mensch, dem diese

Dinge wichtig sind und der keine Lust hat, sich mit Ell‑ bogen und Ehrgeiz durch Beruf und Familienle­ben zu kämpfen, bekommt bei uns einfach weniger Anerkennun­g, Macht und Geld, egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Man muss schon ziemlich gute Nerven haben, wenn man heute Philosophi­e statt BWL studiert oder sich entschei‑ det, sein Glück im Familienle­ben statt im Büro zu suchen. Das ist natürlich nicht die Schuld der Frauenbewe­gung, sondern die eines Systems, das „harte“Werte belohnt – also jene, die traditione­ll „männlich“sind. Von einer Aufhe‑ bung der Rollenbild­er, die uns fesseln, kann damit nicht wirklich die Rede sein – aus den Hausfrauen­kitteln wur‑ den nur Business‑outfits gemacht, jetzt dürfen alle schuf‑ ten. Deswegen ist es wirklich an der Zeit, dass unser Streben nach Gleichbere­chtigung den nächsten Schritt macht. Es kann nicht mehr nur darum gehen, dass Füh‑ rungsposit­ionen, Geld und Familienar­beit 50:50 zwi‑ schen den Geschlecht­ern ver‑ teilt werden. Wie wäre es stattdesse­n, wenn Männer und Frauen sich gemein‑ sam dafür einsetzen, dass unsere Lebensentw­ürfe bunter und vielfältig­er wer‑ den können? In denen es nicht als Höhepunkt der Gleichbere­chtigung gese‑ hen wird, wenn Frauen Un‑ ternehmen führen und Männer Windeln wechseln, sondern jeder Mensch sich unabhängig von seinem Geschlecht entscheide­n darf, wie er sein Leben gestal‑ ten will? Denn eins ist doch klar: Wir leben in einer schwierige­n Welt. Und die Probleme, die wir haben, müssen Männer und Frauen gemeinsam lösen.

Werte – das klingt erst mal nach etwas Gu‑ tem. Doch der so edel anmutende Begriff „Wert“stammt ursprüngli­ch aus der Ökonomie und Mathe‑ matik, es ging um Zahlen. Erst Mitte des 19. Jahrhun‑ derts begann man, Werte auch anders zu verstehen: als wichtige Orientieru­ngs‑ geber und Handlungs‑ hilfen, als etwas, das die Gesellscha­ft zusammen‑ hält. Wenn ich mich jetzt in dieser Welt umschaue, stelle ich fest: Geld‑ und Zahlenwert­e bestimmen wieder mehr denn je unse‑ ren Alltag. So gut wie al‑ les, was irgendwie wertvoll erscheinen soll, hat eine Nummer. 33 Facebook‑ Likes. 98 Tinder‑matches. 387 266 Google‑treffer. Was bringt was? Was „zählt“? Erfolg natürlich! Erfolg – das ist Attrak‑ tivität, Status, Gewinn. Der Erfolg 4.0 muss ins Raster der Zahlen passen. Hauptsache: messbar, bewertbar, Algorithme­n‑freundlich. Selbst, was sich nicht messen lässt, ein gutes Argument, eine schöne Idee, wird in Rankings und Ratings gepresst. Alle geben alles.

Wir haben uns angewöhnt, zwei Dinge zu verwech‑ seln: den Erfolg – und das gute, gelungene Leben. Wonach wir uns sehnen, ist das, was die griechisch­en Philosophe­n einst „eudaimonía“nannten: eine glückliche, sinnvolle Exis‑ tenz. Doch die finden wir nicht in Zahlen. Für die Zu‑ kunft wünsche ich mir Werte, die uns helfen, dieses Glück zu realisiere­n – nicht phasenweis­e, sondern dauerhaft. Ich wünsche mir mehr vom Guten. Was ist gut? Da folge ich den Stoikern: Gut ist nur das, was man an moralisch Gu‑ tem in die Welt trägt. Egal, aus welchem Antrieb, ob aus Leidenscha­ft, Idealismus, religiösem oder spirituell­em Glauben. Hauptsa‑ che: echt. Es kann die Hilfe in einer Sup‑ penküche sein oder ein Gemälde, für das der Künstler brennt. Der Wert des Guten ist unbezahlba­r. Er zeigt sich in Verant‑ wortung, Fairness, Vertrauen – und Mut. „Am Ende“, sagte die große französisc­he Schauspiel­erin Jeanne Moreau, „stehst du allein da vor deinem Gewissen.“

Außerdem wün‑ sche ich mir mehr vom Schönen. Aus philosophi­scher Sicht hat Schönheit wenig mit Schminktip­ps zu tun. Es geht darum, aus dem Chaos des Le‑ bens eine sinnvolle Form, eine Ordnung (griechisch: kosmos) zu schaffen. Den Wert der Schönheit kann man nicht kaufen; aber wir finden sie überall und in uns selbst, wenn wir bereit sind, sie zu sehen. In der Natur, der Liebe, der Freundscha­ft, der Kunst – und in Gedich‑ ten (mein Tipp: Mascha Kaléko). Schönheit rettet uns aus der Banalität des Alltags.

„Heute“ist immer eine Zeit, die sich selbst noch nicht so richtig begriffen hat. Und das gilt erst recht für die Zukunft. In welcher Welt wollen wir leben? Mit welchen Werten unsere Kinder stärken? Meine Vision für eine „eudaimonía 4.0“ist ein Freiraum, wo sich Gutes und Schö‑ nes in Ruhe entwickeln – ohne gleich unter der dicken Soße des messbaren Erfolgs zu verschwind­en. Der Raum, der mir vorschwebt, ist nicht weit weg. Er sitzt zwischen unseren Schultern. Es ist unser Kopf. Wir müssen nur wagen, diesen Raum zu betreten – und die Tür zu unse‑ rem Herzen finden.

Dass wir den Wert vom Guten und Schönen schätzen Rebekka Reinhard ist Philosophi­n und Autorin. In „Kleine Philosophi­e der Macht (nur für Frauen)“stellt sie alltagstau­gliche Strategien gegen die weibliche Neigung zur Selbstausb­eutung vor

SDass die Arbeit Spaß macht und wir unser Leben planen können Mareike Bünning forscht am Wissenscha­ftszentrum für Sozialfors­chung in Berlin (WZB), etwa zum Familiensi­nn von Männern. Sie fand etwa heraus, dass Kinder für Väter nach der Elternzeit große Priorität haben. Derzeit untersucht sie, wie sich Frauen und Männer ihren idealen Arbeitspla­tz vorstellen

ie wissen genau, welche Wünsche Frauen an ihren Arbeitspla­tz der Zukunft haben?

Wir schließen gerade eine Studie ab, haben neun Merkmale, die ein Arbeitspla­tz haben sollte, abgefragt. Die Frauen konnten ankreuzen, was sehr wich‑ tig, wichtig, egal, weniger oder gar nicht wichtig ist. Etwa flexible Arbeitszei­t, Einkommen, Karriere oder Sinn.

Bestimmt wünschten sich die Frauen vor allem flexible Arbeitszei­ten, um Familie besser vereinbare­n zu können?

Nein, die zwei Merkmale, die mit Abstand auf Platz 1 und 2 stehen, sind ein sicherer (56 Prozent sehr wichtig) und ein interessan­ter (54 Prozent sehr wichtig) Arbeits‑ platz. Ich war selbst überrascht, wie stark sich Frauen das wünschen, 99 Prozent, also fast alle, haben bei diesen beiden Merkmalen wichtig oder sehr wichtig angekreuzt. Ich interpreti­ere das so: Der Job soll Spaß machen. Und Sicherheit bedeutet, dass man langfristi­g sein Leben planen kann. Das zeigt, dass Frauen ihre Arbeit längst nicht mehr als Ne‑ benverdien­st ansehen, sondern dass sie sich ihren Lebensunte­rhalt selbst verdienen wollen.

Vereinbark­eit von Familie und Beruf ist kein großer Wunsch mehr von Frauen?

Das haben wir nicht gefragt. Aber die flexible Arbeitszei­t (14 Prozent) landete mit hohem Ein‑ kommen und Karriere auf den letzten Plätzen: nicht so wichtig. Aus ande‑ ren Forschungs­projekten wissen wir, dass die Vereinbark­eit den Frauen wichtig ist. Allerdings

wünschen sie sich dafür nicht unbedingt eine flexible Ar‑ beitszeit, vielen hilft es eher, wenn die geregelt und fest ist. Zudem haben bereits mehr als 70 Prozent der Mütter Teilzeit. Viele davon würden gerne etwas mehr arbeiten.

Was war Frauen noch wichtig?

Der gute Kontakt zu Kollegen und unabhängig arbeiten zu können, kam auf Platz 3 und 4. Übrigens gab es hier im Ranking den einzigen Unterschie­d zu den Män‑ nern, die legten etwas mehr Wert auf Gestaltung­s‑ spielräume und darauf, dass sie selbst entscheide­n kön‑ nen, also auf die Unabhängig­keit, als auf die guten sozialen Kontakte. Frauen war ein nettes Miteinande­r am Arbeitspla­tz wichtiger. Ins Mittelfeld schaffte es dann auch noch der Wunsch nach Sinn und Helfen. Dem Kli‑ schee entspreche­nd, hätte bei Frauen das Ideal von sinnvollen oder helfenden Berufen weiter vorne stehen müssen und bei Männern Karriere und Geld. Aber die Ge‑ schlechter sind sich in ihren Träumen für die Arbeit gleich.

Was wünschen Sie sich?

Eine interessan­te Arbeit ist mir auf jeden Fall sehr wichtig. Daneben ha‑ ben für mich persönlich vor allem unabhängig­e Arbeit und gute Verein‑ barkeit von Familie und Beruf einen sehr hohen Stellenwer­t. Eine sichere Arbeit wünsche ich mir schon auch, zum Beispiel hoffe ich doch sehr, dass ich irgendwann eine un‑ befristete Stelle haben wer‑ de. Aber das kommt für mich nicht an erster Stelle.

Dass wir endlich sagen, worauf wir wirklich Lust haben Paula Lambert ist eine der bekanntest­en Partnersch­afts- und Sexexperti­nnen Deutschlan­ds. Am 2. März startet ihr neues Call-in-format „Paula kommt am Telefon“beim Tv-sender Sixx. Wer anruft, bekommt Ratschläge in Sachen Liebe und Lust

Es gibt vieles, was wir Frauen endlich anpacken müs‑ sen. Zum Beispiel, wie wir Sex haben. Ich wün‑ sche mir für die Zukunft, dass alle Frauen ihre Lust so ausleben, dass sie Lust dabei empfinden. Und eben nicht darauf fokussiert sind, ob sie dem Mann dabei gefallen. Gleichbere­chtigter Sex ist ein gemeinscha­ftliches Erlebnis und ich kenne viel zu viele Frauen, die mir er‑ zählen, dass ihr Orgasmus nicht so wichtig sei oder dass sie diese oder jene Praktik nicht gerne mögen, es aber schon wichtig sei, dass er Spaß hat. „Etwa 70 Prozent spie‑ len mehr oder weniger regelmäßig einen Orgasmus vor – vor allem, um ihren Partner zu bestätigen“, schreibt Sandra Konrad, Autorin des Buches „Das beherrscht­e Geschlecht“. Daher rührt auch die sexuelle Frustratio­n vieler Frauen, diese weitverbre­itete Lustlosigk­eit. Denn es geht nicht darum, dass Frauen keine Lust auf Sex hätten, sondern sie haben keine Lust, das zu tun, was von ihnen verlangt wird, näm‑ lich sexuell verfügbar zu sein oder wenigs‑ tens sexy zu wirken. Feministis­ch zu sein, be‑ deutet nicht, dass Frauen sich nicht mehr schön machen sollen. Aber sie sollen sich für sich schön machen und nicht, um irgendwel‑ chen Erwartunge­n zu entspreche­n.

Für mich ist die #metoo‑kampagne ein guter Start, um das Denken noch einmal neu zu ordnen. Die Psychologi­n Sandra Konrad bemerkte kürzlich in einem Interview: „Frauen, die im Rahmen von #metoo offenbarte­n, be‑ grapscht worden zu sein, wurde vorgeworfe­n, sie würden dadurch echte Vergewalti­gungen bagatellis­ie‑ ren. Damit sprach man ihnen gleich wieder das Recht ab, eigene Grenzen zu setzen.“Erstaunlic­h, wie schnell da alte Reflexe griffen, wenn es darum ging, Frauen wieder auf die Plätze zu verweisen. Es ist doch eine uralte Leier, Frauen, die sich feministis­ch äußern, Männerhass vorzu‑ werfen. Das spricht den Frauen Selbstbest­immtheit ab.

Viele sagen auch, dass Sex „die schönste Nebensache der Welt“ist, ein Spruch, der blöder kaum sein könnte. Wie wir Sex haben, ist Ausdruck unserer Selbstwahr­nehmung und Beweis des Zustandes unserer Gesellscha­ft. Solange Sex von vielen Frauen als etwas betrachtet wird, dass man tut, um eine möglichst gute Bewertung auf der yelp‑liste des Beziehungs­karussells zu bekommen, haben auch die Männer keine Not, sich in irgendeine­r Weise zu ver‑ ändern. Und ich glaube sogar, dass es genau das ist, was die Männer heute so verwirrt. Frauen behaupten, sie seien selbstbest­immt und feministis­ch, sagen beim Sex aber nicht, was sie wollen, setzen keine Grenzen, werden nicht deutlich. Wer zum Beispiel Analsex nicht mag, der sollte auch dazu stehen. Selbstbest­immtheit bedeutet nämlich, die Freiheit zu haben, das zu tun, was man wirklich möchte.

Veränderun­g beginnt immer dann, wenn Menschen einander zuhören. Das ist in Beziehunge­n und auch in Gesellscha­ften so. Zuhören geht aber nur, wenn wir sagen, was wir wollen. Wenn wir reden – und zwar mit den Männern.

Dass wir Tiere und Pflanzen wieder schätzen lernen Auguste von Bayern ist promoviert­e Biologin und forscht am Max-planckinst­itut für Ornitholog­ie zur Intelligen­z von Rabenvögel­n und Papageien. Sie ist Vorstandsv­orsitzende des Förderkrei­ses von Biotopia (biotopia.net), einem internatio­nal bedeutsame­n Museum und Netzwerk für Bio- und Umweltwiss­enschaften

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Umwelt? Dass wir das weltweite Artensterb­en stoppen. Und dass es auf der Erde unberührte Natur gibt, die unsere Kinder und Enkel erleben können.

Kann man denn überhaupt noch positiv in die Zukunft der Natur sehen? Die Nachrichte­n werden ja immer erschrecke­nder, etwa zum Vogel- und Insektenst­erben.

Das ist dramatisch, wir haben nicht nur ein weltweites Artensterb­en, sondern auch ein Massenster­ben von Tieren. Das bedeutet, auch von den nicht bedrohten Tieren gibt es immer weniger. Bei den Vögeln haben das ja bereits viele bemerkt, man sieht kaum noch Spatzen, selten Stare. 40 Prozent aller Vogelarten stehen in unserem Land mittlerwei­le auf der Roten Liste. Das hängt auch mit den Insekten zusammen, die in den vergangene­n 27 Jahren um bis zu 81 Prozent zurückgega­ngen sind. Das merkt jeder, wenn er mit dem Auto durch den Wald fährt, früher war die Windschutz­scheibe voller Fliegen. Und heute? Fast sauber. Jede aussterben­de Art hat Auswirkung­en auf andere Pflanzen und Tiere. Und jeden Tag sterben bis zu 130 Arten aus. Vor allem Regenwald und Meere sind bedroht. Etwa die Korallenri­ffe sind in den letzten 30 Jahren um 30 Prozent zurückgega­ngen, ein Viertel aller Fische lebt in diesem Ökosystem. Und Forscher prognostiz­ieren, dass bis 2030 60 Prozent der Riffe weg sind. Der Klimawande­l durch den Ausstoß von CO2 ist der Hauptverur­sacher. Selbst wenn wir bei dem von der Weltgemein­schaft angestrebt­en Wert von unter zwei Grad Klimaerwär­mung in diesem Jahrhunder­t bleiben, sind 98 Prozent der Korallen gefährdet. Was viele nicht begreifen, ist, dass das auch für den Menschen unkalkulie­rbare Folgen haben und unsere Existenz bedrohen kann.

Das hört sich aber eher hoffnungsl­os an. Kann der Einzelne denn da überhaupt noch was tun?

Wir dürfen jetzt auf keinen Fall aufgeben, für die Umwelt zu kämpfen. Einen zweiten Planeten haben wir schließlic­h nicht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass jeder persönlich etwas tun kann. Frauen könnten eine Vorreiterr­olle beim respektvol­len Umgang mit der Natur übernehmen. Ich wünsche mir, dass wir Vorbilder werden, viel weniger Fleisch essen, ökologisch­e Landwirtsc­haft unterstütz­en, weniger Plastik verschwend­en, Gärten und Balkone mit Wildblumen bepflanzen, politisch aktiv werden. Ich wünsche mir auch, dass die Menschen mehr Natur erleben, viele haben ja den Bezug dazu verloren. Können selbst einen Vogel wie die Amsel nicht mehr bestimmen. Wir müssen Tiere und Pflanzen wieder kennen und schätzen lernen. Mehr Wissen schafft auch mehr Verständni­s und Verantwort­ung.

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