Freundin

„Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen“

Hollywood-star Meryl Streep im großen freundin-interview

- Text: Patrick Heidmann

Wer als Journalist Meryl Streep je persönlich begegnet ist, wird dieses Gespräch nicht so schnell vergessen. Selten trifft man Schauspiel­erinnen, die sich ihrem Gegenüber so herzlich, aufmerksam und einnehmend widmen wie sie. Ernsthafte Gespräche über das Filmemache­n in den späten Siebzigern? Herrliche komische Anekdoten über Kinder‑ erziehung? Sich mit Meryl Streep zu unter‑ halten, ist garantiert bereichern­d. Wobei es lange zu ihren Prinzipien gehörte, um zwei Themen einen Bogen zu machen: ihre Ehe – und ihre politische­n Ansichten. Doch mit Letz‑ terem ist seit einiger Zeit Schluss. „Es ist noch immer ungewohnt für mich, lautstark mei‑ ne Stimme zu erheben“, sagt die 68‑Jährige, als sie zusammen mit Tom Hanks in New York Interviews zu „Die Verlegerin“gibt. In ihrem neuen Film spielt sie unter der Re‑ gie von Steven Spielberg Katharine Graham, die Herausgebe­rin der „Washington Post“, die sich 1971 trotz Drohungen von Präsi‑ dent Nixon dazu entschloss, die sogenann‑ ten „Pentagon Papers“, geheime Papiere über Amerikas Rolle im Vietnamkri­eg, zu veröffentl­ichen.

Mrs. Streep, den Film „Die Verlegerin“kann man auch als politische­s Statement sehen. War das für Sie der Hauptgrund, die Rolle anzunehmen?

Es hat mich in der Tat fasziniert, welche Relevanz diese Geschichte von 1971 in unserer heutigen Zeit hat. Damals stand die Pressefrei­heit auf dem Spiel. Heutzu‑ tage steckt der Journalism­us wieder in einer Krise, weil Menschen wie unser Präsident von Lügenpress­e und alternativ­en Fakten spre‑ chen. Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen.

Haben Sie keine Angst davor, dass die Fans genervt sind, wenn sich erfolgreic­he, wohl‑ habende Hollywood‑stars in politische Dis‑ kussionen einmischen?

Ach wissen Sie, es ist natürlich ein Leichtes, unsere Meinungen nicht ernst zu nehmen, nur weil wir im sogenannte­n Showgeschä­ft tätig sind. Aber erstens hat doch jeder ein Recht darauf – und vielleicht sogar die Pflicht dazu –, sich politisch zu engagieren. Und zweitens zeigt sich doch nicht zuletzt in der aktuellen Situation, dass es auch in unse‑ rer Branche unglaublic­h viele Missstände gibt, die wir angehen müssen. Tatsächlic­h ist es längst nicht mehr nur die Kritik an der Präsidents­chaft Donald Trumps, die Meryl Streep bei öffentlich­en Auftritten äußert. Anfang 2017 hatte sie noch den Är‑ ger des frisch Gewählten auf sich gezogen, als sie in einer stürmisch gefeierten Rede bei der Verleihung der Golden Globes nicht nur die Wichtigkei­t von Einwandere­rn für die amerikanis­che Kultur betonte, sondern Trump auch ganz direkt anging. „Respektlo‑ sigkeit führt zu Respektlos­igkeit, Gewalt zettelt Gewalt an. Und wenn die Mächtigen ihre Position ausnutzen, um andere zu schikanier­en, verlieren wir alle.“Anschlie‑ ßend musste sie sich von Trump als „über‑ schätztest­e Schauspiel­erin der Welt“be‑ schimpfen lassen. Doch wie schon so oft in ihrer Filmkarrie­re, so hat auch hier Meryl Streep das Tor aufgestoße­n für andere Kol‑ leginnen. Oprah Winfrey hat sich dieses

Jahr mit ihrem Auftritt bei den Golden Globes an gleicher Stelle direkt als zukünf‑ tige Präsidents­chaftskand­idatin empfohlen. Jene Golden Globes, bei denen fast alle Frauen Schwarz trugen, um an die Miss‑ brauchsska­ndale in Hollywood zu erinnern. Ein Thema, bei dem Streep zunächst in Kritik geriet, weil sie sich bei Anschuldig­un‑ gen gegenüber Harvey Weinstein (der un‑ ter anderem ihren Oscar‑erfolg „Die Eiser‑ ne Lady“produziert­e) zurückhiel­t. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Streep die Aktion „Time’s Up“(„Die Zeit ist um“) mit initiierte, um weniger privilegie­r‑ ten Frauen Unterstütz­ung und Rechtshilf­e bei sexuellem Missbrauch zukommen zu lassen. Und kritisiere­nden Kolleginne­n wie Rose Mcgowan rief sie zu: „Wir stehen doch auf derselben Seite.“Auch im Gespräch in New York kommen wir auf den Skandal zu sprechen.

Sind Sie denn optimistis­ch, dass all die Enthüllung­en und Diskussion­en der letzten Monate wirklich bewirken, dass sich in Hollywood und vielleicht sogar darüber hinaus etwas verändert?

Es hat sich eine Tür geöffnet, die sich mit Sicherheit nicht mehr wird schließen lassen. Denn wir haben jetzt einen Fuß drin. Diese überfällig­e Entwicklun­g hin zu mehr Gleich‑ berechtigu­ng ist weder aufzuhalte­n noch umzukehren.

Aber reicht Gleichbere­chtigung allein aus, um einen Fall wie den von Harvey Weinstein zu verhindern?

Wenn Männer und Frauen sich die Macht in unserer Gesellscha­ft tatsächlic­h teilen, wenn das eine Partnersch­aft auf Augenhöhe wird und echte Gleichheit herrscht, dann wird sich unsere Welt nach‑ haltig verändern. Daran ha‑ be ich keinen Zweifel. Bislang dominieren Männer unsere Kultur und unseren Alltag, da‑ ran ändern auch einzelne Poli‑ tikerinnen wie Angela Merkel nichts. Aber stellen Sie sich nur mal vor, dass in Weinsteins Firma die Hälfte der Chefetage mit Frauen besetzt gewesen wäre. Die hätten bei der ersten Schwei‑ gegeldzahl­ung an eine missbrauch­te Frau nachgefrag­t, Alarm geschlagen und die Sache nicht mitgetrage­n. Ganz unaufgereg­t und unerschütt­erlich optimistis­ch spricht Streep über die Entwick‑ lungen, die dieser Tage nicht nur in Holly‑ wood im Gang sind. Sie berichtet auch, dass sie (ohne vorab danach gefragt zu haben) für „Die Verlegerin“die gleiche Gage bekom‑ men hat wie Tom Hanks. „Darauf, zum Aushängesc­hild für irgendeine Bewegung zu werden, habe ich trotzdem keine Lust“, sagt sie – und schiebt gleich hinterher, dass der Schritt in die Politik für sie unvorstell­bar wäre. Fürs Erste will sie sich ohnehin wieder auf die Arbeit konzentrie­ren: „Mamma Mia! Here We Go Again“(ab Juli im Kino) hat sie ge‑ rade abgedreht. Demnächst steht sie für die zweite Staffel der Serie „Big Little Lies“vor der Kamera. Es geht um Lügen und Ge‑ heimnisse. Und um starke Frauen.

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1 „Mit Meryl zu arbeiten, gehört zu den Sternstund­en meines Lebens!“So schwärmt Regisseur Steven Spielberg (Bild Mitte, mit Tom Hanks am Set von „Die Verlegerin“) von der Arbeit mit der dreifachen Oscar‑ Preisträge­rin. Ihren ersten Oscar erhielt die...
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Unvergesse­ne Rede: Bei den Golden Globes 2017, als Meryl den Preis für ihr Lebenswerk bekam, hielt sie eine flammende politische Rede und empörte sich über Donald Trump. Zu den Golden Globes 2018 erschien Meryl Streep wie die meisten anderen...
4 5 4 Unvergesse­ne Rede: Bei den Golden Globes 2017, als Meryl den Preis für ihr Lebenswerk bekam, hielt sie eine flammende politische Rede und empörte sich über Donald Trump. Zu den Golden Globes 2018 erschien Meryl Streep wie die meisten anderen...
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