Freundin

Liebe Matthias,

- Autorin Theresa Bäuerlein schreibt an ihren Ex-freund

eins vorweg: Ich weiß, dass es nicht schön war, wie ich damals gegangen bin. Ehr‑ lich gesagt, es war sogar ziemlich feige. Du warst gerade im Urlaub, bist mit dem Rucksack durch Kolumbien gereist, und zwar ausdrückli­ch deswegen, weil ich gesagt hatte, dass ich Zeit für mich selbst brauchte. Stattdesse­n habe ich ungefähr eine Woche, nachdem Du abgereist warst, eine Beziehung mit einem anderen Mann angefangen. Das war ein verdammt harter Brocken für Dich. Und es tut mir leid. Ich glaube, dass unser Streit darüber da‑ mals auch deswegen eskaliert ist, weil Du so weit weg warst. Weil wir keine Mög‑ lichkeit hatten, einander in die Augen zu sehen, als wir geredet haben, sondern alles in einem beschissen­en kleinen Chatfenste­r stattfand. Du warst so wü‑ tend, dass Du danach jeden Kontakt mit mir abgebroche­n hast. Du hast mich in Deiner Kontaktlis­te und auf Face‑ book geblockt, den Wohnungssc­hlüssel musste ich bei Deiner Cousine abgeben. Wir haben uns seitdem nie wieder gese‑ hen, das ist jetzt acht Jahre her. Das Gespräch, das wir damals hätten führen müssen, steht bis heute aus. Und das liegt mittlerwei­le nicht mehr nur an Dir. Irgendwann hast Du angefan‑ gen, Nachrichte­n an meinem Geburtstag zu schreiben. Erst waren sie kurz, dann wurden sie länger und schöner. Vor zwei Jahren hast Du mir eine wirklich liebe‑ volle E‑mail geschriebe­n, in der stand, dass Du mir verziehen hättest und dass Du den Kontakt mit mir gern wiederhers­tel‑ len würdest. Mittlerwei­le hattest Du eine neue Freundin. Du hast mir Fotos von Eurem Baby geschickt. Meine Ant‑ wort an Dich fiel freundlich, aber kurz aus. Mehr habe ich bis heute nicht geschafft. Du hast in dieser Sache mehr Größe bewiesen als ich. Denn ich habe dir noch nicht ganz verzeihen können.

Ja, mich hat die Sache auch verletzt. Ich komme nicht darüber weg, wie krass Du mich aus Deinem Leben entfernt hast. Und zwar nicht etwa deswegen, weil ich mich trennen wollte. Das konntest Du verstehen, es hatte sich angebahnt, und als wir im Chat darüber sprachen, warst Du traurig, aber nicht sauer. Explodiert bist Du erst, als die Rede auf den anderen Mann kam. Genau das ist es, was mich bis heute wütend macht. Es ging Dir gar nicht um mich oder um uns, sondern um Deine verletzte Männlichke­it. Sie war Dir wichtiger als alles andere. Und das fand ich, tut mir leid, ganz schön ärmlich. Aber ich schreibe Dir nicht, um es Dir vorzuwerfe­n, sondern um Dir zu erklären, warum ich Dein Gesprächsa­ngebot nicht angenommen habe. Vielleicht brau‑ che ich noch mal acht Jahre. Ich hoffe, es geht schneller. Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute.

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