1977: Endlich schreibt auch einmal eine Frau unverblümt und ironisch über Sex mit Männern, aber auch lesbischen Sex
DAS DELTA DER VENUS
Wer hat’s geschrieben? Die amerikanische Schriftstelle‑ rin Anaïs Nin veröffentlich‑ te die Kurzgeschichten, weil sie dringend Geld brauchte. Auftraggeber war ein alter Mann, der pornografische Storys ohne „poetischen Fir‑ lefanz“wollte. Nin ließ sich von Erlebnissen ihrer Freundin‑ nen inspirieren, übertrieb die Sexzenen aber mit heimli‑ cher Ironie, weil sie sich är‑ gerte, dass der Geldgeber nur an Pornografie statt an Sex mit Gefühl interessiert war. Sie verfasste die Texte bereits 1942, veröffentlichte sie aber erst in den 70er‑jahren unter ihrem Namen.
Das war neu: Eine Frau be‑ schreibt in 15 Kurzgeschichten unverblümt, wenig „lady‑ like“und mit deftigen Ausdrü‑ cken heißen Sex – auch les‑ bischen. Da trifft ein Baron eine brasilianische Sexgöttin oder eine Frau hat umwerfen‑ den Sex mit einem Unbe‑ kannten. Zugleich sind die Ge‑ schichten aber sehr fantasie‑ voll und erotisch, obwohl der Auftraggeber nur Sex wollte.
So liest es sich: „Leidenschaft‑ liche Erregung hatte sie er‑ griffen, eine Vorahnung, dass sie nun jenen Gipfel des Ent‑ zückens erreichen würde, er sie (…) einem Unbekannten überlassen würde. Sie kannte nicht einmal seinen Namen, noch er den ihren. Die Unver‑ hülltheit seiner Augen war wie ein Eindringen in ihre fiebernde Fotze.“
Das sagten die Kritiker: „Das ist das schönste und direk‑ teste Buch, das je von einer Frau geschrieben wurde. Delikat und geschmeidig, di‑ rekt und sinnlich.“(„New York Times“, 1977)
Anaïs Nin, „Das Delta der Venus“, S. Fischer, 9,99 Euro