Freundin

Warum nennen sich plötzlich eigentlich alle „Lady“

Das klingt doch nicht sehr cool Anderersei­ts gibt es Gründe, warum die guten alten „Mädels“langsam ausgedient haben

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Das erste Mal, dass mir das Wort „Ladys“begegne‑ te, war in einer Dorfdisco in den Neunzigerj­ahren in der Kombinatio­n mit dem Wort „Night“. Die „Ladys Night“war genau genommen gar keine Nacht, denn sie begann um neun Uhr und endete um halb elf Uhr abends und diente dem Zweck, mög‑ lichst schnell genügend weib‑ liche Besucher in den La‑ den zu locken, damit die wiederum interessie­rte männliche Besucher anzögen. Während der zwei Stunden „Ladys Night“kostete der Eintritt die Hälfte, es gab einen Sekt zur Begrüßung und Whiskey Cola war billiger für Frauen. Bis heute weiß ich nicht, ob der Besitzer der Disco die alkoholi‑ schen Vergünstig­ungen deshalb drauflegte, um den Frauen die tanzenden Männer erträglich­er zu machen, oder ob er tatsächlic­h glaubte, mit vielen beschwipst­en Frauen Flirtstimm­ung in seinen rustikalen Laden bringen zu können. Auf jeden Fall habe ich seitdem eine gewisse Skepsis gegenüber dem Begriff „Ladys“. Doch neuerdings ist diese Bezeichnun­g hipper als hip. „Hey, Ladys“, schreibt meine Freundin in unseren Grup‑ penchat. „Wer hat Lust auf einen Drink heute Abend?“Eine andere schlägt ein Wochenende an der Ostsee vor. Ihr Mail‑betreff: „Ladys aufs Land“. Fühle ich mich da angesproch­en? Will ich wirklich „Lady“genannt werden? Ist das nicht eine ältere Dame? Lady Judi Dench? Lady Marga‑ ret Thatcher? Oder doch eher Beyoncé: „All the single ladies, put your hands up!“? Gerade waren wir noch Girls, Riot‑girls, Girlys. Ein Zustand zwischen Punkrock und Blümchenkl­eid, Selbst‑ behauptung und dem Recht, albern zu sein, über die Stränge zu schlagen. Okay, wir sind etwas älter geworden, eher späte Girls. Aber „Lady“steht für mich für Luxus, Hierarchie, Goldschmuc­k. Anderersei­ts: Was bin ich, wie will ich genannt werden? Wie ist es mit dem populären „Mädels“(immer nur im Plural)? Das klingt nach Frauen, die nicht kämpferisc­h sind. Bei „Mädels“schwingt immer etwas Freundscha­ft‑ liches mit. Gleichbere­ch‑ tigung? Wird schon werden. „Mädels“verdrängte die Bezeichnun­g „meine Clique“. Ähnlich wie bei der „La‑ dys Night“wurde der Begriff „Mädels“übrigens beson‑ ders gern mit dem Begriff „Abend“verwendet, auch wenn ein „Mädelsaben­d” ab‑ gesehen vom Alkoholkon‑ sum das genaue Gegenteil ist. Vielleicht hat Heidi Klum uns das mit den Mädels versaut. In ihrem Topmodel‑ Bootcamp sprach sie so penetrant von ihren „Määädchen“, dass bald nie‑ mand mehr denken konnte, dass ein Mädchen eine Frau sein kann, die sich ernst nimmt. Wenn man sich jetzt, jenseits der 35, noch als „Mädel“bezeichnet, dann ist das etwa so, wie wenn der Kas‑ sierer im Supermarkt die Rentnerin am Käse‑ regal „junge Frau“nennt. Eine Art ironische Höf‑ lichkeit. Übrigens kommt das Wort „Lady“aus dem Altenglisc­hen und stand für diejenige, die für das Brot in einem größeren Haushalt sorgt. Also Brotgeberi­n, im Prinzip. Eine Frau in einer höher gestellten Position, eine Chefin. Das gefällt mir. Jetzt also „Ladys“. Warum nicht. Wichtig wäre, dass das unter uns „Ladys“bleibt. Im Büro zum Beispiel, möchte ich nicht von den männlichen Kollegen als „Lady“be‑ zeichnet werden. Das wäre unhöfliche Ironie. Da bin ich lieber einfach „Frau“. Im Privaten neh‑ me ich den neuen Adelstitel als Zeichen, dass jetzt eine Generation von Frauen dran ist, die nicht mehr als süß oder harmlos durchgehen will. Die kein Problem damit hat, Chefin zu sein. Ist doch gar nicht so schlecht.

 ??  ?? freundin-autorin Judith Luigs erster Freund hatte einen Hund, der Lady hieß. Der bellte im‑ mer sehr laut und eifersücht­ig, wenn sie ihren Liebsten küsste.
freundin-autorin Judith Luigs erster Freund hatte einen Hund, der Lady hieß. Der bellte im‑ mer sehr laut und eifersücht­ig, wenn sie ihren Liebsten küsste.

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