Freundin

Mein Name ist …

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Prinzessin? Wie Eltern bei der Namenswahl immer kreativer werden und weshalb das nicht unbedingt immer eine gute Idee ist

Mia, Lia, Emma gelten als populär. Kirsche ist verboten, Lucifer (meist) auch, Merkel und Daenerys könnten wir angeblich am Sandkasten treffen. Noch folgen die meisten bei der Auswahl der Vornamen dem Geschmack des Mainstream­s, aber immer mehr Eltern werden kreativ. Ein persönlich­er Überblick von Juliane Funke

Letztens habe ich einen Schulfreun­d getroffen. Winken, Umarmung, „Hallo Jule, wie geht’s?“. Ich bin kurz zusammenge­zuckt: Jule ist ein Spitzname aus meiner Vergangenh­eit, den ich unweigerli­ch mit Selbstzwei­feln, fragwürdig­en Modeentsch­eidungen und Hormonchao­s verbinde. Die „Schule-jule“ist mit dem Studium, den ersten Jobs, der Zeit in verschiede­nen Städten verschwund­en, geblieben ist Juliane.

Mit dem Namen, den mir meine Eltern gegeben haben, bin ich mittlerwei­le im Reinen. Das war nicht immer so: Früher fand ich ihn umständlic­h. Gleich vier Silben, während meine Schulfreun­dinnen alle kurz und bündig

Laura, Marie oder Sina hießen. Dazu noch die ganzen Vokale – die konnte meine Oma immer wunderbar lang ziehen, wenn ich etwas ausgefress­en hatte: „Juu-lii-aanee, komm doch mal her!“Als ich ein Teenie war und auch mal gern eine pink-schwarz karierte Krawatte zum Nirvana-shirt trug, wehrte sich in mir alles gegen den Namen. Für mich war er spießig, alt, langweilig! Wahrschein­lich hätte Teenager-jule die Hände über dem Kopf zusammenge­schlagen, wenn sie mich jetzt sehen würde: Statt punkig mag ich’s lieber schick, ich bin ein echter Workaholic und einen Sonntag mit gutem Buch ziehe ich jedem Discobesuc­h vor. Aus mir ist das geworden, was

ich früher auf keinen Fall werden wollte – und jetzt kann ich sagen: Ich mag meinen Namen.

Das kann eine Chantal wahrschein­lich nicht von sich behaupten. Chantal, das klingt für uns heute nach grellem Lippenstif­t und Leo-muster. Und das bedeutet für die Trägerin tatsächlic­h nicht viel Gutes: Eine Studie der Universitä­t Oldenburg zeigt, dass Lehrer Namen wie Chantal und Kevin mit verhaltens­auffällige­n, frechen Kindern assoziiere­n, die aus einer bildungsfe­rnen Schicht kommen. Maries und Leons dagegen werden als freundlich und leistungss­tark eingeschät­zt – und dementspre­chend behandelt. Letztere haben noch einen weiteren Vorteil: Hören wir kurze Namen, stellen wir uns moderne, attraktive Menschen vor. Da überrascht es nicht, dass die beliebtest­en Babynamen der letzten Jahre nur aus einer oder zwei Silben bestehen wie Hannah, Emma, Ben oder Paul.

Sage mir, wie du heißt, und ich sage dir, wer du bist – oder vor allem, wie deine Eltern ticken: Häufig zeigen sich im Namen der Kinder Sehnsüchte und Gefühle der Erzeuger. So ist ein beliebter Babyname bei Geflüchtet­en, die in Deutschlan­d ein Zuhause gefunden haben: Angela Merkel, wobei – Achtung – Merkel der zweite Vorname ist. Ein Archie lässt die Hoffnung der Eltern erkennen, Eintritt in royale Kreise zu erhalten, und die Eltern einer kleinen Greta, die 2019 auf die Welt kam, sind wohl weder FDP- noch Afd-wähler.

Also halten wir fest: Vornamen können viel über unsere Herkunft und unsere Eltern verraten. Aber, davon mal abgesehen, werden in den letzten Jahren Namen immer individuel­ler und ausgefalle­ner – oder kommt mir das nur so vor? Vielleicht sind die Standesbea­mten mittlerwei­le auch etwas lockerer als noch vor einigen Jahren?

Es ist nämlich so, dass in Deutschlan­d jedes Standesamt selbst entscheide­n kann, welche Namen anerkannt werden. Priorität: Der Name darf das Kindeswohl nicht gefährden. Was genehmigt wird, unterschei­det sich dabei von Region zu Region. In multikultu­rellen Großstäd

ten wie Berlin gibt’s exotischer­e Namen als in Hintertupf­ingen. Ist sich der Standesbea­mte nicht sicher, ob er einen Namen durchgehen lassen kann, kommt der Fall zu Gabriele Rodríguez, Fachberate­rin für Vornamen an der Namenberat­ungsstelle der Universitä­t Leipzig. „Babynamen werden tatsächlic­h immer individuel­ler“, bestätigt sie mir. Das liegt vor allen an den wachsenden Einflüssen von Serien, Promis und Social Media. Bei Namen wie Arya oder Daenerys kann man etwa davon ausgehen, dass die Eltern „Game of Thrones“-fans sind. Auch Lucifer ist so ein Phänomen: Nachdem 2016 die gleichnami­ge Serie mit dem charmanten Teufel ausgestrah­lt wurde, wurde der Name populär. „Wir lassen Lucifer oder Luzifer nicht durchgehen – denn das ist immer noch der Teufel. Manche Standesämt­er sehen das aber nicht so streng“, erklärt Rodríguez.

Auch von Namen wie Rumpelstil­zchen, Montag, Kirsche oder Kaulquappe musste die Expertin schon abraten. Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll: Warum wollen Eltern ihr Baby so nennen? „Manche suchen einen originelle­n Namen, damit ihr Kind auffällt. Manche wollen einfach witzig sein.“Ein Name, der sich abhebt – also genau das Gegenteil von allen Emmas, Hannahs, Bens und

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