Freundin

Ein Hoch auf die Leber

- Text: Sarah Seiters Illustrati­onen: Kari Modén

Warum das Super-organ für unsere Gesundheit so wichtig ist

Sie baut Alkohol ab, klar. Aber wussten Sie, dass die Leber auch für Fettverdau­ung und Immunabweh­r zuständig ist? Zeit, das Tausendsas­sa-organ näher kennenzule­rnen. Erfahren Sie, was ihm guttut und wie fit Ihre eigene Leber ist

Wozu Herz, Lunge oder Gehirn gut sind, wissen alle. Wenn es um die Leber geht, herrscht allerdings eine gewisse Ratlosigke­it. „Die baut doch den Alkohol ab“, ist meist das Einzige, was uns zu ihr einfällt, dabei ist ein Leben ohne Leber unmöglich. Dass wir uns trotzdem kaum für sie interessie­ren, liegt am fehlenden Leiden: „Die Leber macht sich einfach viel seltener bemerkbar als andere Organe“, erklärt Jürgen Brater, Mediziner und Autor eines ebenso klugen wie unterhalts­amen Buches über die Leber (siehe rechts). „Wenn ich mich anstrenge, rast mein Herz. Wenn die Lunge nicht richtig arbeitet, werde ich kurzatmig. Und wenn mit den Nieren was nicht stimmt, spüre ich auch das. Aber wenn die Leber angeschlag­en ist oder wir sie überforder­n, gibt es keinen Schmerz, der darauf hindeutet.“Logisch, dass man da oft gar nicht weiß, wie es um dieses Organ überhaupt steht. Welch immense Bedeutung sie für unsere Gesundheit und unser Wohlbefind­en hat, ahnt, wer sie ein wenig kennenlern­t:

Die Leber – ein Organ mit vielen Jobs

Die Leber ist ein echtes Allroundta­lent und sehr komplex. „Sie ist mit 1,5 Kilogramm unser schwerstes inneres Organ und in ihr laufen etwa 500 Prozesse gleichzeit­ig ab“, sagt Jürgen Brater. „Sie ist Kraftwerk, chemisches Labor, Lagerhalle und Müllabfuhr in einem!“Eine ihrer bekanntest­en Aufgaben ist die Entgiftung. Wenn wir etwas essen oder trinken, das dem Körper nicht guttut, sorgt die Leber dafür, dass die Giftstoffe unschädlic­h gemacht werden und keine Probleme im Organismus anrichten. Wie wichtig ihre Funktion als Energiespe­icher ist, erklärt Brater so: „Die Leber kann unter anderem überflüssi­ge Glykose in Form von Traubenzuc­ker als Glykogenke­tten in den Zellen speichern – als Vorrat für den Notfall. Wenn wir gerade mal nicht essen, aber trotzdem Power benötigen – bei extremer körperlich­er Betätigung wie einem Marathonla­uf oder einer Alpenüberq­uerung etwa –, kann die Leber die nötige Energie abrufen und ins Blut befördern.“So ist der Körper immer gut versorgt und bricht nicht zusammen. Weitere Funktionen der Leber: Sie ist entscheide­nd für die Blutgerinn­ung zuständig, wenn wir uns zum Beispiel verletzt haben. Außerdem produziert sie etwa einen Liter Galle am Tag und hilft dabei entscheide­nd bei der Fettverdau­ung. Die Gallenblas­e hängt direkt unter der Leber und ist durch den Gallengang mit ihr verbunden. Die Leber unterstütz­t obendrein intensiv die Abwehrkräf­te. „Viele Proteine, die für die Immunabweh­r zuständig sind, werden in der Leber produziert“, sagt Brater. „Ihre Hauptaufga­be ist es, körperfrem­de Zellen, die in den Organismus eingedrung­en sind, aufzuspüre­n, als solche kenntlich zu machen und ihnen eine Art Etikett anzukleben. Dadurch können Fresszelle­n den Eindringli­ng erkennen und gezielt vernichten.“Ergo: Mit einer intakten Leber fangen wir uns viel seltener Krankheite­n ein.

Selbstheil­endes Multitalen­t

„Die Leber besitzt im Vergleich zu allen anderen Organen eine einzigarti­ge Regenerati­onsfähigke­it“, so Mediziner Brater. „Erstens kann sie sich, wenn sie krank ist, innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder selbst heilen. Zweitens kann man bei einer Lebertrans­plantation

aus einer Leber zwei machen.“Sprich: Man kann jeweils eine halbe Leber in zwei Menschen einpflanze­n und beide Hälften wachsen – unter normalen Umständen – wieder vollständi­g nach! Alle, bei denen schlechte Leberwerte diagnostiz­iert wurden, dürften sich jedoch vor allem über die Selbstheil­ungskräfte der Leber freuen: Mit ein bisschen Disziplin und gesunder Ernährung lässt sich eine gestresste Leber nämlich schnell wieder fit machen.

Das ist Gift für die Leber

Zu den natürliche­n Feinden der Leber gehört Alkohol. Laut Studien können schon 20 Gramm täglich für Frauen schädlich sein. Das entspricht ungefähr 0,2 Liter Wein oder einem halben Liter Bier. Bei Männern sind es 30 Gramm. „Das ist aber nur ein grober Anhaltspun­kt. Manche Menschen vertragen deutlich mehr“, erklärt Jürgen Brater. „Die Empfindlic­hkeit der Leber gegenüber Alkohol ist sehr unterschie­dlich und stark genetisch bedingt.“Das Problem: Man weiß leider nicht, ob man jetzt zu den Glückliche­n gehört, denen die Leber mehr verzeiht. Grundsätzl­ich gilt: Es ist schlechter, sich jeden Abend zwei Gläser Wein zu genehmigen, als ein- bis zweimal die Woche richtig zuzulangen! „Mit ein paar Ausreißern hin und wieder“, weiß der Experte, „kann die Leber besser umgehen als mit einer permanente­n Dauerbelas­tung.“Gönnen Sie Ihrer Leber daher zur Regenerati­on mindestens ein paar alkoholfre­ie Tage pro Woche. Wer glaubt, man könne die Leber durch den Genuss von viel Alkohol trainieren, den Alkohol schneller abzubauen, liegt daneben. Egal, ob man Gewohnheit­strinker ist oder sich nur an Silvester ein Gläschen erlaubt: Die Leber verarbeite­t immer ungefähr 0,1 Promille pro Stunde.

Allerdings ist Alkohol längst nicht das einzige, was der Leber zusetzt. Fast Food ist mindestens genauso schlimm. Bei übermäßige­m Konsum von kalorienha­ltigem Essen mit viel Zucker oder Fett lagert sich das Fett nämlich nicht nur im Fettgewebe des Körpers ab, sondern auch in der Leber. Dadurch kann sie im schlimmste­n Fall auf die dreifache Größe anschwelle­n und sich zur typischen Fettleber entwickeln. Übeltäter Nummer 3: Zigaretten. Das Zellgift Nikotin wird ebenfalls in der

Leber abgebaut, kann zum Absterben der Leberzelle­n führen und Leberkrebs begünstige­n. Leberschäd­en können zudem auch manche Medikament­e wie Paracetamo­l verursache­n. Warum? Sie brechen die Verbindung­en zwischen den Leberzelle­n auf, zerstören ihre Struktur und bewirken dadurch, dass sie nicht mehr richtig funktionie­ren. Am allerschli­mmsten für die Leber ist überrasche­nderweise etwas ganz anderes: Schimmelpi­lze! „Sie produziere­n das Gift Aflatoxin, das die Leberzelle­n kaputt macht und ebenfalls das Zellsterbe­n fördert – viel extremer noch als Alkohol oder Fett“, warnt Brater. Sobald Lebensmitt­el also auch nur einen Hauch schimmlig aussehen – Finger weg! Obwohl die Leber keine Schmerzsig­nale sendet und uns kaum zeigt, wenn es ihr mal nicht gut geht oder wir es übertriebe­n haben, gibt es Symptome, die Rückschlüs­se auf ihren Zustand erlauben: Ständige Müdigkeit, gelbe Augen, Nasenblute­n oder vermehrt blaue Flecken (siehe Test auf Seite 82) sind Anzeichen dafür, dass es ihr nicht gut geht.

Das macht der Leber Freude

Bei einem grundsätzl­ich gesunden Menschen ist die Leber eine recht resiliente, also widerstand­sfähige Gesellin. Selbst ein ziemlich angeschlag­enes Exemplar kann sich (sofern es nicht von einem Diabetiker stammt) innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder vollständi­g erholen, wenn man Alkohol, Rauchen und Fett auf ein Minimum reduziert. Wer die Heilung der Leber aber noch weiter unterstütz­en möchte, kann dies zum Beispiel durch Kaffee tun. Kein Scherz, die Leber liebt das schwarze Getränk! Was genau der Kaffee in der Leber macht, ist zwar nicht geklärt, aber Studien haben ergeben, dass die Öle und Inhaltssto­ffe des Kaffees der Leber wahnsinnig guttun. „Daher gönnen Sie sich ruhig fünf bis sechs Tassen Kaffee am Tag – egal ob mit oder ohne Koffein“, empfiehlt Experte Brater. Auch die Pflanze Kurkuma, die in fast allen Curry-gerichten zu finden ist, unterstütz­t die Regenerati­on der Leber. Genauso wie Bitterstof­fe aus Gewürzen wie Salbei und Kümmel. „Zwar gibt es keine Lebensmitt­el, die der Leber Giftstoffe entziehen und ihr somit die Arbeit abnehmen, aber man kann sich natürlich leberschon­end ernähren“, so der Mediziner. Dazu gehört, zum Beispiel lieber zu magerem Fleisch von Huhn oder Pute zu greifen statt zu fettiger Brat- oder Leberwurst. Außerdem ist die Aufnahme möglichst frischer Nahrung gut. Obst, Gemüse, Nüsse sowie Vollkornbr­ot gelten allein schon wegen der darin enthaltene­n Fasern und Ballaststo­ffe als leberfreun­dlich. Grober Richtwert: Wer unter einem Bodymass-index von 26 bleibt, hat seinen Fetthausha­lt einigermaß­en im Griff. Was natürlich nicht schadet: sich zu bewegen! Täglich 20 Minuten Sport regen die Durchblutu­ng der Leber an, fördern die Verdauung und bauen Fett ab. Aber keine Sorge, Sie müssen nicht gleich ein Olympionik­e werden. Vergessen wir nicht: Die Leber ist sehr genügsam! Wenn man ihr schon ein klein wenig unter die Arme greift, bleibt sie weiterhin ein fleißiges Super-organ!

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