Ein Hoch auf die Leber
Warum das Super-organ für unsere Gesundheit so wichtig ist
Sie baut Alkohol ab, klar. Aber wussten Sie, dass die Leber auch für Fettverdauung und Immunabwehr zuständig ist? Zeit, das Tausendsassa-organ näher kennenzulernen. Erfahren Sie, was ihm guttut und wie fit Ihre eigene Leber ist
Wozu Herz, Lunge oder Gehirn gut sind, wissen alle. Wenn es um die Leber geht, herrscht allerdings eine gewisse Ratlosigkeit. „Die baut doch den Alkohol ab“, ist meist das Einzige, was uns zu ihr einfällt, dabei ist ein Leben ohne Leber unmöglich. Dass wir uns trotzdem kaum für sie interessieren, liegt am fehlenden Leiden: „Die Leber macht sich einfach viel seltener bemerkbar als andere Organe“, erklärt Jürgen Brater, Mediziner und Autor eines ebenso klugen wie unterhaltsamen Buches über die Leber (siehe rechts). „Wenn ich mich anstrenge, rast mein Herz. Wenn die Lunge nicht richtig arbeitet, werde ich kurzatmig. Und wenn mit den Nieren was nicht stimmt, spüre ich auch das. Aber wenn die Leber angeschlagen ist oder wir sie überfordern, gibt es keinen Schmerz, der darauf hindeutet.“Logisch, dass man da oft gar nicht weiß, wie es um dieses Organ überhaupt steht. Welch immense Bedeutung sie für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hat, ahnt, wer sie ein wenig kennenlernt:
Die Leber – ein Organ mit vielen Jobs
Die Leber ist ein echtes Allroundtalent und sehr komplex. „Sie ist mit 1,5 Kilogramm unser schwerstes inneres Organ und in ihr laufen etwa 500 Prozesse gleichzeitig ab“, sagt Jürgen Brater. „Sie ist Kraftwerk, chemisches Labor, Lagerhalle und Müllabfuhr in einem!“Eine ihrer bekanntesten Aufgaben ist die Entgiftung. Wenn wir etwas essen oder trinken, das dem Körper nicht guttut, sorgt die Leber dafür, dass die Giftstoffe unschädlich gemacht werden und keine Probleme im Organismus anrichten. Wie wichtig ihre Funktion als Energiespeicher ist, erklärt Brater so: „Die Leber kann unter anderem überflüssige Glykose in Form von Traubenzucker als Glykogenketten in den Zellen speichern – als Vorrat für den Notfall. Wenn wir gerade mal nicht essen, aber trotzdem Power benötigen – bei extremer körperlicher Betätigung wie einem Marathonlauf oder einer Alpenüberquerung etwa –, kann die Leber die nötige Energie abrufen und ins Blut befördern.“So ist der Körper immer gut versorgt und bricht nicht zusammen. Weitere Funktionen der Leber: Sie ist entscheidend für die Blutgerinnung zuständig, wenn wir uns zum Beispiel verletzt haben. Außerdem produziert sie etwa einen Liter Galle am Tag und hilft dabei entscheidend bei der Fettverdauung. Die Gallenblase hängt direkt unter der Leber und ist durch den Gallengang mit ihr verbunden. Die Leber unterstützt obendrein intensiv die Abwehrkräfte. „Viele Proteine, die für die Immunabwehr zuständig sind, werden in der Leber produziert“, sagt Brater. „Ihre Hauptaufgabe ist es, körperfremde Zellen, die in den Organismus eingedrungen sind, aufzuspüren, als solche kenntlich zu machen und ihnen eine Art Etikett anzukleben. Dadurch können Fresszellen den Eindringling erkennen und gezielt vernichten.“Ergo: Mit einer intakten Leber fangen wir uns viel seltener Krankheiten ein.
Selbstheilendes Multitalent
„Die Leber besitzt im Vergleich zu allen anderen Organen eine einzigartige Regenerationsfähigkeit“, so Mediziner Brater. „Erstens kann sie sich, wenn sie krank ist, innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder selbst heilen. Zweitens kann man bei einer Lebertransplantation
aus einer Leber zwei machen.“Sprich: Man kann jeweils eine halbe Leber in zwei Menschen einpflanzen und beide Hälften wachsen – unter normalen Umständen – wieder vollständig nach! Alle, bei denen schlechte Leberwerte diagnostiziert wurden, dürften sich jedoch vor allem über die Selbstheilungskräfte der Leber freuen: Mit ein bisschen Disziplin und gesunder Ernährung lässt sich eine gestresste Leber nämlich schnell wieder fit machen.
Das ist Gift für die Leber
Zu den natürlichen Feinden der Leber gehört Alkohol. Laut Studien können schon 20 Gramm täglich für Frauen schädlich sein. Das entspricht ungefähr 0,2 Liter Wein oder einem halben Liter Bier. Bei Männern sind es 30 Gramm. „Das ist aber nur ein grober Anhaltspunkt. Manche Menschen vertragen deutlich mehr“, erklärt Jürgen Brater. „Die Empfindlichkeit der Leber gegenüber Alkohol ist sehr unterschiedlich und stark genetisch bedingt.“Das Problem: Man weiß leider nicht, ob man jetzt zu den Glücklichen gehört, denen die Leber mehr verzeiht. Grundsätzlich gilt: Es ist schlechter, sich jeden Abend zwei Gläser Wein zu genehmigen, als ein- bis zweimal die Woche richtig zuzulangen! „Mit ein paar Ausreißern hin und wieder“, weiß der Experte, „kann die Leber besser umgehen als mit einer permanenten Dauerbelastung.“Gönnen Sie Ihrer Leber daher zur Regeneration mindestens ein paar alkoholfreie Tage pro Woche. Wer glaubt, man könne die Leber durch den Genuss von viel Alkohol trainieren, den Alkohol schneller abzubauen, liegt daneben. Egal, ob man Gewohnheitstrinker ist oder sich nur an Silvester ein Gläschen erlaubt: Die Leber verarbeitet immer ungefähr 0,1 Promille pro Stunde.
Allerdings ist Alkohol längst nicht das einzige, was der Leber zusetzt. Fast Food ist mindestens genauso schlimm. Bei übermäßigem Konsum von kalorienhaltigem Essen mit viel Zucker oder Fett lagert sich das Fett nämlich nicht nur im Fettgewebe des Körpers ab, sondern auch in der Leber. Dadurch kann sie im schlimmsten Fall auf die dreifache Größe anschwellen und sich zur typischen Fettleber entwickeln. Übeltäter Nummer 3: Zigaretten. Das Zellgift Nikotin wird ebenfalls in der
Leber abgebaut, kann zum Absterben der Leberzellen führen und Leberkrebs begünstigen. Leberschäden können zudem auch manche Medikamente wie Paracetamol verursachen. Warum? Sie brechen die Verbindungen zwischen den Leberzellen auf, zerstören ihre Struktur und bewirken dadurch, dass sie nicht mehr richtig funktionieren. Am allerschlimmsten für die Leber ist überraschenderweise etwas ganz anderes: Schimmelpilze! „Sie produzieren das Gift Aflatoxin, das die Leberzellen kaputt macht und ebenfalls das Zellsterben fördert – viel extremer noch als Alkohol oder Fett“, warnt Brater. Sobald Lebensmittel also auch nur einen Hauch schimmlig aussehen – Finger weg! Obwohl die Leber keine Schmerzsignale sendet und uns kaum zeigt, wenn es ihr mal nicht gut geht oder wir es übertrieben haben, gibt es Symptome, die Rückschlüsse auf ihren Zustand erlauben: Ständige Müdigkeit, gelbe Augen, Nasenbluten oder vermehrt blaue Flecken (siehe Test auf Seite 82) sind Anzeichen dafür, dass es ihr nicht gut geht.
Das macht der Leber Freude
Bei einem grundsätzlich gesunden Menschen ist die Leber eine recht resiliente, also widerstandsfähige Gesellin. Selbst ein ziemlich angeschlagenes Exemplar kann sich (sofern es nicht von einem Diabetiker stammt) innerhalb von ein bis zwei Monaten wieder vollständig erholen, wenn man Alkohol, Rauchen und Fett auf ein Minimum reduziert. Wer die Heilung der Leber aber noch weiter unterstützen möchte, kann dies zum Beispiel durch Kaffee tun. Kein Scherz, die Leber liebt das schwarze Getränk! Was genau der Kaffee in der Leber macht, ist zwar nicht geklärt, aber Studien haben ergeben, dass die Öle und Inhaltsstoffe des Kaffees der Leber wahnsinnig guttun. „Daher gönnen Sie sich ruhig fünf bis sechs Tassen Kaffee am Tag – egal ob mit oder ohne Koffein“, empfiehlt Experte Brater. Auch die Pflanze Kurkuma, die in fast allen Curry-gerichten zu finden ist, unterstützt die Regeneration der Leber. Genauso wie Bitterstoffe aus Gewürzen wie Salbei und Kümmel. „Zwar gibt es keine Lebensmittel, die der Leber Giftstoffe entziehen und ihr somit die Arbeit abnehmen, aber man kann sich natürlich leberschonend ernähren“, so der Mediziner. Dazu gehört, zum Beispiel lieber zu magerem Fleisch von Huhn oder Pute zu greifen statt zu fettiger Brat- oder Leberwurst. Außerdem ist die Aufnahme möglichst frischer Nahrung gut. Obst, Gemüse, Nüsse sowie Vollkornbrot gelten allein schon wegen der darin enthaltenen Fasern und Ballaststoffe als leberfreundlich. Grober Richtwert: Wer unter einem Bodymass-index von 26 bleibt, hat seinen Fetthaushalt einigermaßen im Griff. Was natürlich nicht schadet: sich zu bewegen! Täglich 20 Minuten Sport regen die Durchblutung der Leber an, fördern die Verdauung und bauen Fett ab. Aber keine Sorge, Sie müssen nicht gleich ein Olympionike werden. Vergessen wir nicht: Die Leber ist sehr genügsam! Wenn man ihr schon ein klein wenig unter die Arme greift, bleibt sie weiterhin ein fleißiges Super-organ!