»MEINE FAMILIE HAT HUMOR, SIE IST LAUT – GANZ SO WIE ICH«
Sie gehört zu den bekanntesten Gesichtern im deutschen Fernsehen: „Tagesschau“-sprecherin
Im Interview verrät uns die stets so kontrolliert wirkende 45-Jährige, warum sie privat so ganz anders ist als zur Primetime im Fernsehen
Dagmar Leischow
Linda Zervakis.
neue Kraft tanken. Das Gute ist: Im Süden hat man nach zwei Tagen das Gefühl, bereits drei Wochen vor Ort zu sein. Allein wegen der Hitze kommt kein Stress auf.
Was macht das mit Ihnen?
In Griechenland bin ich wesentlich entspannter als in Deutschland, wo ich meistens von früh bis spät durchgetaktet bin. Hier ist alles gut organisiert, darum klappt in Deutschland so viel. Wer dieses Spiel nicht mitspielt, hat allerdings schnell verloren. Wenn jemand unpünktlich ist, heißt es: Auf diese Person kann man sich nicht verlassen. Das wird in Griechenland nicht so eng gesehen. Die Menschen sind lockerer.
Welche Mentalität liegt Ihnen mehr?
Meine Zuverlässigkeit und meine Pünktlichkeit sind auf jeden Fall typisch deutsch. Wenn man sich in Griechenland um 15 Uhr verabredet, kommen die Griechen irgendwann am Nachmittag. Ich werden dann zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit unruhig, obwohl alle um mich herum ganz relaxed bleiben – in diesen Momenten finde ich mich selber kleinlich. Die deutsche Meckermentalität habe ich ebenfalls verinnerlicht. Ich rege mich jedes Jahr wieder über den verregneten Sommer in Hamburg auf. Meinen griechischen Wurzeln verdanke ich dagegen mein
Temperament. Es kann schon passieren, dass ich mal richtig laut werde. Genauso schnell beruhige ich mich, ich bin nicht nachtragend.
Können Sie sich auf Griechisch mit jemandem streiten?
Ich beherrsche Basisgriechisch. Als Mädchen habe ich sechs Jahre die griechische Schule besucht, danach habe ich meine Sprachkenntnisse nicht weiter vertieft. Wenn ich heute eine griechische Zeitung lese, muss ich einige Wörter nachschlagen. Im Alltag kann ich mich jedoch gut verständigen. Mit meiner Mutter und unserer Verwandtschaft spreche ich Griechisch.
Unterhalten Sie sich auch mit Ihren beiden kleinen Kindern auf Griechisch?
Leider nein. Das ergibt sich einfach nicht, unser Umfeld ist zu deutsch. Aber mein Plan ist es, dass die Kinder nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in Griechenland machen. Außerdem gehe ich Ostern mit meiner Tochter und meinem Sohn in die Kirche, damit sie etwas von der griechischen Tradition mitbekommen. Ich zwänge ihnen aber keine Religion auf. Sie sollen später selber entscheiden, ob sie glauben wollen oder nicht.
Sind Sie gläubig?
Ich bin griechischorthodox und praktiziere meinen Glauben recht entspannt. In einer schwierigen Situation versuche ich es manchmal mit einem Stoßgebet auf Griechisch – meistens mit Erfolg. Ansonsten faste ich in der Karwoche und verzichte auf Fleisch. Das mache ich aber eher meiner Mama zuliebe.
Ihre Mutter wäre gern Schauspielerin geworden, ihr Vater erlaubte das nicht. Leben Sie ihren Traum?
Absolut. Irgendwann sagte meine Mutter zu mir: „Du machst genau das, was ich immer wollte.“Das klang aber nicht verbittert, im Gegenteil: Meine Mutter ist unglaublich stolz auf mich. Wenn sie zum Turnen geht, wird sie von den anderen Frauen des Öfteren auf mich angesprochen. Das ist ein bisschen „Starrummel“für sie, eine kleine nachträgliche Wiedergutmachung.
Als Sie vor sieben Jahren Ihren Job antraten, titelten zahlreiche Medien: „Die erste ,Tagesschau‘-sprecherin mit Migrationshintergrund“…
Hätte es nicht gereicht zu schreiben: „Linda Zervakis, Nachfolgerin von Marc Bator“? Dieser Zusatz „mit Migrationshintergrund“klingt so, als hätte ich einen kleinen Defekt. Das hat mich schon irritiert. Einfach, weil ich zuvor nie großartig über meine Herkunft nachgedacht habe. Während meiner Schulzeit war sie kein Thema. Sowohl ich als auch meine türkischen Mitschüler waren auf dem Gymnasium gut integriert.
Hat es Sie nicht gekränkt, dass Ihr Spitzname „Zaziki“war?
Ich wurde auch „Cervelatwurst“genannt. Das war