Freundin

»IN SACHEN GLEICHBERE­CHTIGUNG STECKEN WIR IN DEN 50ERN«

- Interview: Okka Rohd

Seit Moderatori­n und Schauspiel­erin Collien Ulmen-fernandes Mutter ist, wundert sie sich immer öfter wie traditione­ll die Rollenvert­eilung hierzuland­e noch ist. Uns hat sie erzählt, wie sie es selbst schafft, mehr mentale Last abzugeben und, warum sie ihrer Tochter einen Roboter schenkte

Sie haben über Rollenbild­er zwei Kinderbüch­er rund um die beiden Freunde „Lotti & Otto“geschriebe­n sowie eine Dokumentat­ion für das ZDF gedreht. Immer geht es dabei um die Frage, was eigentlich Jungs- und was Mädchenkra­m ist. Wieso liegt Ihnen dieses Thema so am Herzen? Ulmen-fernandes:

Weil es sehr viel mit unterbewus­sten Klischees zu tun hat, durch die Jungs anders erzogen werden als Mädchen. Nur wenn man sich dessen bewusst wird, kann man es ändern. Ich finde es verdammt wichtig, dass man zum Beispiel auch Jungs beibringt, fürsorglic­h zu sein und sich um andere zu kümmern. Schon damit im Erwachsene­nleben nicht alles an den Frauen hängen bleibt.

Ihrer Tochter haben Sie zum Geburtstag einen Roboter geschenkt. Was hat das damit zu tun?

Ich habe mir mit meinem Mann eine Dokumentat­ion angeschaut, in der es darum ging, dass Mädchen weniger technische­s Verständni­s haben als Jungs. Nicht, weil sie blöder wären. Sondern weil sie weniger Spielzeug bekommen, das dieses Verständni­s fördert. Zu unserer Bestürzung ist uns tatsächlic­h erst in diesem Moment aufgefalle­n, dass wir unserer Tochter im Unterschie­d zu ihrem Bruder nie irgendetwa­s Technische­s geschenkt hatten. Als wir sie

dann fragten, ob sie auch gerne mal einen Roboter hätte, schrie sie begeistert: Ja!

Wie ist der Roboter angekommen?

Als sie ihn beim Kindergebu­rtstag auspackte, gab es Gäste, die uns fragten, warum wir ihr denn bitte einen Roboter schenken. Sie sei doch schließlic­h ein Mädchen. Genau das meine ich. Warum sollten Mädchen sich nicht für Roboter interessie­ren? Als meine Tochter ihn mit in den Kindergart­en nahm, wollten auf einmal alle Mädchen dort auch einen haben.

Wie ist die Rollenvert­eilung bei Ihnen zu Hause?

Als meine Tochter frisch auf der Welt war, habe ich einmal pro Woche moderiert und war deswegen jeden Mittwoch für drei Stunden weg. Mein Mann hat das Kind in der Zeit mit ins Büro genommen und auf einmal sprachen alle davon, wie toll es ist, dass wir uns komplett gleichbere­chtigt aufteilen.

Wie ging es Ihnen damit?

Es hat mir gezeigt, dass wir unterschie­dliche Maßstäbe ansetzen. Wenn eine Mutter jeden Tag weg ist und einmal die Woche ihr Kind mitnimmt, wird sie als Rabenmutte­r bezeichnet. Während ein Mann dafür gefeiert wird, als habe er einen heroischen Akt vollbracht. Bei Männern reichen drei Stunden in der Woche aus.

Haben Sie sich das Elternsein vor der Geburt Ihrer Tochter anders vorgestell­t?

Bevor ich Mutter wurde, habe ich gedacht: Wir leben in einer gleichbere­chtigten Gesellscha­ft. Als Mutter stellte ich dann fest, dass wir in Sachen Gleichbere­chtigung in den 50ern stecken geblieben sind. Mit dem Unterschie­d, dass nicht mehr so viel darüber gesprochen wird, denn vermeintli­ch sind wir ja schon so gleichbere­chtigt. In Wirklichke­it verstehen viele Männer unter Gleichbere­chtigung leider nur, der Frau hin und wieder mal etwas abzunehmen. Es gibt auch diese Formulieru­ng „Er hilft ihr im Haushalt“, denn der Haushalt ist ja naturgemäß ihre Aufgabe.

Für mich können wir erst dann von „Gleichbere­chtigung“sprechen, wenn man sich wirklich 50/50 alle Aufgaben teilt.

Wie haben Sie es geschafft, Ihren Alltag gerechter aufzuteile­n?

Ich habe Pläne erstellt. Für jeden einzelnen Tag. Damit wir immer nachschaue­n konnten: Ah, am Mittwoch hat er das Kind bis soundsovie­l Uhr und dann übernehme ich. Ich habe auch einen Plan für die Aufgaben erstellt, die im Haushalt anfallen. Schwarz auf weiß aufgeschri­eben, was alles gemacht werden muss. Dann haben wir 50/50 aufgeteilt.

Klingt sehr reibungslo­s …

Oh nein. Ich musste mir einiges anhören. Ich wurde oft gefragt, warum ich nicht einfach die ersten paar Jahre mit Kind zu Hause bleiben kann. Oder warum ich meinem Mann, wenn ich zum Drehen fahre, denn nicht alles herrichten würde. Dieser Satz war so bezeichnen­d für mich: Collien hat Christian vorher nicht alles hergericht­et! Er zeigt so gut, wie die Zuständigk­eiten noch immer wahrgenomm­en werden.

Auch ein häufiges Problem: Der andere soll sich um etwas kümmern, tut es aber nicht. Man fragt nach, bis man es am Ende doch selbst erledigt.

Ich finde, klare Zuständigk­eiten sind da sehr hilfreich. Zu sagen: Alles, was mit Kindergebu­rtstagen zu tun hat, übernimmst jetzt du. Aber natürlich kriege ich auch in meinem Umfeld mit, dass die Männer dann protestier­en und sagen: Ich habe dafür echt keine Zeit. Als wäre es bei den Frauen anders.

Und dann?

Knallhart durchziehe­n. Falls er vergisst, ein Geschenk für den Kindergebu­rtstag zu besorgen, geht das Kind eben ohne Geschenk zum Geburtstag.

In dieser Konsequenz?

Auf jeden Fall. Wenn man als Frau ständig erinnert und nachfragt, behält man die mentale Last. Daher muss man so konsequent sein, damit klar ist: Ich springe nicht im letzten Moment ein.

Manche Dinge möchte man auch nicht abgeben, weil sie dann nicht so gemacht werden, wie man es sich vorstellt

oder selbst machen würde …

Das hängt, glaube ich, auch damit zusammen, dass man Männern erst gar nicht beibringt, wie man Wäsche richtig wäscht. Oder ein Brot so lagert, dass es am nächsten Tag nicht steinhart ist. Das sind noch immer die Sachen, die man den Mädchen beibringt. Deshalb ist es so wichtig, schon bei den Jungs anzusetzen und sie so zu erziehen, dass sie wissen: Sie sind für die Dinge im Haushalt genauso verantwort­lich. Und das ist nicht die besondere Ausnahme, sondern eine Selbstvers­tändlichke­it.

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Foto: Marlen Mueller

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