SO WEHREN SIE SICH GEGEN MOBBING
Von täglichem Terror am Arbeitsplatz bis zu Beleidigungen im Netz – Mobbing hat viele Gesichter und kommt leider überall vor. Aber wie reagieren wir richtig, wenn wir selbst oder andere gemobbt werden?
Meine Vorgesetzte verhält sich mir gegenüber nicht korrekt: Über Fehler etwa spricht sie nicht mir, sondern erzählt meinen Kollegen davon.
Ich habe Angst, das anzusprechen, weil mir meine Chefin das Leben dann erst recht zur Hölle machen kann. Wie soll ich mich verhalten?
„Reden Sie mit Ihrer Chefin! Allen, die eine Verhaltensänderung anstoßen wollen, ohne Porzellan zu zerschlagen, helfen die Regeln des berühmten Konfliktforschers Marshall Rosenberg. Er hat das Konzept für ‚gewaltfreie Kommunikation‘ entwickelt. Psychologen auf der ganzen Welt arbeiten damit, um verfeindete Parteien zu versöhnen. Das Konzept geht so: 1. Beschreiben Sie neutral, was Sie stört (Wenn ich einen Fehler mache, erzählen Sie meinen Kollegen davon). 2. Formulieren Sie, welches Gefühl das bei Ihnen auslöst (Das ist mir peinlich und schadet meinem Ruf). 3. Benennen Sie ein Bedürfnis (Mir ist ein faires Feedback und die Loyalität meiner Vorgesetzten wichtig). 4. Und äußern Sie einen konkreten Wunsch (Ich würde mir wünschen, dass Sie mich auf einen Fehler persönlich hinweisen). Falls Sie allerdings bereits die Erfahrung gemacht haben, dass Sie nach einem Gespräch mit Ihrer Chefin unfair behandelt wurden oder der Verdacht auf Mobbing besteht, würde ich in jedem Fall das Führen eines Mobbingtagebuchs und eine gute Vorbereitung mit dem Betriebsrat oder einer externen Mobbingberatung empfehlen.“
Ich habe neulich gesehen, wie Jugendliche einen Gleichaltrigen ziemlich fies in der Bahn geärgert haben. Wie verhalte ich mich in einer solchen Situation am besten?
„Bloß nicht wegducken. Wenn man so etwas sieht, ist es wichtig, genau hinzuschauen und Präsenz zu zeigen. Ich persönlich würde zunächst mal den Jugendlichen ansprechen und ihm meinen Beistand anbieten. Ein ‚Hey, ich bin da, wenn du meine Hilfe brauchst‘ signalisiert dem Betroffenen, dass er nicht alleine ist. Und die Mobber wissen, dass sie unangenehm aufgefallen sind und nicht einfach machen können, was sie wollen. Entspannt sich die Situation nicht, würde ich klare Stoppsignale senden und zu den Mobbern sagen: ‚Hört auf damit.‘ Ganz wichtig dabei: Körpersprache und Stimme. Man muss sich in so einer Situation aufrichten und mit einer lauten, deutlichen Stimme reden. Und im Notfall? Darf man nicht auf seiner Bank sitzen bleiben, sondern muss sich der Situation nähern und aktiv eingreifen. Wem mulmig ist und wer sich körperlich unterlegen fühlt, holt zur Verstärkung andere mit ins Boot. In aller Regel sitzen doch Mitreisende im Abteil, die man so ansprechen und mit einbeziehen kann: ‚Sehen Sie, dort wird einem Jungen zugesetzt, bitte lassen Sie uns helfen.‘“
Es hört sich vielleicht seltsam an, aber meine beste Freundin mobbt ihren Partner. Sie redet schlecht über ihn und stellt ihn sogar als unmännlich und tollpatschig dar, wenn er dabei ist. Ihm scheint das nichts auszumachen, für mich ist das aber sehr unangenehm. Wie sage ich das meiner Freundin?
„Menschen, die jemanden öffentlich diskreditieren, wollen sich mit diesem ‚Kleinmachen des anderen‘ über diesen erheben und sich damit selber aufwerten. Dahinter kann ein schlechtes Selbstwertgefühl oder geringes Selbstbewusstsein stecken. Sie sollten Ihre Freundin auf jeden Fall auf dieses Verhalten ansprechen, wenn sie mal alleine sind. Machen Sie Ihrer Freundin klar, dass Sie sich nicht einmischen wollen in ihre Partnerschaft, dass Ihnen da aber etwas auf der Seele brennt. Reden Sie in der Ich-form. Sie könnten beispielsweise sagen: ‚Mir ist aufgefallen, dass du dich viel über deinen Freund beschwerst. Mir ist das unangenehm. Ich denke, dass du das tust, weil es dir vielleicht nicht gut geht.‘ Machen Sie Ihrer Freundin deutlich, dass das Niedermachen des Partners vor Publikum sie selbst abwertet. Sagen Sie ihr unbedingt aber auch, was Sie an ihr toll finden, welche Stärken Sie an ihr schätzen und wie sehr Sie sie mögen.“
Es gibt ein Video von meiner 16-jährigen Tochter, auf dem sie betrunken mit einem Jungen knutscht. Ein Klassenkamerad hat es auf Instagram geteilt. Meine Tochter hat ihn vergeblich gebeten, das Video zu löschen. Was kann man noch tun?
„Ihre Tochter könnte den Jungen noch einmal freundlich, aber nachdrücklich auffordern, das Video zu löschen. Vielleicht hilft eine Begründung nach dem Motto: ‚Das ist mir unangenehm, überleg mal, wenn du an meiner Stelle wärst. Die Bilder bleiben im Netz und das kann negative Folgen für mich haben, zum Beispiel bei späteren Bewerbungsverfahren.‘ Hilft das nicht, sollte sie ihm ein Ultimatum stellen, aber ohne Drohung, das könnte ihn provozieren. Es reicht ein: ‚Bitte lösche das Video innerhalb der nächsten 24 Stunden.‘ Geschieht nichts, sollten Sie die Eltern des Jungen anrufen, die Lehrerin oder gleich die Schulleitung informieren und, falls nötig, eine Anzeige bei der Polizei stellen, da zum Veröffentlichen des Videos die Einwilligung Ihrer Tochter fehlte.“
Ich höre auf der Arbeit immer wieder dumme, teils wohl auch scherzhaft gemeinte Sprüche wegen meines Übergewichts. Ich versuche es mit Humor zu überspielen, aber es trifft mich sehr. Wie wehre ich mich am besten?
„Schlagfertigkeit wäre eine Option. ‚Die eine ist dick, die andere doof‘, könnten Sie sagen oder: ‚Ja, mir fehlt die Zeit zum Sport, während ich hier sitze und arbeite, feiern andere im Fitnessstudio krank.‘ Tatsächlich rate ich von solchen Repliken aber ab. Das bringt nur Probleme. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Atmosphäre noch verschlechtert. Weil man nicht wissen kann, ob es sich bei den Sprüchen um einen gezielten Angriff handelt oder ob hier ein paar meinen, sie seien besonders witzig, würde ich empfehlen, die Situation in einer ruhigen Minute zu klären. Auf dieses Gespräch müssen Sie gut vorbereitet sein. Am besten, Sie machen sich vorher Notizen und üben das Gespräch daheim mit einer Freundin. Es ist wichtig, das Anliegen als Ich-botschaft zu formulieren, zum Beispiel so: ‚Mir ist aufgefallen, dass von dir immer wieder Sprüche über mein Gewicht kommen und das verletzt mich sehr. Ich würde mir wünschen, dass du das sein lässt.‘ Bleiben Sie dabei freundlich. Aber sprechen Sie es unbedingt an, damit das Gegenüber überhaupt weiß, dass es jemanden verletzt.“
Ich bin 37 Jahre und benutze regelmäßig, oft und gerne Instagram, um dort Fotos zu posten. Neulich hat mich ein Fremder in einem Kommentar beleidigt. Ich habe daraufhin seinen Kommentar gelöscht und mein Profil auf privat gestellt. Aber ich möchte wissen: Welche Rechte habe ich eigentlich?
„Grundsätzlich darf jeder seine Meinung frei äußern. Für alle, die ihre Fotos ins Netz stellen, bedeutet das leider, dass man sich viele Kommentare von anderen gefallen lassen muss. Beleidigungen sind eine andere Sache. Beleidigungen im strafrechtlichen Sinne setzen voraus, dass jemand seine Missachtung gegenüber einer anderen Person äußert. Bei einem geposteten Foto bedeutet das, dass ich mir Kommentare wie ‚Du bist fett‘ gefallen lassen muss – ‚Du fette Sau‘ ist dagegen eine Beleidigung, weil man als Person herabgewürdigt wird. Wenn so etwas geschieht, kann man einen Strafantrag stellen und einen Auskunftsanspruch gegen die sozialen Netzwerke durchsetzen. So versucht man, an den Namen des bislang anonymen Täters zu gelangen. Steht die Identität fest, können dann Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Ganz wichtig: dem Portal die Kommentare melden, damit diese gelöscht werden.“