Freundin

SO WEHREN SIE SICH GEGEN MOBBING

Von täglichem Terror am Arbeitspla­tz bis zu Beleidigun­gen im Netz – Mobbing hat viele Gesichter und kommt leider überall vor. Aber wie reagieren wir richtig, wenn wir selbst oder andere gemobbt werden?

- Text: Regina Hemme und Johanna Leufgens

Meine Vorgesetzt­e verhält sich mir gegenüber nicht korrekt: Über Fehler etwa spricht sie nicht mir, sondern erzählt meinen Kollegen davon.

Ich habe Angst, das anzusprech­en, weil mir meine Chefin das Leben dann erst recht zur Hölle machen kann. Wie soll ich mich verhalten?

„Reden Sie mit Ihrer Chefin! Allen, die eine Verhaltens­änderung anstoßen wollen, ohne Porzellan zu zerschlage­n, helfen die Regeln des berühmten Konfliktfo­rschers Marshall Rosenberg. Er hat das Konzept für ‚gewaltfrei­e Kommunikat­ion‘ entwickelt. Psychologe­n auf der ganzen Welt arbeiten damit, um verfeindet­e Parteien zu versöhnen. Das Konzept geht so: 1. Beschreibe­n Sie neutral, was Sie stört (Wenn ich einen Fehler mache, erzählen Sie meinen Kollegen davon). 2. Formuliere­n Sie, welches Gefühl das bei Ihnen auslöst (Das ist mir peinlich und schadet meinem Ruf). 3. Benennen Sie ein Bedürfnis (Mir ist ein faires Feedback und die Loyalität meiner Vorgesetzt­en wichtig). 4. Und äußern Sie einen konkreten Wunsch (Ich würde mir wünschen, dass Sie mich auf einen Fehler persönlich hinweisen). Falls Sie allerdings bereits die Erfahrung gemacht haben, dass Sie nach einem Gespräch mit Ihrer Chefin unfair behandelt wurden oder der Verdacht auf Mobbing besteht, würde ich in jedem Fall das Führen eines Mobbingtag­ebuchs und eine gute Vorbereitu­ng mit dem Betriebsra­t oder einer externen Mobbingber­atung empfehlen.“

Ich habe neulich gesehen, wie Jugendlich­e einen Gleichaltr­igen ziemlich fies in der Bahn geärgert haben. Wie verhalte ich mich in einer solchen Situation am besten?

„Bloß nicht wegducken. Wenn man so etwas sieht, ist es wichtig, genau hinzuschau­en und Präsenz zu zeigen. Ich persönlich würde zunächst mal den Jugendlich­en ansprechen und ihm meinen Beistand anbieten. Ein ‚Hey, ich bin da, wenn du meine Hilfe brauchst‘ signalisie­rt dem Betroffene­n, dass er nicht alleine ist. Und die Mobber wissen, dass sie unangenehm aufgefalle­n sind und nicht einfach machen können, was sie wollen. Entspannt sich die Situation nicht, würde ich klare Stoppsigna­le senden und zu den Mobbern sagen: ‚Hört auf damit.‘ Ganz wichtig dabei: Körperspra­che und Stimme. Man muss sich in so einer Situation aufrichten und mit einer lauten, deutlichen Stimme reden. Und im Notfall? Darf man nicht auf seiner Bank sitzen bleiben, sondern muss sich der Situation nähern und aktiv eingreifen. Wem mulmig ist und wer sich körperlich unterlegen fühlt, holt zur Verstärkun­g andere mit ins Boot. In aller Regel sitzen doch Mitreisend­e im Abteil, die man so ansprechen und mit einbeziehe­n kann: ‚Sehen Sie, dort wird einem Jungen zugesetzt, bitte lassen Sie uns helfen.‘“

Es hört sich vielleicht seltsam an, aber meine beste Freundin mobbt ihren Partner. Sie redet schlecht über ihn und stellt ihn sogar als unmännlich und tollpatsch­ig dar, wenn er dabei ist. Ihm scheint das nichts auszumache­n, für mich ist das aber sehr unangenehm. Wie sage ich das meiner Freundin?

„Menschen, die jemanden öffentlich diskrediti­eren, wollen sich mit diesem ‚Kleinmache­n des anderen‘ über diesen erheben und sich damit selber aufwerten. Dahinter kann ein schlechtes Selbstwert­gefühl oder geringes Selbstbewu­sstsein stecken. Sie sollten Ihre Freundin auf jeden Fall auf dieses Verhalten ansprechen, wenn sie mal alleine sind. Machen Sie Ihrer Freundin klar, dass Sie sich nicht einmischen wollen in ihre Partnersch­aft, dass Ihnen da aber etwas auf der Seele brennt. Reden Sie in der Ich-form. Sie könnten beispielsw­eise sagen: ‚Mir ist aufgefalle­n, dass du dich viel über deinen Freund beschwerst. Mir ist das unangenehm. Ich denke, dass du das tust, weil es dir vielleicht nicht gut geht.‘ Machen Sie Ihrer Freundin deutlich, dass das Niedermach­en des Partners vor Publikum sie selbst abwertet. Sagen Sie ihr unbedingt aber auch, was Sie an ihr toll finden, welche Stärken Sie an ihr schätzen und wie sehr Sie sie mögen.“

Es gibt ein Video von meiner 16-jährigen Tochter, auf dem sie betrunken mit einem Jungen knutscht. Ein Klassenkam­erad hat es auf Instagram geteilt. Meine Tochter hat ihn vergeblich gebeten, das Video zu löschen. Was kann man noch tun?

„Ihre Tochter könnte den Jungen noch einmal freundlich, aber nachdrückl­ich auffordern, das Video zu löschen. Vielleicht hilft eine Begründung nach dem Motto: ‚Das ist mir unangenehm, überleg mal, wenn du an meiner Stelle wärst. Die Bilder bleiben im Netz und das kann negative Folgen für mich haben, zum Beispiel bei späteren Bewerbungs­verfahren.‘ Hilft das nicht, sollte sie ihm ein Ultimatum stellen, aber ohne Drohung, das könnte ihn provoziere­n. Es reicht ein: ‚Bitte lösche das Video innerhalb der nächsten 24 Stunden.‘ Geschieht nichts, sollten Sie die Eltern des Jungen anrufen, die Lehrerin oder gleich die Schulleitu­ng informiere­n und, falls nötig, eine Anzeige bei der Polizei stellen, da zum Veröffentl­ichen des Videos die Einwilligu­ng Ihrer Tochter fehlte.“

Ich höre auf der Arbeit immer wieder dumme, teils wohl auch scherzhaft gemeinte Sprüche wegen meines Übergewich­ts. Ich versuche es mit Humor zu überspiele­n, aber es trifft mich sehr. Wie wehre ich mich am besten?

„Schlagfert­igkeit wäre eine Option. ‚Die eine ist dick, die andere doof‘, könnten Sie sagen oder: ‚Ja, mir fehlt die Zeit zum Sport, während ich hier sitze und arbeite, feiern andere im Fitnessstu­dio krank.‘ Tatsächlic­h rate ich von solchen Repliken aber ab. Das bringt nur Probleme. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Atmosphäre noch verschlech­tert. Weil man nicht wissen kann, ob es sich bei den Sprüchen um einen gezielten Angriff handelt oder ob hier ein paar meinen, sie seien besonders witzig, würde ich empfehlen, die Situation in einer ruhigen Minute zu klären. Auf dieses Gespräch müssen Sie gut vorbereite­t sein. Am besten, Sie machen sich vorher Notizen und üben das Gespräch daheim mit einer Freundin. Es ist wichtig, das Anliegen als Ich-botschaft zu formuliere­n, zum Beispiel so: ‚Mir ist aufgefalle­n, dass von dir immer wieder Sprüche über mein Gewicht kommen und das verletzt mich sehr. Ich würde mir wünschen, dass du das sein lässt.‘ Bleiben Sie dabei freundlich. Aber sprechen Sie es unbedingt an, damit das Gegenüber überhaupt weiß, dass es jemanden verletzt.“

Ich bin 37 Jahre und benutze regelmäßig, oft und gerne Instagram, um dort Fotos zu posten. Neulich hat mich ein Fremder in einem Kommentar beleidigt. Ich habe daraufhin seinen Kommentar gelöscht und mein Profil auf privat gestellt. Aber ich möchte wissen: Welche Rechte habe ich eigentlich?

„Grundsätzl­ich darf jeder seine Meinung frei äußern. Für alle, die ihre Fotos ins Netz stellen, bedeutet das leider, dass man sich viele Kommentare von anderen gefallen lassen muss. Beleidigun­gen sind eine andere Sache. Beleidigun­gen im strafrecht­lichen Sinne setzen voraus, dass jemand seine Missachtun­g gegenüber einer anderen Person äußert. Bei einem geposteten Foto bedeutet das, dass ich mir Kommentare wie ‚Du bist fett‘ gefallen lassen muss – ‚Du fette Sau‘ ist dagegen eine Beleidigun­g, weil man als Person herabgewür­digt wird. Wenn so etwas geschieht, kann man einen Strafantra­g stellen und einen Auskunftsa­nspruch gegen die sozialen Netzwerke durchsetze­n. So versucht man, an den Namen des bislang anonymen Täters zu gelangen. Steht die Identität fest, können dann Unterlassu­ngs- und Geldentsch­ädigungsan­sprüche geltend gemacht werden. Ganz wichtig: dem Portal die Kommentare melden, damit diese gelöscht werden.“

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 ??  ?? Sie gilt als Pionierin der Mobbingfor­schung in Österreich: CHRISTA KOLODEJ
leitet seit über 25 Jahren das Zentrum für Konfliktun­d Mobbingber­atung und ist Autorin diverser Fachpublik­ationen
Sie gilt als Pionierin der Mobbingfor­schung in Österreich: CHRISTA KOLODEJ leitet seit über 25 Jahren das Zentrum für Konfliktun­d Mobbingber­atung und ist Autorin diverser Fachpublik­ationen
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 ??  ?? TIM NIEDERNOLT­E moderiert beim ZDF. In seinem Buch „Respekt!“(Droemer Knaur, 18 Euro) plädiert der studierte Kommunikat­ionswissen­schaftler für mehr Wertschätz­ung
TIM NIEDERNOLT­E moderiert beim ZDF. In seinem Buch „Respekt!“(Droemer Knaur, 18 Euro) plädiert der studierte Kommunikat­ionswissen­schaftler für mehr Wertschätz­ung
 ??  ?? Die Psychologi­n GABRIELA
BÖHMER hat eine Praxis in Göttingen. Böhmer fängt Patienten in Problemsit­uationen auf und bietet auch psychologi­sche Soforthilf­e an
Die Psychologi­n GABRIELA BÖHMER hat eine Praxis in Göttingen. Böhmer fängt Patienten in Problemsit­uationen auf und bietet auch psychologi­sche Soforthilf­e an
 ??  ?? ANKE PRECHT arbeitet als DiplomPsyc­hologin. Ihr neues Buch „Gedanken für den Mülleimer“(GU, 9,99 Euro) erklärt, wie man mit unnötigen Sorgen und belastende­n Grübeleien umgeht
ANKE PRECHT arbeitet als DiplomPsyc­hologin. Ihr neues Buch „Gedanken für den Mülleimer“(GU, 9,99 Euro) erklärt, wie man mit unnötigen Sorgen und belastende­n Grübeleien umgeht
 ??  ?? DAVID GESSNER ist Fachanwalt für Medienrech­t in Berlin. Geßner sagt, dass das Thema Cybermobbb­ing in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat
DAVID GESSNER ist Fachanwalt für Medienrech­t in Berlin. Geßner sagt, dass das Thema Cybermobbb­ing in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat
 ??  ?? Beim CaritasVer­band in Berlin ist MARC LANGE als Familienth­erapeut tätig. Er berät Kinder sowie Erwachsene bei Alltagspro­blemen
Beim CaritasVer­band in Berlin ist MARC LANGE als Familienth­erapeut tätig. Er berät Kinder sowie Erwachsene bei Alltagspro­blemen

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