Freundin

Eigentlich … freue ich mich immer über Interesse an meiner Person

In jedem Heft denkt unsere Kolumnisti­n Constanze Kleis darüber nach, warum es im Leben oft so anders läuft als geplant

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Bloß die Frage nach ihren Hobbys bringt freundinau­torin Constanze Kleis ins Schleudern

Bloß eine Frage bringt mich ins Schleudern: „Haben Sie Hobbys?“Ja, die gibt es wirklich noch, also die Frage. Und zwar nicht bloß bei Bewerbungs­gesprächen, sondern auch in Partnersuc­hportalen und wenn man mit Fremden ins Gespräch kommt. Klar, schließlic­h ist es etwas sehr Individuel­les, wie Menschen ihre freie Zeit verbringen. Ob mit Filzen oder Bierdeckel­sammeln oder damit, Mangakostü­me zu nähen. Und entspreche­nd blickt man einem anderen schon ein wenig in die Seele, wenn man weiß, wofür er brennt. Wenn er denn brennt. Ich nämlich köchle höchstens. Nicht, dass ich nach Feierabend reglos wie die Koralle auf dem Sofa sitze und an die Decke starre. Es ist bloß so, dass schon das Wort „Hobby“doch eine intensive und gar leidenscha­ftliche Tätigkeit beschreibt, in der man völlig aufgeht. Eine, die alle anderen Freizeitak­tivitäten in den Schatten stellt und über der man nicht nur die Zeit, sondern auch schon den Christstol­len im Ofen oder sogar die Lieblingss­erie im Fernsehen vergisst. Würde ich also wahrheitsg­emäß sagen „Ich jogge“, würde mein Gegenüber sofort erwarten, dass ich dabei ambitionie­rtere Ziele anstrebe, als im Park um die Ecke nicht vom 76-jährigen Nachbarn abgehängt zu werden. Zwar backe ich ganz manierlich, bin aber auch froh, wenn ich nach spätestens einer Runde Zimtsterne und Butterplät­zchen die Küche wieder verlassen kann. Gut, ich könnte auch „Lesen“ins Feld führen, wäre aber mit höchstens einem Roman in zwei bis drei Wochen nicht gerade Führungskr­aft unter den Bücherwürm­ern. Ich bin in keinem Club und keinem Verein und könnte allenfalls „Halbherzig­keit“als Hobby angeben. Ein Defizit, das offenbar viele spüren. Warum sonst sollte das Internet voll von Empfehlung­en sein für die, die „echt gern ein Hobby hätten“? Aber so wenig, wie man sich vorschreib­en lassen kann, in wen man sich verliebt, werde ich mich sicher nicht in die Aquaristik oder ins Puzzeln vergucken und auch beim Häkeln schlug mein Herz kaum höher als beim Anblick von Dieter Bohlen. Das Hobby-tindern funktionie­rt bei mir nicht, totzdem fand ich Trost im WWW. Da stand nämlich, dass es einmal eine Zeit gab, in der die Hobby-hürden deutlich niedriger waren. Als das Hobby vor allem eine Tätigkeit jenseits der Erwartunge­n anderer war. Als es nichts weiter musste und deshalb praktisch alles sein konnte. In den 1950er-jahren war deshalb schon „aus dem Fenster schauen“tatsächlic­h eine anerkannte Freizeitak­tivität. Immerhin rangierte es auf Platz drei der damals beliebtest­en Steckenpfe­rde. Auf Platz zwei kam der Verwandten­besuch und auf Platz eins – auf dem Hobbysiege­rtreppchen also – residierte damals „mit den Kindern spielen“. Ich habe zwar keine Kinder, hatte aber – wenigstens vor Corona – doch häufig nähere Angehörige besucht. Auch aus dem offenen Fenster blicke ich sehr gern, wenn ich es recht bedenke. Ein Hobby, das angesichts der Empfehlung­en, möglichst oft zu lüften, damit die Viren rausfliege­n können, sogar ganz schön gesund sein könnte. So gesehen habe ich offenbar längst gleich mehrere sehr schöne Hobbys, ohne es zu ahnen, und freue mich schon auf das nächste Mal, wenn sich jemand erkundigt, was mich eigentlich in meiner Freizeit so beschäftig­t.

 ??  ?? CONSTANZE KLEIS ist zwar eine Frau, die, wie wir alle, hohe Ansprüche an sich stellt. Sie kann es aber auch ganz gut aushalten, dass in ihrem Leben nicht alles perfekt ist. Denn das macht ziemlich oft glücklich.
CONSTANZE KLEIS ist zwar eine Frau, die, wie wir alle, hohe Ansprüche an sich stellt. Sie kann es aber auch ganz gut aushalten, dass in ihrem Leben nicht alles perfekt ist. Denn das macht ziemlich oft glücklich.

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