Freundin

WAS IST LOS MIT MIR?

Keine Lust auf Sex, schlaflose Nächte, Gewichtszu­nahme – schnell wird die Schuld dafür bei den Hormonen gesucht. Aber ist das überhaupt richtig? Oder verkennen wir womöglich andere Ursachen?

- Text: Barbara Sonnentag

Keine Lust auf Sex, schlaflose Nächte, Gewichtszu­nahme: Wir verraten, wann es an den Hormonen liegt und was sonst noch dahinterst­ecken kann

SSie gelten als die Dirigenten unseres Lebens: Hormone sollen uns wahlweise launisch, müde oder depressiv machen und sogar die Figur formen. Wenn sie aus der Balance geraten, können sie falsche Signale an Organe und Zellen leiten, Krankheite­n entstehen. Kreisen etwa zu viele Stresshorm­one im Blut, wird das Herz ständig angetriebe­n, schneller zu arbeiten. Auf Dauer steigt so das Risiko für Bluthochdr­uck. Es ist unbestritt­en: Hormone können in unserem Körper ein ganz schönes Chaos verursache­n, aber sind die Hormone wirklich an allem schuld? Oder machen wir es uns zu leicht, wenn es mal wieder „Das sind die Hormone“heißt? „Weil das Hormonsyst­em so schwer zu durchschau­en ist, schieben viele Menschen unklare Beschwerde­n zu schnell auf die Botenstoff­e“, sagt Dr. Anneliese Schwenkhag­en, die zusammen mit ihrer Kollegin Dr. Katrin Schaudig eine Schwerpunk­tpraxis für hormonelle Störungen der Frau führt. Höchste Zeit also, die Sache einmal zu durchleuch­ten.

LIEGT ES AN DEN HORMONEN … … wenn die Stimmung schwankt?

Wer gefühlsmäß­ig häufig Achterbahn fährt, sollte sich beobachten und ein Stimmungst­age‑ buch führen, um Muster zu erkennen: Treten die Launen vor allem vor der Periode auf? Oder sind Sie Mitte 40 und nähern sich den Wechsel‑ jahren? An dem Gefühlscha­os sind dann wahr‑ scheinlich die Hormone schuld. „In den ge‑ nannten Zeiten schwanken die Hormone stark. Und auf dieses Auf und Ab reagieren manche Gehirne einfach sensibler als andere“, sagt Gy‑ näkologin Schwenkhag­en. Manche Frauen haben sogar ganze zwei Wochen vor der Regel sehr starke Stimmungss­chwankunge­n. Ärzte sprechen dann von der „Premenstru­al Dyspho‑ ric Disorder“(PMDD). Aber man kann etwas dagegen tun: Bei ausgeprägt­en Beschwerde­n können die Pille oder Psychophar­maka die Hor‑ monschwank­ungen und damit die Gefühls‑ turbulenze­n regulieren. Bei leichten Stimmungs‑ schwankung­en helfen dagegen oft schon Mönchspfef­fer‑präparate.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Eine nicht ganz optimale Ernährung: Wer häufig unterzu‑ ckert ist, weil er zu wenig isst, wird ebenso launisch, wie Menschen, die zu wenig Salz oder Magnesium (z.b. in Sonnenblum­enkernen, Vollkornpr­odukten, Nüssen) zu sich nehmen. Magnesium dämpft die Produktion von Stress‑ hormonen. Und wie jeder weiß, sind gestresste Menschen nicht die ausgeglich­ensten.

… wenn die Lust nachgelass­en hat?

„Die Hormone mögen an vielem schuld sein, an sexuellen Problemen aber meistens nicht“, sagt Schwenkhag­en. Auch die Pille macht nicht zwangsläuf­ig weniger Lust auf Sex, wie Studien zeigen: Bei manchen Anwenderin­nen nimmt sie sogar zu. Sie haben befreiter Sex, weil das Risiko, schwanger zu werden, gebannt ist.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Bei Frauen entsteht Lustlosigk­eit vor allem im Kopf: „In belastende­n Situatione­n, bei Stress, Partner‑ schaftskon­flikten und bei gesundheit­lichen Pro‑ blemen sinkt das sexuelle Verlagen“, weiß die Gynäkologi­n. Auch sei es normal, dass mit

»Licht am Tag verbessert die Melatonina­usschüttun­g in der Nacht«

dem Alter und der Länge einer Beziehung die Lust abnimmt. „Das ist für viele völlig okay, sie leiden nicht darunter.“Falls doch: Über die eigene Lustlosigk­eit zu reden, hilft. Genauso wie loszulegen: Sex macht Lust auf Sex.

… wenn man nicht schlafen kann?

An unruhigen Nächten tragen Hormone häufig zumindest eine Mitschuld. So klagen 60 Prozent der Frauen unter Schlafprob­lemen, wenn der Östrogen- und Progestero­nspiegel in den Wechseljah­ren abfällt. Aber auch schon früher bestimmt ein Hormon maßgeblich, wie gut wir schlummern: Melatonin, das unseren Tag-nachtrhyth­mus steuert. Es macht abends müde und, wenn die Produktion wieder nachlässt, morgens munter. „Je mehr wir tagsüber draußen am Licht waren, desto besser funktionie­rt die Melatonina­usschüttun­g“, weiß Schwenkhag­en. „Teuflisch ist dagegen helles und vor allem blaues Licht am Abend, wie es Handys und Laptops abstrahlen. Es bremst die Hormonfrei­setzung.“Melatonin-tabletten können einen gestörten Schlafrhyt­hmus wieder regulieren, es dauert aber eine Woche, bis das Hormon wirkt.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Stress ist laut einer aktuellen Umfrage der Kaufmännis­chen Krankenkas­se die Ursache Nummer eins für Schlafstör­ungen. Wer zu viel im Kopf hat,

nicht zur Ruhe oder wacht mitten in der

Nacht auf. Eine schriftlic­he To-do-liste für den nächsten Tag hilft oft schon. Damit bringt man die Gedanken aus dem Kopf aufs Papier. „Ganz wichtig für guten Schlaf sind zudem warme Füße“, sagt die Expertin. Auf Alkohol am Abend sollte man dagegen möglichst verzichten: „Hat man getrunken, ist der Schlaf weniger tief, man wacht in der Nacht häufiger auf und erholt sich nicht richtig.“

… wenn man stetig zunimmt?

Viele denken sofort an eine Schilddrüs­enunterfun­ktion. „Tatsächlic­h liegt es daran gar nicht so oft“, sagt Anneliese Schwenkhag­en. „Im Zweifelsfa­ll kann man das aber einfach durch eine unkomplizi­erte Blutunters­uchung klären lassen.“Körpergewi­cht und Hormone sind dennoch eng verknüpft, aber andersrum, als die meisten denken: „Übergewich­t kann eine hormonelle Störung der Eierstöcke fördern, das polyzystis­che Ovarsyndro­m, kurz PCOS.“Die Eibläschen können sich nicht mehr richtig entwickeln und das männliche Hormon Testostero­n nimmt überhand. In der Folge kann ein diabetisch­er Stoffwechs­el entstehen, wodurch die Pfunde weiter wachsen.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Der Stoffwechs­el verlangsam­t sich ab etwa 40 Jahren. Wer dann nicht weniger isst oder sich mehr bewegt, nimmt leicht ein halbes bis ganzes Kilo im Jahr zu. „Dies sollte man unbedingt vermeiden“, sagt Schwenkhag­en. „Abnehmen ist unglaublic­h

schwierig, unseren Körper zieht es automatisc­h wieder zum Ausgangsge­wicht. Das ist eine Steinzeits­oftware.“Sie rät deshalb, einmal in der Woche auf die Waage zu gehen, um notfalls schnell gegensteue­rn zu können.

… wenn Haare dort sprießen, wo keine sein sollten?

In dem Fall muss man die Schuldigen nicht lange suchen: Ein Zuviel an männlichen Hormonen lässt auch bei Frauen Härchen wachsen. Bei jungen Frauen passiert das zum Beispiel, wenn sie am PCOS leiden (s. voriger Punkt), bei älteren, wenn in den Wechseljah­ren der Einfluss der weiblichen Geschlecht­shormone sinkt. Je nach Alter, Leidensdru­ck und Begleitsym­ptomen kann die Pille oder eine Hormonersa­tztherapie das Testostero­n ausbremsen.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Die Gene. Bei manchen wachsen die Haare einfach stärker, ohne dass ein körperlich­es Problem vorliegt.

… wenn man depressiv ist?

Eine Depression entsteht nie alleine aufgrund der Hormone. Aber bei allen Depressive­n sind die Botenstoff­e im Gehirn verändert. Besonders anfällig für die Krankheit sind Frauen, wenn sie sich in einer hormonelle­n Umbruchsph­ase befinden – in der Pubertät, nach der Geburt oder in den Wechseljah­ren. „Hormonelle Schwankung­en stören die Stressvera­rbeitung. Wenn dann noch einschneid­ende Erlebnisse, wie der Stress nach einer Entbindung oder

Scheidung, dazukommen, läuft das Fass schnell über“, erklärt Gynäkologi­n Schwenkhag­en.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Letztendli­ch entscheide­t der Mix aus Genen, Charaktere­igenschaft­en, Erlebnisse­n und Erfahrunge­n darüber, ob jemand anfällig für eine Depression ist. Antidepres­siva wie z.b. Serotonin-wiederaufn­ahmehemmer und eine Psychother­apie können helfen.

… wenn man ständig müde ist?

Vier bis acht Millionen Deutsche können dafür die Hormone verantwort­lich machen. So viele leiden an einer Schilddrüs­enunterfun­ktion, der Hashimoto-thyreoidit­is, die häufig im mittleren Alter auftritt. In der Folge produziert das Organ weniger Hormone, der Stoffwechs­el erlahmt und man fühlt sich gerädert. Sobald die fehlenden Hormone ersetzt werden, kehrt die Energie zurück. In den Wechseljah­ren sind dagegen die Hormone indirekt an der Müdigkeit schuld: Weil sie den Schlaf häufig stören, fühlt man sich tagsüber schlapp.

Was sonst dahinterst­ecken kann: Häufig ein Eisenmange­l: 20 Prozent der jungen Frauen

»Hormone alleine verursache­n keine Depression«

fehlt der Mikronährs­toff. In der Folge werden Zellen und Organe nicht ausreichen­d mit Sauerstoff versorgt, man fühlt sich müde. Besonders betroffen sind Vegetarier­innen, weil ihnen Fleisch als Eisenquell­e fehlt. Sie sollten auf eisenreich­e, pflanzlich­e Kost (z.b. Weizenkeim­e, Kürbiskern­e und Soja) achten. „Oft genug ist es aber auch nur der Lifestyle, der die Energie raubt“, sagt Gynäkologi­n Anneliese Schwenkhag­en. „Wir glauben immer, wir sind unkaputtba­r. Aber das ist der Körper nicht. Er braucht einfach Pausen.“

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Illustrati­onen: Kari Modèn
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