Diese Frauen geben nicht auf
Acht unermüdliche Kämpferinnen für eine bessere Welt
Sie kümmern sich dort, wo die meisten wegsehen oder aufgegeben haben. Sie machen das Leben anderer erträglicher. Sie geben Hoffnung. Wir feiern acht fabelhafte Frauen, die nicht müde werden, sich zu engagieren
219a … lautet der Paragraf, den KRISTINA HÄNEL ersatzlos streichen lassen will
Ärztinnen und Ärzte dürfen laut §219a Strafgesetzbuch auf ihrer Homepage erwähnen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, mit jeder weiteren Information aber machen sie sich strafbar. „Einfach absurd“, sagt Kristina Hänel, 64. Es sei doch ärztliche Pflicht, Patienten über Methoden, Risiken und Komplikationen des Eingriffs aufzuklären. Weil die Ärztin für Allgemeinmedizin den Paragrafen ignoriert, wurde sie vor Gericht schon ein paarmal zu Strafzahlungen verdonnert. Morddrohungen von Menschen, die Abtreibung ablehnen, hat sie auch schon im Postkasten gefunden. Allerdings auch Mut machende Briefe, etwa aus dem Altersheim. Unter den Absenderinnen sind Frauen, die bei frühen illegalen Eingriffen beinahe gestorben wären, aber auch solche, deren Kinder einfach zur Adoption weitergegeben wurden. Die Botschaft all dieser Frauen: Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz, bitte machen Sie weiter. Für Hänel ist das Ehrensache. Sie geht jetzt zum Bundesverfassungsgericht!
25000 Mitzeichner fand VERA DIETRICH für ihre Petition gegen Abmahnmissbrauch
Während ihrer Elternzeit macht die promovierte Volkswirtin ihr Hobby zum Beruf und gründet ein ModeLabel. Nachdem Vera Dietrich bei einem Schal in ihrem Online-shop die Materialzusammensetzung nicht ganz vorschriftsgemäß angibt, wird sie abgemahnt, soll 230 Euro zahlen plus – aufgepasst! – eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Letzteres ist eine böse Falle. Wer so etwas unterschreibt, läuft Gefahr, bei jeder weiteren klitzekleinen Ungenauigkeit zur Zahlung immer größerer Summen gezwungen zu werden. Vera Dietrich macht sich schlau und erfährt, dass eine regelrechte Abmahnmafia mit dieser Masche Kleinunternehmen abzockt und nicht selten „in den Ruin treibt“. Mit Wut im Bauch startet Dietrich eine Petition und hat Erfolg: Bei dem nun geänderten Wettbewerbsrecht wird Abmahnmissbrauch erheblich erschwert. Vera Dietrich aber engagiert sich weiter. Beim Verband der Gründer und Selbstständigen in München unterstützt sie jetzt andere bei der Verwirklichung seriöser Geschäftsideen.
1600 Angriffe gibt es auf Flüchtlinge jedes Jahr. 1600 zu viel, sagt JULIANA GOMBE
Als Juliana Luisa Gombe 1996 als politisch Geflüchtete aus Angola im Asylbewerberheim in Halberstadt ankommt, hat sie alles verloren, mit ihrer Familie nur das nackte Leben gerettet, ist ohne Perspektive. Doch am meisten zu schaffen macht ihr die Feindseligkeit zwischen den Bewohnern aus den verschiedensten Kulturen. Nicht selten enden sie in blutigen Schlägereien, auch unter den Kindern. Die gläubige, tatkräftige Christin hat eine Idee: Sie kickt mit den Kindern. Und schafft mit dem Fußball ein kleines Wunder: Während die Kinder gemeinsam spielen, rücken auch die Eltern zusammen. Damit das Beispiel Schule macht, gründet sie den Verein „TOLL“, heute hat er 52 Mitglieder. Doch nicht allen gefällt Julianas Engagement. Zwei Nazis schlagen sie krankenhausreif. Die Täter bekommen gerade mal drei Jahre auf Bewährung! Juliana aber kann nie wieder ihre geliebte Gitarre spielen, ihre Finger wurden bei dem feigen Angriff verletzt. Freunde, die aus Angst vor solchen Übergriffen aus dem Osten weggezogen sind, beknien sie, auch endlich zu gehen. Aber Juliana, 51, denkt gar nicht daran. „Denn wer ist dann noch da, um Rassismus und Sexismus zu bekämpfen?“, sagt sie. Und geht zum Fußball.
85% aller Seen sind weltweit zerstört. MARION HAMMERL will sie retten
„Manchmal ist es nicht leicht, nicht frustriert zu sein“, sagt Marion Hammerl, 64. Denn oft macht die Umweltschützerin zwar einen Schritt nach vorn, aber zwei zurück. Seit mehr als 20 Jahren setzt sie sich mit dem internationalen Netzwerk „Living Lakes“ehrenamtlich für den Erhalt von Seen und Feuchtgebieten ein. Die meisten sind bereits ganz verschwunden oder ihre Ökosysteme zerstört. Auch gegen die zunehmende eigene Verzweiflung kämpft Marion Hammerl unverdrossen an. Sie denkt an ihre Mitstreiter weltweit. Häufig brauchen sie viel Mut, in manchen Ländern werden Umweltschützer sogar ermordet wie in Südamerika. Oder eingesperrt wie in Russland. „Vor der Furchtlosigkeit und dem Engagement kann ich nur den Hut ziehen und sage mir selbst: Marion, jammer nicht rum.“Machen statt lamentieren! So hat sie dazu beigetragen, dass heute der Bodensee wieder ein intaktes Ökosystem hat. Und die Uferzone des Plattensees besser geschützt wird. „Es sind nicht die Niederlagen, die ich zähle. Sondern die Erfolge“, weiß Marion Hammerl.