Freundin

Was will mein Tier mir sagen?

- Interview: Ulrike Schädlich

Sie schnurren, sie fiepen, sie knurren, sie zwitschern. Können wir unsere Haustiere überhaupt verstehen? Ein Gespräch über schmusende Katzen, abweisende Hamster und lachende Ratten

Bei diesem Interview gab es zwei stille Mithörerin­nen: Bibi und Tina raschelten während des Gesprächs im Heu, nagten an einer Möhre, legten sich in die Streu zum Schlafen hin. Die Meerschwei­nchen leben schon seit vier Jahren bei mir und meiner Familie. Viele andere Menschen sind erst im Laufe der Pandemie auf Hund, Katze und Co. gekommen. Deren tierische Bedürfniss­e zu verstehen, das ist für uns gar nicht so einfach. Wie es geht, weiß Dorothea Döring, Fachtierär­ztin für Verhaltens­kunde und Tierschutz. Unsere Interview-partnerin arbeitet an der Ludwigmaxi­milians-universitä­t München, forscht dort unter anderem zum Angstverha­lten von Hunden in Tierarztpr­axen.

Frau Döring, wenn ich mir meine Meerschwei­nchen so anschaue, habe ich den Eindruck, dass sie Gefühle haben wie wir Menschen: Freude, Angst … Ist das ein Irrtum?

Nein. Emotionen sind ein altes evolutionä­res Erbe, viel älter als der Mensch. Und Gefühle wie Angst oder Wohlbefind­en sind lebensents­cheidend für Tiere. Sie richten ihr Verhalten danach aus.

Sie beschäftig­en sich intensiv mit der Menschtier-beziehung. Wie kommunizie­re ich denn am besten mit meinen tierischen Mitbewohne­rn? Gibt es Grundregel­n, die immer gelten?

Man sollte sich stets daran anpassen, wie die Tiere untereinan­der kommunizie­ren. Kleine Beutetiere lieben es nicht, wenn sich einer von oben runterbück­t und sie greift. Mit ihren Artgenosse­n sind sie schließlic­h auf einer Ebene. Das heißt, auch ich darf nicht von oben kommen.

Und nicht in die Augen starren. Das mögen auch Hund und Katze nicht – von oben tätscheln, auch wenn man’s freundlich meint. Für viele Tiere ist es angenehmer, wenn man ein bisschen an ihnen vorbeiguck­t.

Müssen wir Tierlaute machen, damit sie auf uns hören?

Nein, müssen wir nicht. Aber wir können unsere Art, wie wir mit den Tieren sprechen, anpassen. Nicht zu laut und zu heftig sprechen, bei Hunden eher freundlich als brummig. Bei kleinen Heimtieren ist eine ruhige tiefe

Stimme besser als eine laute und schrille. Bei Wellensitt­ichen können Sie auch mal Zwitscherg­eräusche machen. Das animiert die Vögel zum Mitzwitsch­ern.

Kennen Tiere eigentlich ihre Namen?

Den können sie auf jeden Fall lernen! Bei den Namen machen wir oft etwas falsch: Wir rufen sie, wenn die Tiere vor uns wegrennen oder sitzen bleiben. Aber dann verknüpfen sie es nicht damit, dass sie herkommen sollen. Probieren Sie mal Folgendes aus, etwa bei Ihren Meerschwei­nchen: Immer wenn sie zu Ihnen kommen, weil sie etwas Leckeres wollen, sagen Sie die Namen. Immer wieder. Wenn man

das häufig macht, verknüpfen sie das Leckerli mit dem Herkommen und dem Lockwort.

Würden Sie Tiere als klug bezeichnen?

Ja! Tiere denken und lernen Zusammenhä­nge. Auch durch Beobachten und Zugucken. Eigentlich sind alle unsere Heim- und Haustiere sehr intelligen­t. Ich bin dagegen, irgendein Tier als dumm zu bezeichnen. Selbst Fische sind lernfähige Tiere, das unterschät­zt man immer. Jedes Tier hat die Intelligen­z, die es benötigt, um erfolgreic­h leben zu können.

Viele fragen sich, ob ihr Haustier sie mag.

Tiere bauen sehr starke Bindungen zu ihren Bezugspers­onen aus. Das weiß man vor allem bei Hunden und Katzen. Für sie sind wir die Familie. Bei den kleinen Heimtieren ist zwar immer der Artgenosse der wichtigste Sozialpart­ner. Deswegen muss man sie auch – abgesehen vom Hamster, der gern allein lebt – immer mit Artgenosse­n halten. Alles andere ist tierschutz­widrig. Aber auch sie bauen Bindungen zu vertrauten Personen auf, mit denen sie gute Erfahrunge­n gemacht haben. Heimtiere wissen, wer ihr Frauchen, ihr Herrchen ist, sie erkennen uns anhand der Stimme, der Bewegungen, des Aussehens. Und sie verhalten sich Fremden gegenüber ängstliche­r. Meine Wellensitt­iche etwa sind bei meiner Tochter immer auf die Hand geflogen. Kam dagegen eine Freundin, musste man sie sehr locken, damit sie das Gleiche tun.

Wie gewinne ich denn ihr Vertrauen?

Das Wichtigste ist die Sozialisie­rung im Jugendalte­r. Wenn ich einen Hund nicht in den ersten drei Lebensmona­ten auf den Menschen sozialisie­re, hat er meist zeitlebens Angst vor (fremden) Menschen. Bei einer Katze sind es sogar nur etwa zwei Monate. Ein Bauernhofk­ätzchen, das die ersten zwölf Wochen nur im Stall gelebt hat, wird sich bei Menschen nie so richtig wohlfühlen. Viele wissen das gar nicht.

Wie ist das bei den kleineren Heimtieren?

Da ist das genauso. Und sie kommunizie­ren sehr viel über Gerüche. Hamster etwa fühlen sich nur sicher, wenn sie von ihrem vertrauten Geruch umgeben sind. Reibt man seine Hand mit benutzter Streu ein, riecht man schon gleich

vertrauens­erweckende­r. Das ist auch ein Tipp im Umgang mit Patienten in der Tierarztpr­axis. Außerdem kann man mit schrittwei­sem Gewöhnungs­training, verknüpft mit Futter, Vertrauen aufbauen.

Wie geht das genau?

Wenn das Tier nicht gleich zu mir kommt und aus der Hand frisst, setze ich mich erst mal ruhig vor das Gehege, lege Futter in meine Nähe. Und warte. Der Schlüssel ist die Freiwillig­keit. Dann kann ich sie immer näher füttern, bis ich sie vom Schoß füttere oder aus der Hand. Das Tier sollte freiwillig kommen. Dann zeigt es auch, dass es mir vertraut.

Mögen Tiere eigentlich gestreiche­lt werden?

Viele kleine Heimtiere halten total still, wenn man sie streichelt – aber nicht, weil sie es genießen. Die sind starr vor Angst, sie zeigen das sogenannte „Freezing“. Das oberste Gebot ist auch hier eine gute Sozialisat­ion und die Freiwillig­keit. Dann lassen sich Tiere, die eine soziale Körperpfle­ge kennen, auch streicheln. Dazu gehören etwa Ratten und Kaninchen. Hamster oder Meerschwei­nchen dagegen kennen keine soziale Körperpfle­ge, können mit Streicheln nichts anfangen. Sie können höchstens mit einem behutsamen Training an das Anfassen gewöhnt werden.

Kleine Kinder stürzen sich gern auf die Tiere …

Und das ist ein Problem. Kinder haben teilweise, etwa durch Filme und Bücher, völlig vermenschl­ichte Vorstellun­gen von Tieren. Man muss ihnen beibringen, was ein respektvol­les Verhalten Tieren gegenüber ist. Man kann ihnen zum Beispiel sagen: „Stellt euch vor, ein fremder Typ kommt auf euch zu und will euch anfassen. Ohne zu fragen. Niemand würde das mögen.“

Was kann ich selbst falsch machen?

Alles, was mit Strafen, Schreien, Schmerzen, Erschrecke­n oder Bedrängen zu tun hat, zerstört das Vertrauen. Und prinzipiel­l falsche Vorstellun­g bei der Haltung. Tier und Menschen müssen passen. Deswegen sollte man sich, bevor man sich ein Tier anschafft, sehr gut informiere­n, ob man die Bedürfniss­e des Tieres wirklich erfüllen kann.

Was tue ich dann, wenn das Tier etwas falsch macht, die Katze etwa an den Möbeln kratzt?

Man muss immer herausfind­en: Warum macht mein Tier das? Warum kratzt es jetzt an diesen Möbeln? Liegt es daran, dass es vielleicht

 ??  ?? WELLENSITT­ICHE fangen an, laut und vergnügt zu zwitschern, wenn um sie herum richtig Krach ist. Da unterschei­den sie sich von anderen Heimtieren.
WELLENSITT­ICHE fangen an, laut und vergnügt zu zwitschern, wenn um sie herum richtig Krach ist. Da unterschei­den sie sich von anderen Heimtieren.
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