Freundin

WARUM WILL ICH IMMER GEMOCHT WERDEN?

Manchmal reicht schon ein Satz oder ein Biick von anderen und unsere Autorin wird unsicher. Warum fällt es uns Frauen so schwer, auch mal anzuecken? Wie schaffen wir es, besser mit Kritik umzugehen und uns gleichzeit­ig treu zu bleiben?

- Text: Okka Rohd Illustrati­onen: Hanna Barczyk

LOB IST EINE RARE RESSOURCE. MAN KANN ES SICH NICHT ERARBEITEN, GEMOCHT ZU WERDEN

Dann sagte ich doch lieber nichts. Mal wieder. Eigentlich wäre es keine große Sache gewesen, kurz zu erklären, warum ich es wichtig finde, dass sich ausnahmslo­s alle Eltern in unserer kleinen Kita engagieren und nicht immer dieselben. Aber ich wollte nicht diejenige sein, über die am Ende alle mit den Augen rollen. Elternaben­de sind nur eine von vielen Gelegenhei­ten, bei denen ich Angst habe, durchzufal­len. Bevor Freundinne­n zu Besuch kommen, räume ich auf, als würden Punktricht­er beim olympische­n Turmspring­en dazu ihre Täfelchen hochhalten. Ich kann eine halbe Stunde darüber nachgrübel­n, was ich unter ein Bild auf Instagram schreibe, damit sich bloß niemand daran stört. Ich habe mich auch noch nie über das Essen in einem Restaurant beschwert.

Denn ein Teller schlappe Pommes ist für mich weit weniger gruselig als ein Kellner, der mich für eine pingelige Zicke hält.

Ich möchte, dass andere mich mögen. Grundsätzl­ich finde ich das nicht verkehrt. Uns Menschen ist nun einmal wichtig, was andere über uns denken. Wir möchten die an uns gestellten Erwartunge­n erfüllen und möglichst selten enttäusche­n. Allerdings ist meine Angst vorm Nicht- oder Nicht-genug-gefallen mit der Zeit so groß geworden, dass mein Verhalten möglichen Reaktionen viel zu oft vorauseilt. Dann sage ich Ja, obwohl ich Nein meine. Und schweige, wenn ich Angst habe, anzuecken. Bin übertriebe­n höflich und hilfsberei­t. Entschuldi­ge mich andauernd und kümmere mich um Kram, der überhaupt nicht meiner ist. Kritik nehme ich mir gewaltig zu Herzen, positives Feedback hingegen nicht ernst.

Das ist schon deshalb schwierig, weil Lob eine rare Ressource ist. Wie sehr man sich auch anstrengt: Gemocht zu werden, kann man sich nicht erarbeiten. Es folgt keinem Leistungsp­rinzip, ist nicht berechen- und schon gar nicht einforderb­ar. Oft erzeugt der Wunsch, ganz dringend von jemandem gemocht zu werden, sogar das genaue Gegenteil. Man kennt das ja von sich selbst. Wir mögen Menschen, die einfach ihr Ding machen, zu sich und ihrer Meinung stehen. Und sind genervt, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand es uns unbedingt recht machen möchte und seine Meinung anpasst wie ein Chamäleon seine Farbe. In SocialMedi­a-zeiten zu leben, macht die Sache nicht einfacher. Auf Plattforme­n wie Facebook, Instagram oder Tiktok ist das Gemochtwer­den die inoffiziel­le Währung – Daumen hoch, Daumen runter, Herzchen dalassen, entfolgen.

Dabei war der Versuch, nicht anzuecken, früher eine durchaus Erfolg verspreche­nde Taktik, weiß Jason Zook, Autor des Buchs „Own Your Weird“. In einem Youtube-video mit dem schönen, unübersetz­baren Titel „How to Stop Giving a F*ck“sagt er: „Für Tausende von Jahren sind wir Menschen Herdentier­e ge

wesen. Deswegen haben wir bei der Arbeit und im Leben jedes Mal, wenn wir etwas anders tun, immer noch den Instinkt, uns anzupassen – selbst wenn wir das eigentlich gar nicht mehr müssen und längst unser eigenes Ding durchziehe­n könnten.“Obwohl wir also schon lange nicht mehr in der Steinzeit leben und nicht gleich sterben, falls uns jemand nicht mag, hat unser Gehirn doch nie vergessen, wie viel Schutz uns das Herdenlebe­n einmal gewährte. Und hält es noch immer für wichtig, von der Gemeinscha­ft nicht verstoßen zu werden.

Spult man etwas weniger weit zurück, landet man womöglich in seiner ganz eigenen Steinzeit: einer Kindheit, in der das Bravsein von Eltern, Erziehern und Lehrern nicht nur gewollt, sondern auch belohnt wurde. Wer sich anständig benahm, still und brav war, durfte lange aufbleiben und Schokolade futtern, für den gab es gute Noten und Sternchen-stempel. So lernte man schnell: Richtig war, was die Erwachsene­n wollten. Falsch, was sie verärgerte. „Unsere Kultur lehrt das Kind, sich in den meisten Fällen lieber auf andere zu verlassen, als seinem eigenen Urteil zu vertrauen“, schreibt der Psychologe Wayne W. Dyer in seinem Buch „Der wunde Punkt“. „Die Zustimmung, die an sich eine selbstvers­tändliche Gegebenhei­t hätte sein

sollen, war also davon abhängig, wie gut Sie anderen gefielen.“Auf sein eigenes Urteil zu hören, lehrt so eine Erziehung uns ebenso wenig wie Gelassenhe­it gegenüber einem möglichen Augenrolle­n anderer – auch wenn diese anderen nicht Familie, Freunde und Kollegen sind, sondern Wildfremde, die uns vollkommen egal sein könnten. Mir sind sie es nicht: Ich bin die Frau, die im Kino einen Film lang klaglos hinter einem Laberer und Chipsknist­erer sitzt, weil ich keine Diskussion riskieren will.

Wenigstens eines habe ich mittlerwei­le geschafft: Ich verbiege mich nicht mehr in meiner Beziehung. Ich habe gelernt, dass er mich auch dann liebt, wenn ich mich nicht darum bemühe, obwohl mich das gelegentli­ch wundert. Aber es gab Jahre in meinem Leben, in denen ich mich in Liebesgesc­hichten so weit verbog, dass kaum noch etwas von mir übrig blieb. Bloß nichts tun, was schlecht ankommen könnte – selbst bei Männern, die sich keinen Wimpernsch­lag lang dafür interessie­rten, wie es mir dabei ging. Völlig verrückt, schon klar. Wenn man von jemandem geliebt wird, der einen gar nicht kennt, weil man sich nicht zu erkennen gibt, zählt es ja nicht wirklich als Liebe. Und sich für etwas zu verbiegen, das sich dann am besten anfühlt, wenn man sich nicht mehr verbiegen muss, ist keine besonders zielführen­de Strategie. Ich traute mir lange einfach nicht zu, für die geliebt zu werden, die ich bin.

Und jetzt? Vielleicht erst einmal mit anderen Frauen darüber sprechen, ob sie das auch kennen – diese Angst, nicht gemocht zu werden, und die Bereitscha­ft, sich zurückzune­hmen, um nicht anzuecken. Sobald man das tut, erfährt man schnell, dass man mit seinem wunden Punkt gar nicht so alleine ist, wie man lange dachte, sondern, dass ihn offensicht­lich viele haben – sogar meine Freundin Mosch Khanedani, eine der mit sich selbst identischs­ten und souveränst­en Frauen, die ich kenne. Oder die Beauty-bloggerin Hanna Schumi, die ich neben vielem anderen auch dafür mag, dass sie oft sehr geradehera­us sagt, was sie denkt. Dabei merkt man dann auch, wie verbreitet und überpropor­tioniert die Furcht vor Zurückweis­ung, Ablehnung und Stirnrunze­ln selbst bei Menschen ist, die erfolgreic­h sind.

Also noch einmal die Frage: und jetzt? Könnte ich es zur Abwechslun­g mit Rationalit­ät versuchen – manchmal hilft es ja, ein, zwei Schritte zurückzutr­eten, um das ganze Bild mit etwas Abstand zu betrachten. Erste Erkenntnis dabei: Wer Unmögliche­s versucht, kann nur enttäuscht werden. Davon auszugehen, dass immer alle mögen, was man tut, ist schon deshalb ein unmögliche­s Unterfange­n, weil Menschen sehr unterschie­dlich sind. Was der eine mag, findet der andere grauenvoll. Es soll sogar Menschen geben, die Spaghetti-eis nicht leiden können. Oder Romy Schneider. Oder Britney Spears. Laut der Psychologi­n Laura Ritthaler ist immer etwa ein Drittel der Menschen anderer Meinung als man selbst. Bei einer Bevölkerun­gszahl von 83 Millionen wären das knapp 28 Millionen Menschen. Im Grunde ist es also nicht unwahrsche­inlich, auf einen von ihnen zu treffen.

Zweite Erkenntnis: Das ständige Gemochtwer­den-wollen ist schon deswegen überflüssi­g, weil die meisten Menschen gar keine Zeit haben, ständig zu bewerten, was jeder andere Mensch gerade so tut. Bei den wenigsten, die mir tagaus, tagein begegnen, komme ich dazu, irgendein Gefühl zu entwickeln. In einer Gegenwart, die sich daran gewöhnt hat, dass ständig alles beurteilt werden soll (die Gesangstal­ente von Kindern im Fernsehen, das perfekte Dinner, jedes Buch auf Amazon), fällt es einem vermutlich nicht auf, aber: Menschen fällen gar nicht so viele Urteile, wie man es ihnen unterstell­t. Sie beschäftig­en sich vor allem mit ihrem eigenen Kram.

Drittens, und dieser Punkt leuchtet meiner Angst vorm Nicht-gemochtwer­den am meisten ein: Dinge an- und auszusprec­hen, beschert einem das sehr erleichter­nde Gefühl, im Einklang mit den eigenen Ansichten zu leben (mehr dazu in den Tipps von Laura Ritthaler). Man beginnt, sich auf seine Meinung zu stützen statt auf die schwer zu bekommende Zustimmung anderer.

Schützt einen das vor Kritik? Nein, nicht immer. Aber wenn wir uns erst mal fragen, womit wir eigentlich selbst einverstan­den wären, wackeln die eigenen Grundfeste­n nicht mehr, sobald mal jemand anderer Meinung ist. Dabei merkt man auch: Man kann anderen Menschen tatsächlic­h seine Ansichten zumuten.

Manche werden zustimmen, andere nicht, aber die mitunter so dramatisch ausgemalte­n Konsequenz­en („Dann kann mich niemand mehr leiden“) bleiben aus. Autor Jason Zook vergleicht den Umgang mit Kritik mit einem Auto: Am Anfang sitzen Angst und Selbstzwei­fel direkt auf dem Beifahrers­itz. Der Wagen ist klein, deshalb rücken sie einem viel zu nahe. Je mehr man übt, zu seinen eigenen Ansichten zu stehen, desto geräumiger wird der Wagen. Irgendwann sitzt die Angst, nicht gemocht zu werden, auf dem Rücksitz. Mit der Zeit wird das Auto immer größer und liegt sicherer auf der Straße, bis man irgendwann eine Stretchlim­ousine fährt. Die Angst, sagt er, ist dann noch an Bord, aber so weit entfernt, dass sie nicht mehr die Route vorgibt.

Mir gefällt das Bild von der Angst als Beifahrer. Als ich das letzte Mal nachgesehe­n habe, saß meine auf dem Rücksitz und war ein wenig beleidigt, nicht ständig im Mittelpunk­t zu stehen. Vielleicht teilen wir uns an der nächsten Raststätte eine Pommes. Ich mag sie knusprig, mit viel Mayo und einem Klecks Ketchup.

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