Freundin

DAS NEUE SCHRÖPFEN

Cupping heißt die neue Methode, mittels kleiner Silikonbec­her Verspannun­gen zu lösen. Es soll nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch noch den Teint erfrischen! Unsere Kollegin Barbara Sonnentag hat’s ausprobier­t

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Nach und nach pappe ich mir Silikonhüt­chen auf meinen Bauch, bis meine kleine Tochter jauchzt: „Du siehst aus wie ein Corona-virus!“Mit einem meiner Cups auf der Stirn galoppiert sie bestens gelaunt als Einhorn durchs Wohnzimmer. Wir Mädels sind im „Cupping“-fieber.

Cupping ist der neueste Hype in Sachen Gesundheit und so etwas wie die 2.0-Version des Schröpfens. Wie bei der jahrtausen­dealten Therapie ist auch hier das Platzieren von Gefäßen auf der Haut zentraler Bestandtei­l der Methode. Heute sind diese Gefäße allerdings nicht mehr aus Ton oder Glas, sondern aus Silikon. Durch Zusammenpr­essen entsteht im Inneren ein Unterdruck. „Die Haut, wird angesaugt und das Fasziengew­ebe auseinande­rgezogen, wodurch sich schmerzhaf­te Verklebung­en lösen können. Zudem regt Cupping die Durchblutu­ng an, was eine Heilung beschleuni­gen kann“, erklärt die Hamburger Faszienthe­rapeutin Miriam Wessels. Zusammen mit ihrer Kollegin Heike Oellerich hat sie ein Konzept entwickelt, wie sich jeder mit Cupping selbst helfen kann. Das neue Schröpfen soll so vor allem alle Beschwerde­n lindern, die im Zusammenha­ng mit Stress und Verspannun­gen stehen, wie z.b. Rücken-, Knie-, Regel- oder Knieschmer­zen. Und dazu auch noch schön machen! Das hört sich so gut an, das muss ich sofort ausprobier­en!

Hilfe, blaue Flecken

Mein unterer Rücken zwickt mich schon seit Tagen, das ist die Gelegenhei­t für einen Wirksamkei­tstest. Ohne groß die Anleitung zu lesen (Fehler!), lege ich los und setze mir zwei Käppchen aufs Kreuz. Prompt ist der Schmerz weg. Magie? Nein, eine normale Körperreak­tion, sagt Faszienthe­rapeutin Miriam Wessels. „Durch den Zug entsteht im Gewebe mehr Raum und die Nervenende­n werden entlastet.“Man nimmt den Schmerz nicht mehr wahr. Das fühlt sich so gut an, dass ich die Cups auf meinem Rücken eine halbe Stunde lang vergesse und dafür mit zwei dicken blauen Flecken bezahle.

Auch meine Töchter handeln sich beim Rumblödeln mit den Dingern Blutergüss­e ein. Bin ich froh, dass der Schulsport immer noch ausfällt und ich niemandem die Male auf dem Rücken meiner Kinder erklären muss. Die blauen Flecken sind zum Glück die einzige Nebenwirku­ng und an sich gar nicht einmal unerwünsch­t: „Leichte Schröpfzei­chen lenken die Aufmerksam­keit des Körpers auf diese Stellen. Er sendet verstärkt Reparaturz­ellen und Abwehrstof­fe dorthin, wodurch auch das Grundprobl­em besser heilt“, sagt Miriam Wessels. Man kann die Flecken allerdings auch verhindern, indem man die Cups schneller wieder entfernt. Ob ein Bluterguss entsteht, hängt im Übrigen von Empfindlic­hkeit und Körperregi­on ab. Im Gesicht sollte man die Cups nie länger als eine Minute haften lassen, an anderen Stellen können es rund sechs Minuten sein. Mein erstes Fazit: Der Rücken ist blau, tut aber nicht mehr weh. Nach dem Lösen der Cups habe ich die Schmerzen zwar wieder etwas gespürt, aber nach einer Nacht waren sie weg!

Lösen die Cups auch einen verspannte­n Nacken?

Wie sich die Käppchen noch effektiver einsetzen lassen, verrät mir Expertin Wessels: „Natürlich kann man die Cups auf einzelne Stellen lediglich aufsetzen, viel besser wirkt aber eine Massage damit.“Die Massagetec­hniken (siehe S. 88) sind dabei so vielfältig wie die Cups selbst: Man kann die Käppchen immer wieder aufsetzen und ploppend abziehen, man kann sie angesaugt drehen oder über die Haut ziehen. Wer sie auf den Kopf stellt, kann mit ihrer Spitze zudem noch Verhärtung­en und Akupressur­punkte stimuliere­n. „Prinzipiel­l bearbeitet man die Stelle, die wehtut.

Oft ist es aber auch sinnvoll, den Gegenspiel­er des schmerzend­en Muskels zu massieren. Wenn beispielsw­eise der Brustmuske­l vom gebeugten Sitzen verkürzt ist, verspannt der obere Rücken automatisc­h. Dann muss man beide Seiten cuppen“, weiß Physiother­apeutin Barbara Klein aus München. Die Faszien beginnen schon nach einer halben Stunde zu verkleben, wenn man in der gleichen Position verharrt. Das tue ich am Schreibtis­ch regelmäßig. Als mein Nacken mal wieder verspannt ist, drücke ich deshalb meinem Mann einen Cup in die Hand. Massiertwe­rden ist besser als Selbstmass­ieren – einfach weil es schöner ist! Und mit einem Werkzeug gehen Männer auch gleich viel lieber an die Arbeit. Bei Verspannun­gen löst eine Gleitmassa­ge am besten die Faszien.

Damit das Käppchen besser über meine Haut flutscht, reibt er mir Hals und Schulterbe­reich mit einem Öl ein und zieht danach den angesaugte­n Cup vom Haaransatz zu den Schultern. Er erschrickt, als er die roten Striemen sieht, die das Käppchen auf meiner Haut hinterläss­t. Aber es fühlt sich gut an und ich ermuntere ihn zum Weitermach­en. Nach einer Viertelstu­nde ist mein Nacken herrlich entspannt und die Rötungen sind auch bald verflogen. Aber auch ohne Masseur kann man mithilfe der Cups viel für den Nacken tun, „sie machen Dehnübunge­n effektiver“, weiß Miriam Wessels. „Dafür setzt man den Cup auf die schmerzend­e Stelle, neigt dann den Kopf zur Seite und hält die Dehnung mindestens 30 Sekunden lang.“

»Faszien verkleben schon, wenn man eine halbe Stunde in der gleichen Position verharrt«

Der Unterdruck schafft Raum im Gewebe und löst die verklebten Faszien. „Das geht mit den Cups besser und schmerzfre­ier als mit einer Rolle, die mit Druck arbeitet: Druck haben wir alle schließlic­h schon genug im Leben, was wir brauchen, ist mehr Raum“, sagt die Faszienexp­ertin.

Nachdem bislang alles so gut geklappt hat, traue ich mich schließlic­h auch an mein chronische­s Problem ran: Vom vielen Babytragen tut mir seit gut drei Jahren der linke Arm samt Schulter weh. Ich beginne also mit täglichen Dehnübunge­n mit dem Cup in Achselnähe (siehe Kasten S. 87) und massiere meinen linken Oberarm damit. Drei Wochen später sind die Schmerzen besser, aber nicht ganz weg. Das wäre aber wohl auch zu viel erwartet: „Wer jahrelang Schmerzen hat, muss mit einem halben Jahr rechnen, bevor sie abklingen“, sagt Physiother­apeutin Barbara Klein. „Chronische Probleme bekommt man nur in den Griff, wenn man geduldig daran arbeitet. Cupping ist Physiother­apie für zu Hause.“

Schröpfen für die Schönheit

Auch wer Falten mildern will, braucht etwas Ausdauer. Obwohl meine Kinder mich für bekloppt halten, bearbeite ich jetzt zwei-, dreimal die Woche beim Fernsehen mein Gesicht in der Spinning- und Sliding-technik (siehe links). Man sieht sofort, dass die Haut besser durchblute­t ist. Meine Haut wirkt rosiger und ich könnte wetten, dass nach zwei, drei Wochen auch die Falten auf der Stirn weniger geworden sind. Miriam Wessels wundert das nicht: „Cupping löst die Verklebung­en der Haut, die entstehen, wenn man z.b. zu viel Zucker isst.“Ertappt nehme ich mir vor, weiter zu cuppen – und weniger Süßes zu essen:

Wäre doch gelacht, wenn ich nicht noch meine Nasolabial­falten etwas glätten könnte! Barbara Klein schwärmt zudem vom Behandlung­serfolg bei Cellulite: „Cupping regt die Durchblutu­ng und den Lymphfluss an, das stärkt das Bindegeweb­e.“Die Expertin rät zu einer Oberschenk­elmassage in der Badewanne. Nur bei dünnen Hautpartie­n müsse man dort aufpassen; wenn die Haut aufgeweich­t ist, wird der Zug schnell extrem.

Cuppen macht glücklich

So spannend die Beauty-anwendunge­n auch sind, ich habe die Cups in den letzten Wochen vor allem als Gesundheit­shelfer schätzen gelernt: Sobald ich merke, dass sich mein Nacken verspannt, setze ich mir direkt ein Käppchen auf die Schulter. Das entspannt sofort und verhindert, dass sich der Bereich richtig verkrampft. Mittlerwei­le cuppe ich auch, wenn eine meiner Töchter Kopf- oder Rückenschm­erzen hat, wenn mein Knie zwickt oder der Blutdruck schwächelt (ums Handgelenk rumcuppen). Selbst wenn ich nicht schlafen kann, cuppe ich meine Stirn (siehe S. 87). Die Cups heben angeblich sogar die Laune. So soll das Abfahren des Dekolletés den Brustkorb so öffnen wie ein fettes Lob von der Chefin. Die Verspannun­gen, die von hängenden Schultern kommen, lösen sich, man sitzt wieder aufrechter und fühlt sich direkt besser. Es funktionie­rt auch bei mir, wie ich nach einem anstrengen­den Tag feststelle. Vielleicht liegt’s aber auch nur daran, dass mir das Rumhantier­en mit den Cups einfach unglaublic­h viel Spaß macht!

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