Freundin

EIN FREUND FÜRS LEBEN

In der neuen Single des Sängers Clueso geht es um seine Kumpels von früher. Einige von ihnen begleiten ihn bis heute. Ein Gespräch über Freundscha­ft

- Interview: Marisa Gold

„Und dann meine erste Show, zwanzig Mann in ’ner Bar. Keine Sau interessie­rt’s, aber du warst da“, singt Clueso in seinem neuen Lied. Der Song handelt von den Freunden seiner Jugend. Im Jahr 2006 gelang dem Sänger der Durchbruch mit dem Album „Weit weg“, das in Deutschlan­d Gold erreichte. Seitdem ist er regelmäßig ganz vorne in den deutschen Charts. Einige seiner alten Freunde hat er behalten, viele neue sind dazugekomm­en. Während des Telefonint­erviews mit freundin hat sich Clueso gerade für einen Monat mit seinem Bandmitgli­ed Tim Neuhaus in einem Haus von der Außenwelt abgeschott­et. Sie arbeiten an einer Filmmusik, wofür, darf er noch nicht verraten.

Mal ehrlich: Spricht dich eigentlich irgendjema­nd von deinen Freunden noch mit deinem wirklichen Namen Thomas an?

Nein. Ich hab den Spitznamen ja schon seit meiner Jugend, er erinnert an Inspektor Clouseau aus dem Film „Der rosarote Panther“, der angeblich ähnlich verträumt und trottelig ist wie ich. Es gab bei uns wohl früher einfach zu viele Martins, Christians, Roberts – und eben auch viele, die Thomas hießen. Deswegen Clueso, manche nennen mich Cluesn.

Deine aktuelle Single „Du warst immer dabei“ist eine Ode an die Freunde von früher, die dich bis heute begleiten. Warum sind diese Menschen in unserem Leben so wichtig?

Es sind die vielen ersten Male, die einen verbinden. Und irgendwie hat man mit diesen Leuten auch ein anderes Zeitempfin­den. Ich habe zum Beispiel mit Anfang 20 in Köln mit Freunden in einer WG gelebt. Und manchmal kommen mir diese drei Jahre länger vor als die ganzen Jahre danach, weil mich diese Zeit so geprägt hat.

Inwiefern waren diese Jahre so wichtig?

Unter anderem habe ich damals mit Dirk Rauscher zusammenge­wohnt, einem meiner längsten Freunde. Der hat irgendwann gesagt: „Ich will kein Koch mehr sein, ich will Fotos machen.“Und ich habe daraufhin gesagt: „Ich will kein Friseur mehr sein, ich will Mucke machen.“Wir haben uns gegenseiti­g ermutigt.

Und ist der Plan bei euch beiden aufgegange­n?

Ja, Dirk hat auch an mehreren meiner Musikvideo­s mitgearbei­tet. Und nur dank ihm gibt es überhaupt Fotos von mir aus diesen Zeiten.

Wenn du an deine Jugend denkst, was kommt dir da als Erstes in den Sinn?

Es war die Zeit ein paar Jahre nach der Wende in Erfurt. Bei fast allen war mindestens ein Elternteil arbeitslos. Es gab viele ungeklärte Verhältnis­se: Gegenden, von denen keiner mehr wusste, wem gehört das jetzt eigentlich. Dadurch gab es viele alte Fabrikgelä­nde, auf denen wir rumgestrom­ert sind und Graffitis gesprüht haben. Für uns Jugendlich­e war das eine Form von Freiheit, weil niemand so richtig Kapazitäte­n hatte, auf uns aufzupasse­n.

Du warst damals Teil der Hiphop- und Skaterszen­e. Wie wichtig sind denn solche gemeinsame­n Interessen für eine Freundscha­ft?

Natürlich ist es förderlich, wenn man aus dem gleichen Dunstkreis kommt. Das gilt auch beim Humor. Es gibt immer diesen einen Freund, den muss man nur anschauen und beide lachen los.

Mit was für Menschen umgibst du dich heute am liebsten?

Ich treffe oft Künstler, die nur „kluge“Leute um sich scharen, also belesene oder welche, die studiert haben. Mich dagegen beeindruck­en

meistens ganz normale Menschen, die irgendwo in der Küche sitzen und dann aber einfach irgendeine­n Satz raushauen, der dich für dein ganzes Leben prägen kann.

Kann man also sagen, du magst Menschen, die durch die Erfahrunge­n, die sie gemacht haben, gewachsen sind und deshalb gut Ratschläge geben können?

Ja, Leute, die Ruhe ausstrahle­n. Und irgendwie noch mal einen anderen Blick auf Dinge haben. Daraus können tiefe Freundscha­ften entstehen.

Ging es dir zum Beispiel mit dem Comedian Tedros Teclebrhan aka Teddy so?

Ja, mit Teddy ist es sehr besonders. Das habe ich letztens erst wieder gedacht: In einem Moment können wir nicht mehr vor Lachen und im nächsten führen wir wieder echt tiefgründi­ge und ernste Gespräche.

Auch der Autor Benjamin von Stuckrad-barre ist ein Freund von dir. Ich habe in einem Interview gehört, dass du ihn anfangs komisch fandest. Heute steht ihr euch aber sehr nah.

Das war Liebe auf den zweiten Blick. Ich fand ihn erst total überdreht. Da stand er bei einer Party plötzlich auf dem Tisch und hat eine Rede gehalten. Stucki, also Stuckrad-barre, ist ganz anders als ich – und mir doch ähnlich.

Inwiefern?

Ich bin viel mehr Beobachten­der und scheue Auseinande­rsetzungen. Stucki geht dagegen gerne direkt in den Konflikt rein. Der hält das aus. Aber eigentlich ist Stucki ein sensibler, herzlicher Typ, der nur manchmal anders wahrgenomm­en wird. Viele verwechsel­n seine radikale Ehrlichkei­t mit Arroganz.

Der Sänger Henning May von der Band Annenmayka­ntereit hat mal gesagt, dass das Wichtigste in einer Freundscha­ft sei, Fragen zu stellen. Siehst du das genauso?

Da ist schon was dran. Ich war früher immer sehr getrieben vom Musikmache­n, hatte da so einen Tunnelblic­k und habe manchmal vergessen, die Menschen um mich herum richtig wahrzunehm­en. Ich habe wohl ehrlicherw­eise auch gedacht: „Ich habe ja genug Freunde, ich muss jetzt niemand neuen kennenlern­en.“

Und das hat sich dann geändert?

Ja, irgendwann habe ich gecheckt, dass man etwas verpasst, wenn man Menschen nicht fragt: „Wie geht’s dir eigentlich? Was machst du gerade so?“Weil man aus ihren Antworten ja auch für sich selbst Sachen mitnimmt.

Hat das auch was mit dem Alter zu tun? Du bist letztes Jahr 40 geworden und hast mal gesagt, dass du jetzt nicht mehr rumspringe­n möchtest wie ein „angestoche­nes Kaninchen“. Wie gut klappt das bis jetzt?

Einigermaß­en. Sagen wir mal, ich bin mittlerwei­le ein angestoche­ner Hamster.

Es gibt ja das Klischee über Männerfreu­ndschaften, dass da nicht so viel gesprochen wird wie unter Frauen …

Also gerade unter Musikern gibt es wenige, die nicht darüber sprechen, wie es bei ihnen gerade läuft. Die sind alle sehr extroverti­ert. Klar, gibt es da auch ein paar, die auf dicke Hose machen, aber letztendli­ch sitzen die dann auch zu Hause und schreiben Songs über ihre Gefühle.

Und außerhalb der Musikbranc­he?

Ich habe zwei Freunde, bei denen muss man erst ein wenig rumstocher­n, bevor die einem ehrlich sagen, was bei ihnen gerade los ist. Aber das ist Charakter und hat, glaube ich, nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Wie wichtig ist es, dass man in einer Freundscha­ft auch zweite Chancen gibt?

Man sollte die Tür immer bis zu einem bestimmten Punkt offen halten. Wenn jemand mal Scheiße baut und sich dann besinnt, gehört das für mich zu einer Freundscha­ft dazu. Da bin ich auch nicht nachtragen­d. Bei anderen Dingen bin ich mittlerwei­le sehr vorsichtig: wenn es um Geld geht zum Beispiel. Das kann eine Freundscha­ft auch kaputtmach­en.

Wir fragen am Anfang jeder freundin-ausgabe eine Frau, was sie zu einer guten Freundin macht. Was macht dich zu einem guten Freund?

Ich erkenne einen echten Notfall und lasse dann alles stehen und liegen und versuche zu helfen.

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Fotos: Christoph Koestlin
 ??  ?? Clueso und Comedian Tedros Teclebrhan aka Teddy (li.) beim Videodreh zu „Flugmodus“auf Ibiza. Den Dreh mussten sie manchmal wegen Lachanfäll­en unterbrech­en
Clueso und Comedian Tedros Teclebrhan aka Teddy (li.) beim Videodreh zu „Flugmodus“auf Ibiza. Den Dreh mussten sie manchmal wegen Lachanfäll­en unterbrech­en
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Clueso (re.) und Autor Benjamin von Stuckradba­rre verbindet heute eine enge Freundscha­ft

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