Eigentlich … braucht es wenige Worte , um zu verstehen
In jedem Heft denkt unsere Kolumnistin Constanze Kleis darüber nach, warum es im Leben oft so anders läuft als geplant
… dachte Autorin Constanze Kleis bislang
Zum Beispiel, dass auch mein Mann gern ein Getränk hätte, wenn ich in die Küche gehe, um mir selbst eins zu holen. Oder dass es meine Freundin – frisch von ihrem Mann getrennt – freut, wenn ich ihr helfe, die gemeinsame Wohnung zu entrümpeln. Zumal sie schon sagte, wie es ihr davor graust, das Archiv ihrer geschredderten Beziehung allein ordnen zu müssen. Ich finde überhaupt, dass man allein durch teilnehmende Beobachtung und genaues Hinhören ziemlich gut erfährt, was andere brauchen. Das führt im Umkehrschluss leicht zu der Annahme, dass andere ebenso einfach eins und eins zusammenzählen können. Aber dem ist offenbar nicht so. Stattdessen beherrschen viele, die ich kenne, die erstaunliche Gabe, das völlig Offensichtliche komplett auszublenden. Ja, auch den Anblick einer Frau, die gerade mit einem Berg Aktenordner schwankend den Flur entlangkommt und sicher nicht in der Lage sein wird, so die Tür zum Arbeitszimmer zu öffnen, um die Steuer zu machen. Es sei denn, ihr wächst ein dritter Arm. „Warum hast du nichts gesagt?“, fragte mein Mann entgeistert, als ich mich über seine Nicht-hilfe beschwerte.
Ja, warum eigentlich sagt man nichts? Vielleicht, weil man denkt, es könne die Intelligenz des anderen beleidigen, wenn man ihm nicht mal die Lösung von Bilderrätseln zutraut, die selbst einen Dreijährigen unterfordern würden? Wenn man ihm unterstellt, er würde einen Handlungsbedarf nicht mal dann erkennen, wenn er ihm auf den Kopf fällt? Sind es mal wieder vor allem wir Frauen, die dieser süßen und – wie wir finden – enorm romantischen Idee nachhängen, dass Männer austrainierte Gedankenleser (Situationsleser würde schon reichen) sind und von der Schöpfung gleichermaßen serienmäßig mit der Gabe der Einfühlung ausgestattet wurden? Ja, wir halten es sogar für ein untrügliches Zeichen der Liebe, wenn da einer erspürt, was gerade nötig, gewünscht oder eben unerwünscht ist.
So weit die Theorie. In der Praxis jedoch zeigt sich, dass nicht nur wir zu viel Gedankenlesen erwarten und zu wenig sprechen. Ich jedenfalls musste kürzlich auch entsetzt fragen: „Warum hast du nichts gesagt?“, als ich das Paar Handschuhe in unserem Briefkasten fand, das ich meinem Mann zuvor noch zugesteckt hatte, als er zu einem Fahrradausflug aufbrach. „Du bist immer so überfürsorglich. Ich wollte keinen Krach riskieren“, antwortete er. Am Ende ist es wie in der Geschichte von dem Paar, das sich jeden Morgen gegenseitig die Brötchenhälften hinlegt. Wenn er die Brötchen schneidet, gibt er ihr die obere Hälfte, wenn sie die Brötchen schneidet, erhält er immer die untere Hälfte. So geht das jahrelang, bis sie ihm bei einem Streit eines Tages wutentbrannt die obere Hälfte hinwirft und ihn anbrüllt: „Ich will endlich die untere Seite haben, denn die esse ich am liebsten.“Er schreit zurück: „Und ich esse lieber die obere Hälfte, habe aber gedacht, du magst sie am liebsten!“Ja, hätten die beiden nur etwas gesagt. „Bringst du mir auch ein Glas Wein mit und wenn du schon in der Küche bist, machst du mir auch noch ein Brot?!“, frage ich meinen Mann, als er sich vom Sofa erhebt. „Du willst doch sicher nicht, dass da unausgesprochene Erwartungen zwischen uns stehen.“