Der Zauber der Seidenstraße
Ein Trip durchs magische Usbekistan
Schon als Kind träumte Redakteurin Ulrike Schädlich von Städten wie Buchara und Samarkand. Dann begab sie sich zusammen mit ihrer Schwester auf einen Trip durchs ferne Usbekistan. Und entdeckte dort, in der Mitte Zentralasiens, ein Land wie aus einem Märchen
Bin ich im Märchenland angekommen? Das Gold der untergehenden Sonne taucht die riesigen smaragd- und türkisfarbenen Kuppeln der Koranschulen in funkelndes Licht, schlanke Minarette bohren sich in den Abendhimmel. Eine Szenerie wie aus Tausendundeiner Nacht. Klingt nicht allein der Name dieser Stadt – Samarkand – verheißungsvoll, nach Orient und fremden Genüssen? Man möchte glatt mit dem Teppich durch die Nacht gleiten wie Aladin. Aber ob so ein Teppich 6000 Kilometer schafft? So weit weg liegt Usbekistan von der Heimat entfernt, es ist eine Reise tief ins Herz Zentralasiens. Nach Samarkand, Buchara, den prächtigen Handelsstädten entlang der uralten Seidenstraße, zwischen Wüsten und himmelhohen Bergen.
Manchmal erfüllen sich Kinderträume. Als kleines Mädchen sah ich zum ersten Mal die Bilder des alten Samarkand, diese Gebäude mit den verschlungenen Mustern, seitdem träumte ich davon. Und meine Schwester, die mich jetzt begleitet, ebenso. Aufgewachsen in der DDR, gab es für uns an exotischen Reisezielen nicht viel Auswahl. Usbekistan, damals Sowjetunion, lag zumindest » theoretisch im Reich des Machbaren. Inzwischen
ist das Land längst unabhängig. Wird autokratisch regiert, aber nach einem Wechsel an der Spitze öffnet es sich. Keine Visumspflicht mehr, Euro wird überall gern genommen, das WLAN in den Hotels ist teilweise stabiler als in meinem Wohnzimmer. Und sicher bewegen lässt es sich in dem muslimisch geprägten Land allemal, auch als Frau. Wir sind mit Fahrer und Reiseleiterin unterwegs – aus Bequemlichkeit, nicht aus Angst. Die Menschen sind gastfreundlich, aber nie aufdringlich, die Frauen wirken recht selbstbewusst – auch das, so unsere Vermutung, ein Erbe der Sowjetunion.
Samarkand: Schönheit in Grüntürkis
„Sdráwstwujte“, plaudert meine Schwester auch gleich mit unserem Fahrer Igor, einem Russen. Als ehemalige Lehrerin beherrscht sie das Idiom noch recht flüssig. Die russische Sprache ist in dem Vielvölkerstaat neben (dem lateinisch geschriebenen) Usbekisch immer noch sehr
geläufig. Vorerst kann der Mann aber nicht mit uns schwatzen, er muss sich auf die Straße konzentrieren. Igor scheint jedes Schlagloch zwischen unserem Ankunftsort, der Hauptstadt Taschkent, und Samarkand zu kennen, teilweise muss er aus voller Fahrt auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen, damit wir nicht mit den Köpfen gegen die Autodecke knallen. Dafür weiß Reiseleiterin Viktoria
»Der Registan-platz in Samarkand. Ein Ort wie ein Paukenschlag.«
genau, wo man die besten bestickten Taschen kaufen und welche Toiletten man unterwegs wirklich benutzen kann. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die zählen.
Und manchmal sind es die großen. Wie der Registanplatz in Samarkand. Ein Ort wie ein Paukenschlag. Babam! Unesco-weltkulturerbe. Man kann es auch so sagen: „Der Abendländer denke sich einen Platz, dreiseits bepflanzt mit den gotischen Kathedralen von Reims, Bourges und Köln. Mehr geht nicht“, schrieb treffend mal ein Reiseautor. Drei hochhaushohe Medresen (das ist die arabische Bezeichnung für Koranschulen) umrahmen den Platz wie riesige Portale, ich stehe da, staune und staune. Über die Größe, die Schönheit, die Arabesken, Mosaike, Bandmuster und grüntürkisen Farben, bis mir die Augen flimmern. Verpasse die Hälfte von dem, was Viktoria uns über die jahrhundertealten Gebäude erzählt. Merke mir aber, dass die Muster an den Wänden, die für mich mal nach Knoten, mal nach U-bahn-fahrplänen aussehen, stilisierte arabische Schriftzeichen sind, die Allah preisen.
Heilige Orte, die einem den Mund offen stehen lassen, hat Samarkand mehr als genug. Die riesige Kuppel der Bibi-chanum-moschee, gewidmet der (angeblich untreuen) Lieblingsfrau des legendären Herrschers Timur. Oder die Totenstadt Shohizinda, »
deren Abertausende
»Auch kulinarisch ist Usbekistan eine Entdeckung. Wir verfallen den gefüllten Somsa-teigtaschen, lieben die Nudelsuppe Lagman«
Majolika-mosaikfliesen in der Morgensonne wie Juwelen funkeln. Die Nekropolen-prachtstraße hoch über der Stadt erinnert mich ein wenig an das antike Ischtar-tor von Babylon, das in Berlin ausgestellt ist. So weit hergeholt ist das gar nicht: Die Seidenstraße in der Antike führte vielleicht sogar von China über Mesopotamien. Zumindest über Persien bis zum Mittelmeer.
Buchara: Zeit der Basare
Sogar Alexander der Große kam hier entlang, angeblich war seine Ehefrau Roxane eine Einheimische. Später, im Mittelalter, war das heutige Usbekistan, damals Teil des Reichs Choresm, ein Hort der Wissenschaft. Und hiesige muslimische Gelehrte schafften es bis in unseren Sprachgebrauch. Schon mal etwas von Al-chwarizmi gehört, der die Null ins arabische Ziffersystem einführte? Bestimmt nicht, aber das Wort „Algorithmus“, das sich aus seinem Namen ableitet, ist uns allen vertraut. Auch der Arzt Ibn Sina (kennt man aus „Der Medicus“, im Film gespielt von Ben Kingsley) stammte ursprünglich aus Buchara, der legendären Karawanserei-stadt am Rande der Wüste (P.S.: Karawanserei nennt man die ummauerten Herbergen an Karawanenstraßen).
Stockdunkel ist es in Buchara. So dunkel, dass man sich in die Zeit von Ibn Sina zurückversetzt fühlt. Die Zeitreise hat einen profanen Grund: In der gesamten Altstadt ist der Strom ausgefallen. Liegt wahrscheinlich an den umfangreichen Renovierungsarbeiten, die hier überall stattfinden. Ob unser Abendessen gar wird? Wir sind beim Miniaturmaler Davlat zum Plov-essen eingeladen. Plov, ein würziger Schmortopf aus Reis, Fleisch, Quitten, Kichererbsen, ist das usbekische Nationalgericht. Das dank Gaskocher butterweich auf unseren von Kerzenlicht bestrahlten Tellern landet. Auch kulinarisch ist Usbekistan eine Entdeckung. An den Kreuzungen der Handelswege mischten sich persische, türkische und tatarische Küche. Meine Schwester und ich verfallen den gefüllten Teigtaschen » namens Somsa, beide lieben wir die deftige
Nudelsuppe Lagman. Aber am meisten stehen wir auf die saftigen Rosinen, gezuckerten Erdnüsse und leckeren Aprikosenkerne, bei denen uns Igor zeigt, wie man sie richtig aufknackt (Nicht nachmachen! Ist eine andere Sorte als in Europa). Abends, in unserem stimmungsvollen Hotel „Minzifa“, naschen wir auf einem Taptschan, einem typisch usbekischen Tagesbett, die Knabbereien weg. Und überlegen dabei, dass sich das kunstvoll geschnitzte Holzgestell auch in europäischen Gärten gut machen würde. Ab ins Sperrgepäck?
Schließlich gelangen noch jede Menge andere Dinge in unsere Koffer. Denn die usbekischen Städte, vor allem Buchara mit seinem sandfarbenen Altstadtkuppellabyrinth, sind nicht nur Freiluftmuseen für Historienfans. Sondern auch Shoppingparadiese. Da hat sich in tausend Jahren nicht viel geändert. Wo früher Händlergewimmel in den Karawansereien und Basaren herrschte, bekommen wir heute nicht genug von zart getupften Seidengewändern, bestickten Schals, Silberschmuck und Holzarbeiten. Richtig gute Handwerkskunst, null Plastik. Ich verliebe mich in Stoffe mit Granatapfelstickerei, meine Schwester in Keramikschalen mit BaumwollblütenMuster. Und weil so viel glückliches Shopping albern macht, singen wir am Ende des Tages „Die Karawane zieht weiter, der Sultan hat Durst“. Unsere Minikarawane zieht ja auch weiter, mit dem Schnellzug in die Hauptstadt Taschkent.
Taschkent lässt einen aus der Vergangenheit aufwachen. Die Hauptstadt wirkt quirlig, postsowjetisch mit ihren Boulevards, spektakulären Metrostationen und ihrer Brutalismusbetonarchitektur. Abends genießen wir noch mal ein Festessen, diesmal auf Georgisch, sehr angesagt in Taschkent. Und träumen bei eingelegten Feigen und georgischem Grappa weiter. Wie wäre es mit einer Wandertour durchs Tianshangebirge? Und das uralte Chiwa sollten wir auch besuchen. Nicht zu vergessen die Wüste! Dieses Märchenland im Fernen Osten, es hat für uns seine Pforten geöffnet. Dahinter warten noch viele Schätze.