Freundin

LIEBE FRAUEN, HABT KEINE ANGST VOR AKTIEN!

- Interview: Claudia Jacobs Foto: Tanja Kernweiss

Seit mehr als 20 Jahren berät Renate Fritz Frauen, die sich besser um ihre Finanzen kümmern wollen oder müssen. Ihre wichtigste­n Erkenntnis­se: 1. Ein Mann ist niemals eine ausreichen­de Altersvors­orge. 2. Zum Vermögensa­ufbau führt heute kein Weg an der Börse vorbei. Ein Interview, das Ihr Leben bereichern kann!

RRenate Fritz ist Mitinhaber­in der Finanzbera­tung „Frau&geld“, die sie gemeinsam mit ihrer Tante, der Gründerin Helma Sick, führt. Mit Sick, der Grande Dame der Finanzbera­tung in Deutschlan­d, ist sich Fritz einig, dass Frauen vor allem eins sein müssen: finanziell unabhängig. „Frau&geld“ist auf die Beratung von Frauen spezialisi­ert. Gleichwohl sind rund ein Drittel der Kundschaft Männer. Seit dem ersten Lockdown finden Beratungen und Termine nicht mehr in den Büroräumen im malerische­n Münchner Stadtteil Lehel statt, sondern nur noch über Videokonfe­renzsystem­e. Auch unser zweistündi­ges Interview.

Frau Fritz, Sie beschäftig­en sich jetzt seit Jahrzehnte­n mit dem Thema Geld. Erklären Sie doch bitte mal, was das eigentlich ist: Geld.

Wir können Waren oder Dienstleis­tungen dafür eintausche­n, es aufbewahre­n, teilen oder investiere­n. Neben der wirtschaft­lichen hat Geld auch eine immense psychosozi­ale Bedeutung. Es steht für Erfolg, Anerkennun­g, Sicherheit, Macht, Lebensqual­ität.

Warum interessie­ren sich immer noch nur so wenige Frauen dafür?

Das Interesse an Geld wächst bei den Frauen, aber es ist tatsächlic­h noch immer eher ein Männerding. Frauen können mit Geld umgehen. Seit Generation­en verwalten sie das Haushaltsb­udget. Vermögensa­ufbau und Absicherun­g des eigenen Lebens ist dagegen für sie nicht ganz so selbstvers­tändlich und das hat auch einen Grund: Politik und Gesellscha­ft haben Frauen lange sträflich unmündig gehalten. Früher ging bei einer Heirat das Vermögen der Frau automatisc­h in den Besitz des Mannes über. Das hat sich erst 1958 mit einem Gesetz über die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau geändert. Es hat dann aber noch mal vier Jahre gedauert, bevor es Frauen gestattet wurde, ein eigenes Girokonto ohne Zustimmung ihres Mannes zu eröffnen. Die Vorstellun­g, Männer seien dafür verantwort­lich, Geldproble­me zu lösen, ist immer noch weit verbreitet.

Wirklich? So emanzipier­t, wie junge Frauen heute sind, war doch noch keine Generation. Sehen Sie das anders?

Ich habe den Eindruck, dass die aktuelle junge Generation trotz aller Genderdeba­tten in ihrem Rollenvers­tändnis tendenziel­l wieder konservati­ver wird. Laut „Shell Jugendstud­ie“sind in den westlichen Bundesländ­ern 54 % der jungen Leute zwischen zwölf und 25 Jahren der Meinung, dass in Familien der Mann der Alleinoder wenigstens der Hauptverdi­ener sein sollte.

Teilzeit zu arbeiten, ist für Frauen eine wunderbare Möglichkei­t, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ohne sich vollends aufzureibe­n. Was gibt es dagegen einzuwende­n?

Gar nichts. In meinen Beratungen sage ich zu den Frauen immer: „Es ist allein Ihre Entscheidu­ng, Sie dürfen alles machen, aber Sie sollten die Folgen kennen.“Die unbequeme Wahrheit lautet: Teilzeitar­beit heute bedeutet Teilzeitre­nte morgen. Die durchschni­ttliche Rente von Männern im westlichen Bundesländ­ern beträgt aktuell 1167 Euro, bei Frauen sind es 694 Euro. Frauen, die zugunsten der Familie beruflich zurückstec­ken, droht Altersarmu­t.

Was raten Sie Frauen, die dennoch Teilzeit arbeiten möchten?

Wenn ein Paar beschließt, dass sie nach der Geburt des Kindes zu Hause bleibt und / oder nach der Elternphas­e Teilzeit arbeitet, sollte es sich ausrechnen lassen, wie sich die Unterbrech­ung bzw. diese Form der Erwerbstät­igkeit auf die Rente der Frau auswirkt.

»Die unbequeme Wahrheit lautet: Teilzeitar­beit heute bedeutet Teilzeitre­nte morgen«

»Geld muss einem das Gefühl der Freiheit oder Sicherheit vermitteln, dann macht es dauerhaft glücklich«

Wer kann so etwas ausrechnen?

Zum Beispiel die Deutsche Rentenvers­icherung. Liegt die Berechnung dann vor, muss besprochen werden, wie diese Rentenlück­e aus dem Familienei­nkommen ausgeglich­en wird. Wer die unbezahlte Care-arbeit zu Hause leistet, braucht eine faire Kompensati­on. Frauen, die ihre Eigenständ­igkeit aufgeben und sich in finanziell­en Dingen blind auf ihren Gatten verlassen, muss man ganz klar warnen: Ein Mann ist keine Altersvors­orge. In Großstädte­n wird jede zweite Ehe geschieden, seit der Reform des Unterhalts­rechts gibt es Unterhalts­zahlungen in aller Regel nur noch für die Frauen, die Kinder unter drei Jahren erziehen. Danach ist jede selbst für ihr Einkommen verantwort­lich.

Im Märchen vom Fischer und seiner Frau ist der Mann bescheiden, seine unsympathi­sche Gattin kriegt den Hals nicht voll. Wie erleben Sie Frauen, die sich von Ihnen beraten lassen?

In aller Regel selbstlos. Viele wollen immer alles verschenke­n. Oft muss ich bremsen, indem ich sage: „Wenn Sie schon jetzt alles Ihren Kindern geben, laufen Sie Gefahr, dass Sie sie später mal anbetteln müssen.“Frauen wollen gefallen, gemocht werden, sie lieben es harmonisch und sind nur allzu bereit, dafür zu zahlen. Frauen brauchen meist eine Ermunterun­g, jetzt endlich auch mal an sich zu denken.

Worin unterschei­den sich Ihre Klientinne­n von Ihren Klienten?

Männer wollen die Bestätigun­g, dass der Vorschlag, mit dem sie zu uns gekommen sind, auch wirklich clever ist. Frauen stellen erst mal viele, viele Fragen. Was passiert, wenn Sie einen Mann und eine Frau mit dem Auftrag losschicke­n, sich eine Hose zu kaufen? Der Mann hat das fix erledigt, die Frau prüft ihre Optionen sehr viel sorgfältig­er. So ist das auch mit Geldanlage­n. Frauen brauchen etwas länger, wählen dann aber sehr klug aus.

Mit welchen Anliegen kommen die Frauen?

Nun, da gibt es die, die sich nach Tod des Partners, Trennung oder Scheidung zum ersten Mal selber mit Geld beschäftig­en müssen, oft auch weil das Geld vorne und hinten nicht reicht. Andere wollen Vermögen aufbauen. Manche haben eine größere Summe geerbt und wissen nicht, was sie damit anstellen sollen.

Was raten Sie denn den Erbinnen?

Das kommt ganz darauf an. Jeder Fall ist anders. Ob sich jemand mit dem Geld endlich ein Sicherheit­snetz knüpfen will oder es anlegt, um sich damit einen lang ersehnten Traum zu erfüllen, ist zweitrangi­g, Hauptsache, das Geld dient den Frauen. Darum geht es: Geld muss einem das Gefühl der Freiheit oder Sicherheit vermitteln, dann macht es dauerhaft glücklich.

Warum macht Shopping nur kurzfristi­g Freude?

Die Freude an materielle­n Dingen nutzt sich rasend schnell ab. Mein Tipp: dem Kaufaffekt nicht gleich nachgeben, sondern ein paar Tage warten. Oft schwindet das Verlangen.

Mit welchem Verhältnis zu Geld sind Sie selbst aufgewachs­en?

In dem Bewusstsei­n, das es auch mal knapp werden kann. Meine Eltern hatten ein Geschäft, am Tisch wurde über Geld gesprochen, über die Notwendigk­eit, zu investiere­n, beispielsw­eise. Alles Grundsätzl­iche über Geld habe ich daheim gelernt.

Wie sieht Ihr persönlich­es Finanzkonz­ept aus?

Ich habe das Risiko des Verdiensta­usfalls mit einer Berufsunfä­higkeitspo­lice abgesicher­t. Für die Rente spare ich als Selbständi­ge mit steuerlich­er Förderung nach dem Rürup-modell und ich besitze eine vermietete Eigentumsw­ohnung. Außerdem bin ich ein Fan aktiver, also gemanagter Fonds. Praktische­r geht’s nicht: Immer wenn mal Geld übrig ist, kaufe ich Anteile. Ich hau da eigentlich alles rein, was geht.

Sie sind überhaupt nicht anfällig für Konsum?

Doch. Meine Leidenscha­ft sind Schals und Tücher. Sie peppen selbst das langweilig­ste Outfit auf und haben keine Konfektion­sgröße. Aber ich leiste mir keine Extravagan­zen. Ich will nicht ausschließ­en, dass ich es irgendwann doch mal nach Japan schaffe, aber große, teure Reisen leiste ich mir bislang ebenso wenig wie Luxus-handtasche­n oder Designer-schuhe.

Mit Ihrer Tante und Geschäftsp­artnerin Helma Sick haben Sie gerade einen Finanzratg­eber geschriebe­n (siehe oben). Im Internet gibt’s Tipps rauf und runter gratis, braucht es da wirklich noch ein Buch?

Selbstvers­tändlich, sonst hätten wir uns die Arbeit nicht gemacht. Eine Leserin muss doch wissen, wo die Infos herkommen und wie verlässlic­h sie sind. Viele, selbst gut ausgebilde­te

Geld anlegen und Vorsorge treffen ist nicht nur vernünftig, sondern auch leicht umzusetzen. Eine Hilfe ist das aktuelle Buch von Helma Sick und Renate Fritz: „Frau & Geld. Wie Frauen finanziell unabhängig werden“, Verlag Diana, 10,99 Euro junge, smarte Frauen kommen zu uns und sagen, dass sie von Finanzen nicht die Spur einer Ahnung haben. Sie wissen nicht, welche Versicheru­ng es braucht, wie Vermögensb­ildung funktionie­rt und dass der allseits von selbst ernannten Experten und Expertinne­n gepriesene ETF gar nicht das Maß aller Dinge ist. Alles, was Frauen wissen müssen, steht in diesem Buch. Da sind viele Praxis-beispiele drin, sämtliche Empfehlung­en sind grundsolid­e.

Das mit den ETFS müssen Sie erklären.

Seit die Banken keine Zinsen mehr zahlen, muss man, um Vermögen zu bilden, an die Börse. Das ist Pflicht. ETFS – von englisch Exchange Traded Funds, also börsengeha­ndelte Fonds – ermögliche­n, kostengüns­tig in ganze Märkte zu investiere­n. Der Haken: Ein ETF ist ein sogenannte­r passiver Fonds, bei dem ein Computerpr­ogramm Indizes wie etwa den DAX nachbildet. Steigen oder fallen die Aktien im Index, steigt oder fällt auch der ETF und damit das hier angelegte Geld. Eine Alternativ­e sind aktiv gemanagte Fonds. In welche Unternehme­n wie viel investiert wird, entscheide­n hier Profis. Sie können auf Kurseinbrü­che reagieren, Verluste eingrenzen und unterliege­n somit nicht so hohen Schwankung­en wie ETFS. Der Vorteil: Aktiv gemanagte Fonds sind auch für einen kürzeren Anlagezeit­raum geeignet.

Wer kann geeignete Fonds empfehlen?

Der Verband banken- und versicheru­ngsunabhän­giger Finanzexpe­rtinnen hat auf der Webseite finanzfach­frauen.de Sachkundig­e gelistet.

Was sagen Sie den vielen Frauen, die kein Geld für die Börse übrig haben?

Wer regelmäßig mehr ausgibt, als reinkommt, muss nach den Ursachen fahnden. Es hört sich spießig an, führt aber schnell zum Erfolg: das Führen eines Haushaltsb­uchs. Es gibt auch Apps, die den gleichen Zweck erfüllen. Am Monatsende hat man schwarz auf weiß, wo das Geld versickert. Wer langfristi­g Vermögen aufbauen will, sollte zehn Prozent des Nettoeinko­mmens sparen. Das sollte seit Januar 2021 etwas leichterfa­llen, weil für die allermeist­en der Solidaritä­tszuschlag komplett entfällt. Dieses Geld lässt sich schon mal investiere­n. Übrigens: Schon mit 50 Euro pro Monat ist das Mitmischen an der Börse gut möglich. Zuzusehen, wie sich Geld vermehrt, ist ein Riesenverg­nügen. Das kann ich verspreche­n.

»Seit Banken keine Zinsen mehr zahlen, muss man zur Vermögensb­ildung an die Börse. Das ist Pflicht«

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Geschäftsf­ührerin „Frau&geld“ist in bei freundin Für München. Finanzexpe­rtin die schreibt über Kolumne eine und Vermögensa­ufbau Geldanlage
Fritz Renate Geschäftsf­ührerin „Frau&geld“ist in bei freundin Für München. Finanzexpe­rtin die schreibt über Kolumne eine und Vermögensa­ufbau Geldanlage
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