LIEBE FRAUEN, HABT KEINE ANGST VOR AKTIEN!
Seit mehr als 20 Jahren berät Renate Fritz Frauen, die sich besser um ihre Finanzen kümmern wollen oder müssen. Ihre wichtigsten Erkenntnisse: 1. Ein Mann ist niemals eine ausreichende Altersvorsorge. 2. Zum Vermögensaufbau führt heute kein Weg an der Börse vorbei. Ein Interview, das Ihr Leben bereichern kann!
RRenate Fritz ist Mitinhaberin der Finanzberatung „Frau&geld“, die sie gemeinsam mit ihrer Tante, der Gründerin Helma Sick, führt. Mit Sick, der Grande Dame der Finanzberatung in Deutschland, ist sich Fritz einig, dass Frauen vor allem eins sein müssen: finanziell unabhängig. „Frau&geld“ist auf die Beratung von Frauen spezialisiert. Gleichwohl sind rund ein Drittel der Kundschaft Männer. Seit dem ersten Lockdown finden Beratungen und Termine nicht mehr in den Büroräumen im malerischen Münchner Stadtteil Lehel statt, sondern nur noch über Videokonferenzsysteme. Auch unser zweistündiges Interview.
Frau Fritz, Sie beschäftigen sich jetzt seit Jahrzehnten mit dem Thema Geld. Erklären Sie doch bitte mal, was das eigentlich ist: Geld.
Wir können Waren oder Dienstleistungen dafür eintauschen, es aufbewahren, teilen oder investieren. Neben der wirtschaftlichen hat Geld auch eine immense psychosoziale Bedeutung. Es steht für Erfolg, Anerkennung, Sicherheit, Macht, Lebensqualität.
Warum interessieren sich immer noch nur so wenige Frauen dafür?
Das Interesse an Geld wächst bei den Frauen, aber es ist tatsächlich noch immer eher ein Männerding. Frauen können mit Geld umgehen. Seit Generationen verwalten sie das Haushaltsbudget. Vermögensaufbau und Absicherung des eigenen Lebens ist dagegen für sie nicht ganz so selbstverständlich und das hat auch einen Grund: Politik und Gesellschaft haben Frauen lange sträflich unmündig gehalten. Früher ging bei einer Heirat das Vermögen der Frau automatisch in den Besitz des Mannes über. Das hat sich erst 1958 mit einem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau geändert. Es hat dann aber noch mal vier Jahre gedauert, bevor es Frauen gestattet wurde, ein eigenes Girokonto ohne Zustimmung ihres Mannes zu eröffnen. Die Vorstellung, Männer seien dafür verantwortlich, Geldprobleme zu lösen, ist immer noch weit verbreitet.
Wirklich? So emanzipiert, wie junge Frauen heute sind, war doch noch keine Generation. Sehen Sie das anders?
Ich habe den Eindruck, dass die aktuelle junge Generation trotz aller Genderdebatten in ihrem Rollenverständnis tendenziell wieder konservativer wird. Laut „Shell Jugendstudie“sind in den westlichen Bundesländern 54 % der jungen Leute zwischen zwölf und 25 Jahren der Meinung, dass in Familien der Mann der Alleinoder wenigstens der Hauptverdiener sein sollte.
Teilzeit zu arbeiten, ist für Frauen eine wunderbare Möglichkeit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ohne sich vollends aufzureiben. Was gibt es dagegen einzuwenden?
Gar nichts. In meinen Beratungen sage ich zu den Frauen immer: „Es ist allein Ihre Entscheidung, Sie dürfen alles machen, aber Sie sollten die Folgen kennen.“Die unbequeme Wahrheit lautet: Teilzeitarbeit heute bedeutet Teilzeitrente morgen. Die durchschnittliche Rente von Männern im westlichen Bundesländern beträgt aktuell 1167 Euro, bei Frauen sind es 694 Euro. Frauen, die zugunsten der Familie beruflich zurückstecken, droht Altersarmut.
Was raten Sie Frauen, die dennoch Teilzeit arbeiten möchten?
Wenn ein Paar beschließt, dass sie nach der Geburt des Kindes zu Hause bleibt und / oder nach der Elternphase Teilzeit arbeitet, sollte es sich ausrechnen lassen, wie sich die Unterbrechung bzw. diese Form der Erwerbstätigkeit auf die Rente der Frau auswirkt.
»Die unbequeme Wahrheit lautet: Teilzeitarbeit heute bedeutet Teilzeitrente morgen«
»Geld muss einem das Gefühl der Freiheit oder Sicherheit vermitteln, dann macht es dauerhaft glücklich«
Wer kann so etwas ausrechnen?
Zum Beispiel die Deutsche Rentenversicherung. Liegt die Berechnung dann vor, muss besprochen werden, wie diese Rentenlücke aus dem Familieneinkommen ausgeglichen wird. Wer die unbezahlte Care-arbeit zu Hause leistet, braucht eine faire Kompensation. Frauen, die ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich in finanziellen Dingen blind auf ihren Gatten verlassen, muss man ganz klar warnen: Ein Mann ist keine Altersvorsorge. In Großstädten wird jede zweite Ehe geschieden, seit der Reform des Unterhaltsrechts gibt es Unterhaltszahlungen in aller Regel nur noch für die Frauen, die Kinder unter drei Jahren erziehen. Danach ist jede selbst für ihr Einkommen verantwortlich.
Im Märchen vom Fischer und seiner Frau ist der Mann bescheiden, seine unsympathische Gattin kriegt den Hals nicht voll. Wie erleben Sie Frauen, die sich von Ihnen beraten lassen?
In aller Regel selbstlos. Viele wollen immer alles verschenken. Oft muss ich bremsen, indem ich sage: „Wenn Sie schon jetzt alles Ihren Kindern geben, laufen Sie Gefahr, dass Sie sie später mal anbetteln müssen.“Frauen wollen gefallen, gemocht werden, sie lieben es harmonisch und sind nur allzu bereit, dafür zu zahlen. Frauen brauchen meist eine Ermunterung, jetzt endlich auch mal an sich zu denken.
Worin unterscheiden sich Ihre Klientinnen von Ihren Klienten?
Männer wollen die Bestätigung, dass der Vorschlag, mit dem sie zu uns gekommen sind, auch wirklich clever ist. Frauen stellen erst mal viele, viele Fragen. Was passiert, wenn Sie einen Mann und eine Frau mit dem Auftrag losschicken, sich eine Hose zu kaufen? Der Mann hat das fix erledigt, die Frau prüft ihre Optionen sehr viel sorgfältiger. So ist das auch mit Geldanlagen. Frauen brauchen etwas länger, wählen dann aber sehr klug aus.
Mit welchen Anliegen kommen die Frauen?
Nun, da gibt es die, die sich nach Tod des Partners, Trennung oder Scheidung zum ersten Mal selber mit Geld beschäftigen müssen, oft auch weil das Geld vorne und hinten nicht reicht. Andere wollen Vermögen aufbauen. Manche haben eine größere Summe geerbt und wissen nicht, was sie damit anstellen sollen.
Was raten Sie denn den Erbinnen?
Das kommt ganz darauf an. Jeder Fall ist anders. Ob sich jemand mit dem Geld endlich ein Sicherheitsnetz knüpfen will oder es anlegt, um sich damit einen lang ersehnten Traum zu erfüllen, ist zweitrangig, Hauptsache, das Geld dient den Frauen. Darum geht es: Geld muss einem das Gefühl der Freiheit oder Sicherheit vermitteln, dann macht es dauerhaft glücklich.
Warum macht Shopping nur kurzfristig Freude?
Die Freude an materiellen Dingen nutzt sich rasend schnell ab. Mein Tipp: dem Kaufaffekt nicht gleich nachgeben, sondern ein paar Tage warten. Oft schwindet das Verlangen.
Mit welchem Verhältnis zu Geld sind Sie selbst aufgewachsen?
In dem Bewusstsein, das es auch mal knapp werden kann. Meine Eltern hatten ein Geschäft, am Tisch wurde über Geld gesprochen, über die Notwendigkeit, zu investieren, beispielsweise. Alles Grundsätzliche über Geld habe ich daheim gelernt.
Wie sieht Ihr persönliches Finanzkonzept aus?
Ich habe das Risiko des Verdienstausfalls mit einer Berufsunfähigkeitspolice abgesichert. Für die Rente spare ich als Selbständige mit steuerlicher Förderung nach dem Rürup-modell und ich besitze eine vermietete Eigentumswohnung. Außerdem bin ich ein Fan aktiver, also gemanagter Fonds. Praktischer geht’s nicht: Immer wenn mal Geld übrig ist, kaufe ich Anteile. Ich hau da eigentlich alles rein, was geht.
Sie sind überhaupt nicht anfällig für Konsum?
Doch. Meine Leidenschaft sind Schals und Tücher. Sie peppen selbst das langweiligste Outfit auf und haben keine Konfektionsgröße. Aber ich leiste mir keine Extravaganzen. Ich will nicht ausschließen, dass ich es irgendwann doch mal nach Japan schaffe, aber große, teure Reisen leiste ich mir bislang ebenso wenig wie Luxus-handtaschen oder Designer-schuhe.
Mit Ihrer Tante und Geschäftspartnerin Helma Sick haben Sie gerade einen Finanzratgeber geschrieben (siehe oben). Im Internet gibt’s Tipps rauf und runter gratis, braucht es da wirklich noch ein Buch?
Selbstverständlich, sonst hätten wir uns die Arbeit nicht gemacht. Eine Leserin muss doch wissen, wo die Infos herkommen und wie verlässlich sie sind. Viele, selbst gut ausgebildete
Geld anlegen und Vorsorge treffen ist nicht nur vernünftig, sondern auch leicht umzusetzen. Eine Hilfe ist das aktuelle Buch von Helma Sick und Renate Fritz: „Frau & Geld. Wie Frauen finanziell unabhängig werden“, Verlag Diana, 10,99 Euro junge, smarte Frauen kommen zu uns und sagen, dass sie von Finanzen nicht die Spur einer Ahnung haben. Sie wissen nicht, welche Versicherung es braucht, wie Vermögensbildung funktioniert und dass der allseits von selbst ernannten Experten und Expertinnen gepriesene ETF gar nicht das Maß aller Dinge ist. Alles, was Frauen wissen müssen, steht in diesem Buch. Da sind viele Praxis-beispiele drin, sämtliche Empfehlungen sind grundsolide.
Das mit den ETFS müssen Sie erklären.
Seit die Banken keine Zinsen mehr zahlen, muss man, um Vermögen zu bilden, an die Börse. Das ist Pflicht. ETFS – von englisch Exchange Traded Funds, also börsengehandelte Fonds – ermöglichen, kostengünstig in ganze Märkte zu investieren. Der Haken: Ein ETF ist ein sogenannter passiver Fonds, bei dem ein Computerprogramm Indizes wie etwa den DAX nachbildet. Steigen oder fallen die Aktien im Index, steigt oder fällt auch der ETF und damit das hier angelegte Geld. Eine Alternative sind aktiv gemanagte Fonds. In welche Unternehmen wie viel investiert wird, entscheiden hier Profis. Sie können auf Kurseinbrüche reagieren, Verluste eingrenzen und unterliegen somit nicht so hohen Schwankungen wie ETFS. Der Vorteil: Aktiv gemanagte Fonds sind auch für einen kürzeren Anlagezeitraum geeignet.
Wer kann geeignete Fonds empfehlen?
Der Verband banken- und versicherungsunabhängiger Finanzexpertinnen hat auf der Webseite finanzfachfrauen.de Sachkundige gelistet.
Was sagen Sie den vielen Frauen, die kein Geld für die Börse übrig haben?
Wer regelmäßig mehr ausgibt, als reinkommt, muss nach den Ursachen fahnden. Es hört sich spießig an, führt aber schnell zum Erfolg: das Führen eines Haushaltsbuchs. Es gibt auch Apps, die den gleichen Zweck erfüllen. Am Monatsende hat man schwarz auf weiß, wo das Geld versickert. Wer langfristig Vermögen aufbauen will, sollte zehn Prozent des Nettoeinkommens sparen. Das sollte seit Januar 2021 etwas leichterfallen, weil für die allermeisten der Solidaritätszuschlag komplett entfällt. Dieses Geld lässt sich schon mal investieren. Übrigens: Schon mit 50 Euro pro Monat ist das Mitmischen an der Börse gut möglich. Zuzusehen, wie sich Geld vermehrt, ist ein Riesenvergnügen. Das kann ich versprechen.
»Seit Banken keine Zinsen mehr zahlen, muss man zur Vermögensbildung an die Börse. Das ist Pflicht«