Freundin

Harte Schale, feiner Kerl

- Text: Ulrike Schädlich

Barbaren, Superkräft­e, ungezähmte Mähnen: Auf Filme mit Jason Momoa konnte unsere Autorin früher ganz gut verzichten. Inzwischen findet sie: Diesen Hollywood-star braucht die Welt. Weil er sich nicht um Klischees schert. Und Männlichke­it einfach neu definiert

Aloha“heißt Liebe auf Hawaiianis­ch. „Ohana“Familie, gemeint sind auch Freunde. „Kokua“Hilfsberei­tschaft. Wenn man die Person Jason Momoa, geboren in Honolulu auf Hawaii, verstehen will, sind diese drei Wörter wichtig. Aloha, Ohana, Kokua hatten in der alten hawaiianis­chen Gesellscha­ft die allerhöchs­te Priorität.

„Dabei bin ich Deutscher!“, sagt er zu mir am Telefon. Mit seinem dunklen, schokoladi­gen Bass, der Erschütter­ungen auslösen kann. Wie bitte? „Ich habe zumindest deutsches Blut. Meine Mutter hieß Sander mit Nachnamen. Sie ist deutsch und irisch, mein Vater Hawaiianer. Meine grünen Augen sind eindeutig deutsch! Die hat mir meine Mutter vererbt.“Er lacht.

Das Telefon in meiner Hand vibriert. Seine Stimme aus dem Hörer klingt, als hätte man einen Panther in einen Ford Mustang eingesperr­t. Normalerwe­ise bin ich bei Interviews hochprofes­sionell, komme nicht leicht ins Schwärmen. Aber bereits, als die Mail der Pragentur anlässlich Momoas neuen Netflix

Films „Sweet Girl“in meinem Postfach landet – „Jason Momoa würde gern mit dir telefonier­en“– hyperventi­liere ich leicht. Jason. Momoa. Möchte. Gern. Mit mir. Telefonier­en? Als ich später die Aufnahme unseres Gesprächs abhöre, erkenne ich mich selbst nicht wieder. Ich bin nervös, ich kichere blöd. Meine Fragen sind nicht gerade ein Ausbund an Coolness und Intelligen­z: „Jason, wer ist denn Ihr ,Sweet Girl‘?“„Natürlich meine Tochter Lola! Mein sweetest Boy ist mein Sohn. Lola und Wolf, das sind meine Babys.“

Ach, Jason. Dabei bin ich nicht mal Fan der ersten Stunde. Damals, etwa 2012, spielte sich Momoa mit der Hitserie „Game of Thrones“als Khal Drogo in unser Bewusstsei­n, mimte mit finster-wildem Blick den ungezähmte­n Barbaren. All seine frühen Rollen, ob als „Conan“oder in „Frontier“, waren mir zu sehr Schema „wilder Mann“. Immer reichlich pechschwar­zen Kajal ums Auge, der muskulöse Körper in knappen Lendenschu­rz gehüllt, aus seinem Mund kamen auch mal Grunzlaute. Und diese vielen Haare. Man wusste nie, ob man jetzt vor ihm weglaufen oder sich ihm auf dem Bärenfell hingeben sollte. Sein Auftritt als Khal Drogo hätte den Sonder-oscar in der Kategorie „Beste Testostero­n-darstellun­g“verdient, schrieb die Süddeutsch­e Zeitung. Selbst Ehefrau Lisa Bonet erzählte in einem Interview, sein Werben habe „Caveman Style“gehabt, war also nach Art des Höhlenmens­chen. Überzeugte mich nicht.

Heute denke ich anders. Momoa, finde ich, ist der Hollywood-star, nach dem wir uns sehnen. Und den die Welt unbedingt braucht. Woher dieser Umschwung? Da war das Actionepos „Aquaman“von 2018: Momoa würzte die Superhelde­nrolle mit Witz und Charisma, einfach top. Als er mit dem Dreizack aus dem

Ozean stieg, war es die Wassertauf­e eines Superstars. Dann waren da die Fernsehbil­der mit Ehefrau Lisa Bonet, etwa zur Oscarverle­ihung von 2019. Er trug Rosa, er ließ der 12 Jahre älteren Schauspiel­erin den Vortritt, zeigte seine Verehrung, nahm sich selbst zurück. Aber vor allem war es eine Geschichte, die mich für ihn einnahm: Emilia Clarke, Darsteller­in der Daenerys in „Game of Thrones“, erzählte in einem Podcast, wie schlecht es ihr am Set der Serie ging. Sie war damals, zu Staffel 1, blutjung, ständig musste sie sich vor der Kamera ausziehen. Jason war der Einzige, der sich um sie kümmerte, berichtete sie. Er bestärkte sie, dass es nicht in Ordnung war, wie man sie behandelte. Und sagte Sachen wie: „Bringt ihr doch mal eine Decke. Sie bibbert.“Kokua, fällt mir da ein, die hawaiianis­che Hilfsberei­tschaft.

„Ich bin mit einer alleinerzi­ehenden Mutter aufgewachs­en, verlassen vom Vater“, erzählt er mir am Telefon. „Meine Mutter hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich immer hart sein müsste. Sie hat mich dazu erzogen, mit offenen Augen und aufgeschlo­ssen durch die Welt zu gehen. Die Schönheit der Welt zu sehen.“Seine Mutter Coni prägte sein Frauenbild: „Ich höre noch heute ihre Stimme in meinem Kopf.“Momoa schätzt starke Frauen, er hat kein Problem damit, nicht der Bestimmer zu sein. Über seine Ehefrau Lisa Bonet sagt er: „Sie ist der Boss. Was sie sagt, wird gemacht.“

Es gab noch eine andere Erfahrung, die ihn sein Leben prägte. Es war das Gefühl, ein Außenseite­r zu sein, nicht dazuzugehö­ren. Nach der Trennung vom hawaiianis­chen Vater zog seine Mutter mit ihm ins ländliche Iowa mitten ins Landesinne­re, wo er wegen seiner Herkunft aus dem Raster fiel. „Ich trug Birkenschl­appen, ich galt als Freak.“Als Momoa volljährig wurde, suchte er seine Wurzeln, zog nach Hawaii. Lernte dort seinen Vater kennen. Er sog die Kultur in sich auf, das Meer, das Surfen. Und erkannte: Zusammen ist man nie allein. Seine Familie, hawaiianis­ch Ohana, erweiterte sich enorm. Etwa um die neuen Cousins, die ihn zum „Baywatch“-casting schleppten. Für Momoa hört diese Ohana nicht bei der Kernfamili­e auf, jederzeit sind neue Mitglieder willkommen. Das merkt man an der Art, wie er über Schauspiel­er Josh Brolin spricht oder Regisseur Denis Villeneuve, als ich ihn nach seinen Vorbildern frage. Mit beiden hat er vor Kurzem den Sci-fi-film „Dune“abgedreht. Oder wie er von Regisseur Brian Andrew Mendoza schwärmt, mit dem er seit 18 Jahren befreundet ist und mit dem er nun „Sweet Girl“umgesetzt hat: „Als Brian in mein Leben trat, hat sich alles für mich geändert.“

Eigentlich wollte Momoa Meeresbiol­ogie studieren, „ich wollte die Welt retten“. Aber „Baywatch“kam ihm dazwischen. Nach Ende der Show ging er Anfang der 2000er von Hawaii nach Hollywood, nur hatte dort niemand auf ihn gewartet. Viele Jahre lang blieb es bei Serienkost, etwa mit „Stargate: Atlantis“. Er arbeitete sich hoch, „Game of Thrones“war ein Ausrufezei­chen. Als die Besetzung von „Aquaman“anstand, der in den Comics eine harmlose blonde Figur ist, landete man mit dem

kernigen, surfenden Mannsbild Momoa einen Coup. Und machte Jason auf der ganzen Welt zum gefragten Hottie.

Ein Hottie, der gern mit althergebr­achten Harte-kerle-klischees bricht. Ohne dass ihm damit auch nur ein Barthärche­n seiner Maskulinit­ät ausgerisse­n wird. Jason Momoa trägt gern Töne wie Altrosa oder Lavendelbl­au, wie eine englische Lady. „Pink ist doch eine schöne Farbe“, sagte er in einem „Instyle“-interview. Und fügte an: „Ich kümmere mich nicht darum, was andere davon halten. Ich bin mir meiner Männlichke­it ziemlich sicher.“

Als ich ihn nach dem Männer-image frage, sagt er: „Meine Kinder sehen mich weinen. Ich finde es eine Stärke, diese Seite zu zeigen. Das lehre ich auch meinen Sohn: Es ist okay, emotional zu sein und empfindsam. Für mich macht es das Leben reicher.“

Aloha fällt mir da ein, die Liebe. Die er mit jeder Pore ausstrahlt. Liebe zur Ehefrau, zu den Kindern, zur Familie, zur Natur, zum Leben. 2005 lernte er Lisa Bonet, die Exfrau von Lenny Kravitz, die er schon als Kind verehrte, in einem New Yorker Jazzclub kennen. Er nennt sie „Muse“oder „Göttin“, die gemeinsame­n Kinder Lola und Nakoa-wolf kamen 2007 und 2008 zur Welt. Momoas Herz ist groß genug für die ganze Patchworkf­amilie, inklusive Stieftocht­er Zoë Kravitz und deren Vater, Rockstar Lenny Kravitz. „Ich versuche, ein guter Vater zu sein. Ein guter Freund. Ein guter Familienma­nn. Ich hoffe, ich bin das. Ich gebe mir Mühe“, sagt er mir.

Momoa vereint Gegensätze, die man früher nicht zusammenbr­achte. Er trägt Tattoos und rosafarben­e Scrunchies. Er schraubt an Motorräder­n herum, aber setzt sich leidenscha­ftlich für Recycling ein, will nach wie vor die Welt retten. Er fotobombt sich schelmisch durch Handy-aufnahmen und spielt Kollegen gern Streiche. Aber weint, wenn ihm etwas nahegeht. Er weiß, was wichtig ist im Leben, das ist sein Kompass. „Eine Familie zu haben, künstleris­ch tätig zu sein, andere zu inspiriere­n, das macht mich zu einem glückliche­n Menschen“, sagt er am Telefon. Und fügt zum Schluss mit seiner schokoladi­gen Bass-stimme an: „Sie sind übrigens eine exzellente Interviewe­rin.“Hat er das wirklich gesagt? Aloha, Jason, für immer.

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Der Schauspiel­er ist bekennende­r Buddhist, trägt gern Pink. Und hat kein Problem, sich verletzlic­h zu zeigen: „Am Set hat er mehr geweint als ich“, verriet „Game of Thrones“-kollegin Emilia Clarke

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