Der Preis der Gesundheit
Noch ein Eierstockultraschall gefällig? Eine Vermessung der Augen? Spritze ins Knie vielleicht? In Arztpraxen werden immer mehr IGEL, also individuelle Gesundheitsleistungen, angeboten, die man aus eigener Tasche bezahlen muss. Wir klären auf, welche davo
Für wen sind welche Zusatzleistungen wichtig?
Manchmal kommt man sich in der Arztpraxis vor wie auf einem orientalischen Basar. Es wird feilgeboten, was die Vorsorge hergibt. Aufgelistet auf einem Zettel bekommen wir eine Übersicht über diverse individuelle Gesundheitsleistungen. Diese sogenannten IGEL sollen die gesetzliche Vorsorge ergänzen oder Therapien ermöglichen, die über die Kassenleistung hinausgehen. Viele davon klingen total wichtig, doch bezahlen muss man dafür natürlich selbst. Welche Untersuchungen sind also wirklich sinnvoll und für wen?
„Lassen Sie sich genau das von Ihrem Arzt ausführlich erklären“, rät Tanja Wolf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-westfalen. „Fragen Sie, was die Leistung in Ihrem persönlichen Fall bringt, ob es Risiken und Alternativen gibt. IGEL sind auch nie eilig; man kann sich immer eine Bedenkzeit nehmen und sich informieren.“Als Entscheidungshilfe haben wir hier die wichtigsten Angebote unter die Lupe genommen.
BEI DER FRAUENÄRZTIN GYNÄKOLOGISCHER ULTRASCHALL
Die Ärztin untersucht mithilfe eines vaginalen Ultraschalls beispielsweise die Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter und Blase. Das soll helfen, Krebsvorstufen früh zu erkennen.
Wann ist er sinnvoll? Als reine Vorsorge – ohne Verdacht oder erbliche Vorbelastung (in beiden Fällen zahlt die Kasse) – kann man sich den Check (35–75 Euro) meist sparen: Laut Studien haben Frauen mit regelmäßigen, vaginalen Ultraschalluntersuchungen bei Eierstockkrebs keine Vorteile. Die Untersuchung kann aber sinnvoll sein, wenn die Ärztin bei der Tastuntersuchung während der Krebsvorsorge nichts spüren kann, etwa wenn die Frau übergewichtig ist oder ihre Bauchdecke verkrampft. „Dann ist es oft die einzige Möglichkeit, Geschwüre frühzeitig zu entdecken“, sagt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte.
HPV-TEST
Damit fahndet die Ärztin nach den sexuell übertragbaren Hp-viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Nötig ist dafür ein Abstrich vom Muttermund. Seit 2020 bezahlt die Kasse Frauen ab 35 Jahren alle drei Jahre den Test in Kombination mit einem Pap-abstrich. Mit ihm kann man feststellen, ob die Zellen bereits verändert sind. Zwischen den Inter
vallen und jüngeren Frauen wird der HPV-TEST (50–80 Euro) oft als IGEL angeboten.
Wann ist er sinnvoll? Dann, wenn ihn auch die Kasse übernimmt. Jüngeren Frauen reicht der jährliche Pap-abstrich. „Der HPV-TEST ist bei ihnen sehr oft positiv, die Infektion heilt in 90 Prozent der Fälle aber folgenlos aus“, so Albring. Bei Frauen ab 35 genügt das Intervall von drei Jahren, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich innerhalb der Zeit Gebärmutterhalskrebs entwickelt. Übrigens können auch monogam lebende Frauen plötzlich einen positiven HPV-TEST haben: Das Virus kann manchmal Jahre im Körper schlummern, bevor es nachweisbar ist.
TEST AUF CHLAMYDIEN
Die sexuell übertragbaren Bakterien sind hinterhältig: Sie verursachen meistens keine Symptome, können aber in den Eileiter aufsteigen und ihn verkleben. Nicht selten ist eine unerkannte Chlamydien-infektion der Grund für Unfruchtbarkeit. Das kann man verhindern, wenn man die Infektion mithilfe eines Abstrichs oder einer Urinprobe (ca. 50 Euro) erkennt und mit Antibiotika behandelt.
Wann ist er sinnvoll? Immer dann, nachdem man das erste Mal mit einem neuen Partner ungeschützten Sex hatte – vorausgesetzt, man ist mit der Familienplanung noch nicht durch. Bei Frauen bis 25 Jahren übernehmen die Kassen die Kosten für einen jährlichen Chlamydientest.
BEIM HAUTARZT EXTRAS BEI DER HAUTKREBSVORSORGE
Bis April des vergangenen Jahres schrieb der Arzt noch eine Rechnung, wenn er die Haut mithilfe eines Auflichtmikroskops untersuchte.
Diese Leistung ist nun glücklicherweise beim Kassen-check (ab 35 Jahre alle zwei Jahre) inklusive. Bei der Hautkrebsvorsorge bieten Ärzte aber noch mehr Extras an, etwa die Video-dermatoskopie (100–150 Euro). „Mit ihrer Hilfe sieht man Details der Muttermale, die schlecht zu erkennen sind. Außerdem kann man sie digital abspeichern, um Veränderungen später besser zu erkennen“, sagt Dr. Uwe Schwichtenberg vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen. Noch exakter ist das „Body Mapping“(ca. 500 Euro), bei dem direkt alle Muttermale des gesamten Körpers gescannt und gespeichert werden.
Wann sind sie sinnvoll? Routinemäßig braucht die Extras niemand, es sei denn, jemand will ganz sicher gehen. Eine Videodokumentation ist häufig bei auffälligen Flecken, die nicht gleich entfernt werden müssen, sinnvoll. Auf lange Sicht bietet das Body Mapping die höchste Sicherheit, Hautkrebs früh zu erkennen.
BEI DER HAUSÄRZTIN GROSSES BLUTBILD
Das kleine Blutbild bezahlen die Kassen ab 35 Jahren im Rahmen des „Check-up 35“alle drei Jahre. Wer seinen Körperzustand genauer kennen will, kann auf eigene Kosten ein großes Blutbild (ca. 95 Euro) machen lassen. „Dabei werden rote und weiße Blutkörperchen noch exakter analysiert. Das hilft, mögliche bösartige Zellen, Infektionen oder chronische Krankheiten zu entdecken“, erklärt Allgemeinmedizinerin Dr. Jessica Männel aus Meerbusch.
Wann ist es sinnvoll? Als reine Vorsorge ist es meistens nicht notwendig. Es kann aber hilfreich sein, wenn man ständig müde und erschöpft ist oder häufig kränkelt. Bei einem konkreten Verdacht auf eine Krankheit übernehmen die Kassen das große Blutbild.
AKUPUNKTUR
Viele Studien zeigen mittlerweile: Die feinen Nadeln, die in die Haut gepikst werden, können bei zahlreichen Beschwerden helfen. Aus diesem Grund übernehmen die Kassen bereits bei Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und bei Kniegelenksarthrose die Kosten, wenn die Beschwerden länger als ein halbes Jahr bestehen. Bei anderen Leiden muss man die Behandlung (25–60 Euro pro Sitzung), die aus der traditionellen chinesischen Medizin stammt, in der Regel selbst bezahlen.
Wann ist sie sinnvoll? Nicht nur bei den oben genannten Beschwerden, auch bei Migräne wirkt die Akupunktur laut Studien gut. Letztendlich kann man mit der Methode jegliche Beschwerden behandeln. Weil aber nicht alle Menschen gleich gut auf die Therapie ansprechen, » hilft nur ausprobieren.
BEIM ORTHOPÄDEN KNOCHENDICHTEMESSUNG
Nach der Menopause werden die Knochen porös, Osteoporose droht. Mit einer Knochendichtemessung (50–70 Euro) kann man erkennen, wie gut das Knochengerüst noch in Schuss ist. „Dabei wird die Lendenwirbelsäule durchleuchtet“, sagt der Münchner Orthopäde und Schmerztherapeut Dr. Reinhard Schneiderhan.
Wann ist sie sinnvoll? Seit 2013 bezahlen die Kassen die Untersuchung bei einem Verdacht auf Osteoporose und nach Knochenbrüchen. Ist sie eine reine Vorsorgeleistung, muss man selbst in die Tasche greifen. Sie ist bei dauernden Rückenschmerzen, gerade nach der Menopause, sinnvoll: Früh erkannt, kann man durch gezielte Ernährung, Bewegung oder Medikamente den Knochenabbau bremsen. Wichtig ist der Check bei einer erblichen Vorbelastung.
STOSSWELLENTHERAPIE
Sie wird bei Kalkablagerungen in der Schulter oder bei einem Tennisarm empfohlen. Dafür werden aus einer Schallsonde elektromagnetische Stoßwellen auf die schmerzende Stelle geschickt. „Der Impuls regt die Durchblutung des Gewebes an und Kalkdepots werden aufgelöst“, so Experte Schneiderhan.
Wann ist sie sinnvoll? Bislang ist die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie (80–200 Euro) nur bei Fersenschmerz so gut belegt, dass die Kosten von den Kassen übernommen werden. Bei Kalkschulter und Tennisarm sind die Studienergebnisse weniger eindeutig. Ärzte berichten aber, dass sie damit auch bei diesen Beschwerden gute Ergebnisse erzielen und Operationen dadurch vermieden werden können. Zwei bis drei Sitzungen genügen im Schnitt.
HYALURONSÄURESPRITZEN BEI ARTHROSE
Wenn der Knorpel im Kniegelenk verschleißt, scheuern die Knochen aufeinander und das Knie schmerzt. Um die Reibung zu reduzieren, spritzen Orthopäden Hyaluronsäure als Schmiermittel in das Knie.
Wann sind sie sinnvoll? Ob die Hyaluronspritze (ca. 120 Euro) Arthrose lindert, wird kontrovers diskutiert. Sie scheint bei vielen Patienten die Schmerzen zu lindern, es besteht aber auch die Gefahr, dass durch die Injektion Keime ins Knie gelangen. Auch bei Übergewicht, sehr starker Belastung, Fehlstellungen oder starkem Verschleiß bringt das Verfahren wenig. Spezialist Dr. Schneiderhan empfiehlt die Spritze Patientinnen, deren Knie durch Physiotherapie nicht besser wird, die sich aber auch noch nicht operieren lassen möchten. „Eine neue Injektion nach sechs bis neun Monaten verbessert den Effekt.“
BEI DER AUGENÄRZTIN MAKULA-CHECK (OCT)
Eine Makuladegeneration (AMD) ist der häufigste Grund dafür, warum Menschen im Alter die Lesefähigkeit verlieren. Um Veränderungen zu erkennen, können Ärzte bei einer optischen Kohärenztomografie, der OCT (100–140 Euro), Bilder vom Augenhintergrund machen. „Wird eine feuchte AMD rechtzeitig entdeckt, kann man mit Spritzen das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen“, sagt Prof. Amir Parasta vom Augenzentrum München.
Wann ist sie sinnvoll? Bis heute ist unklar, ob eine vorsorgliche OCT wirklich nützlich ist. Man sollte aber auf jeden Fall zum Arzt, wenn Linien wellig erscheinen oder im Zentrum des Gesichtsfeld verschwommene Flecken auftreten, was für eine AMD spricht. In dem Fall übernehmen dann aber die Kassen die Kosten für die OCT.
GLAUKOMFRÜHERKENNUNG
Ab dem 40. Lebensjahr steigt das Risiko, ein Glaukom (auch „grüner Star“) zu entwickeln. Diese Krankheit schädigt Sehnerv und Netzhaut so, dass eine Erblindung droht. Um die Krankheit früh zu entdecken, bieten Praxen Vorsorgechecks (15–40 Euro) an: Die Ärztin » betrachtet den Sehnerv mit einem Augen
spiegel, misst den Augeninnendruck und die Dicke der Hornhaut. „Je früher man es erkennt, desto besser lässt sich das Glaukom verzögern, etwa mit Augentropfen, Laserbehandlungen oder Implantaten“, sagt Parasta.
Wann ist sie sinnvoll? Augenärzte raten jedem ab 40 Jahren zu der Untersuchung, vor allem aber kurzsichtigen und weitsichtigen Menschen. Allerdings konnte noch keine Studie den Nutzen wirklich belegen. Wichtig ist die Untersuchtung bei grünem Star in der Familie, längerer Kortisoneinnahme und Diabetes. In den Fällen übernimmt die Kasse häufig die Kosten.
BEIM INTERNISTEN KAPSELENDOSKOPIE
Es klingt nach Science-fiction, aber ist heute schon Realität: Statt einer normalen Darmspiegelung kann man auf eigene Kosten (ca. 1200 Euro) zur Darmkrebsvorsorge auch eine Kamerakapsel schlucken, die so groß wie eine Vitamintablette ist. Sie wandert durch den Darm und nimmt rund 60000 Bilder auf, die sie zur Auswertung an einen Rechner funkt.
Wann ist sie sinnvoll? Nur wenn eine normale Darmspiegelung wegen einer Verwachsung oder Verschlingung des Darms nicht möglich ist. „Die Kapselsendoskopie hat sonst keinen Vorteil“, sagt der Münchner Gastroenterologe Dr. Berndt Birkner. Der Arzt kann weder die Kamera steuern noch Polypen entfernen. Werden Veränderungen entdeckt, muss man sie hinterher mithilfe einer normalen Darmspiegelung oder Operation herausschneiden.
BEI DER ZAHNÄRZTIN PROFESSIONELLE ZAHNREINIGUNG (PZR)
Bei der Behandlung werden auf den Zähnen, in den Zwischenräumen und Zahnfleischtaschen festsitzende Beläge entfernt, dazu Verfärbungen. Zum Schluss wird poliert und der Zahnschmelz mit Fluorid versiegelt. Das soll Karies und Paradontitis vorbeugen.
Wann ist sie sinnvoll? „Eine professionelle Zahnreinigung ist für jeden ab 18 Jahren zweimal jährlich sinnvoll. Sie hilft, die Zähne gesund zu halten“, sagt Prof. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer. Immerhin wird die PZR seit dem 1. Juli bei Menschen mit Paradontitis übernommen, viele Kassen bezuschussen sie auch bei unter 18-Jährigen. Sonst kostet sie zwischen 80 und 120 Euro.
KUNSTSTOFFFÜLLUNGEN
Es ist kaum zu glauben: Im Backenzahnbereich bezahlen die Kassen in der Regel nach wie vor nur Amalgamfüllungen – außer bei Kindern unter 15 Jahren, Stillenden und Schwangeren. Weil das Material wegen des hochgiftigen Quecksilberanteils aber umstritten ist, wird es vermutlich ab 2030 nicht mehr verwendet. An den Frontzähnen übernehmen die Kassen zwar Kunststofffüllungen, aber auch nur qualitativ einfache. Deswegen bieten einem Zahnärzte regelmäßig hochwertigere Kompositfüllungen mit zusätzlichen Kosten an.
Wann sind sie sinnvoll? Es wird immer noch darüber gestritten, wie stark die Quecksilberbelastung durch Amalgamfüllungen ist. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich deshalb Kompositfüllungen gönnen und am besten hochwertige. Dabei wird der Kunststoff Schicht für Schicht aufgetragen, was Zeit und damit Geld (100–150 Euro pro Zahn) kostet. Durch dieses Vorgehen ist die Füllung aber eng mit dem Zahn verklebt, was bei einfacheren nicht der Fall ist.