Seehofers Dilemma in der Flüchtlingsfrage
Der CSU-Chef will von Angela Merkel ein anderes Signal in der Asylpolitik. Warum er seine Attacken gegen die Kanzlerin fortsetzt und was er damit bewirkt
Das wird wohl nichts mehr zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer. Schon nach dem sogenannten Friedenstreffen im Juni in Potsdam wirkte die Harmonie unter den Schwesterparteien CDU und CSU eher brüchig. Gut, es gab den ernsten Willen, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen. Aber der monatelange Zwist in der Union über die Asylpolitik der Kanzlerin hatte zu tiefe Spuren hinterlassen.
Und nun kam er wieder, dieser Satz Merkels, den Seehofer nicht mehr hören will: „Wir schaffen das.“Der CSU-Chef hatte den Appell der Kanzlerin von Anfang an in Zweifel gezogen. Jetzt erst recht, da Bayern durch die Axt-Attacke von Würzburg, den Amoklauf von München und den Bombenanschlag von Ansbach ins Mark getroffen wurde. Das bayerische Kabinett hat darauf mit einem umfangreichen Sicherheitspaket reagiert und erwartet eine entsprechende Reaktion auch aus Berlin. Der NeunPunkte-Plan, den Merkel in der vergangenen Woche präsentierte, reicht da nicht.
Hat Seehofer also recht, wenn er die politische Auseinandersetzung mit der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden nun wieder entfacht, auch wenn er von einem neuen Streit nicht reden will? Seehofer kann ihr nach den mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlägen zweier Flüchtlinge in Würzburg und Ansbach nicht entgegenkommen. Zu kritisch wird Merkels „Wir schaffen das“an der CSU-Basis gesehen, zu groß ist die Empörung in der Partei, dass sie den Satz nun noch einmal wiederholt hat.
Seehofer wird auch seine Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen jährlich nicht aufgeben – das würde ihm in der eigenen Partei als Schwäche ausgelegt. Die Kanzlerin wiederum wird niemals darauf eingehen, weil sie sich längst festgelegt hat und eine begrenzte Zuwanderung ablehnt.
Warum also befeuert Seehofer den Konflikt in der Union aufs Neue? Auch er muss wissen, dass die Menschen in Zeiten des Terrors kein kleinkariertes Parteiengezänk wollen. Dass der Streit um die richtige Flüchtlingspolitik vor allem zwischen CDU und CSU ausgetragen wird, macht die Sache nicht einfacher. Seehofer gilt mit seinen andauernden Attacken längst als Un- ruhestifter in der Großen Koalition – einer schwarz-roten Bundesregierung, der immerhin drei CSU-Minister angehören.
Das ist ja das Dilemma Seehofers. Er will auf der einen Seite Stärke demonstrieren, um der eigenen Wählerklientel gerecht zu werden. Auf der anderen darf er die Konfrontation mit der Kanzlerin nicht auf die Spitze treiben, um einen gemeinsamen Erfolg bei der Bundestagswahl 2017 nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Wohl auch deshalb hat er noch einmal betont, er und Merkel wollten fair miteinander umgehen. Was auch immer darunter zu verstehen ist.
CDU und CSU haben in der Vergangenheit in politischen Sachfragen immer wieder miteinander gerungen, um sich am Ende dann doch zusammenzuraufen. Nur einmal, 1976 zu Zeiten von Kohl und Strauß, sind die Streitigkeiten bis zum Äußersten getrieben worden – einem möglichen Bruch der Fraktionsgemeinschaft. Am Ende stand auch damals die Erkenntnis, dass die beiden Parteien gemeinsam mehr erreichen können als getrennt.
Gleichwohl wird die CSU weiter strikt auf ihren Positionen beharren. Sie wird ihr Profil nicht verwässern lassen, einknicken oder gar auf CDU-Kurs einschwenken. Hinter alledem steht ja die große Sorge der CSU, die absolute Mehrheit in Bayern zu verlieren. Gerade dieses Alleinstellungsmerkmal macht ihre besondere bundesweite Bedeutung aus. Auch deshalb wird das Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel angespannt bleiben.
In Zeiten des Terrors wollen die Menschen kein Parteiengezänk