Seehofers Sommer-Offensive
Schulen dürfen künftig zwischen G8 und G9 wählen. Und das Gesundheitsministerium wird nach Nürnberg verlegt
St.Quirin „Bayern ist eine blühende Gemeinschaft“, findet Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Sich nur daran zu erfreuen reiche aber auf Dauer nicht aus, erklärte der Regierungschef zum Abschluss der mit fünf Tagen bislang längsten Klausur seiner Ministerrunde am Tegernsee: Denn die positiven Rahmenbedingungen könne man nur erhalten, „wenn wir bereit sind, nach der Zukunft zu greifen“. Neben dem Sicherheitspaket, das die Klausur maßgeblich geprägt hatte, verkündet Seehofer deshalb am Samstag fast schon nebenbei als „zweite Säule“seiner künftigen Regierungspolitik das größte Reformpaket dieser Wahlperiode.
Gymnasium Zur Zukunft des Gymnasiums in Bayern verkündete Seehofer, dass es künftig die jeweiligen Schulen entscheiden können, ob sie einen Weg zum Abitur in acht Jahren, in neun Jahren oder gar beide Optionen anbieten. Noch vor kurzem hatte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium kategorisch ausgeschlossen. Bei dem noch bis zum Ende des nächsten Schuljahres laufenden Pilotprojekt einer flexiblem „Mittelstufe Plus“habe sich gezeigt, dass die individuelle Wahl des längeren oder kürzeren Schulweges durch Eltern und Schüler „nicht auf alle Gymnasien zu übertragen ist“, erklärte Seehofer. Gleichzeitig könne man aber auch nicht ignorieren, dass auch in den Pilotschulen mehr als ein Drittel der Schüler die G 8-Variante gewählt hätten. „Die gewünschte Vielfältigkeit soll deshalb durch die Entscheidung der Schulen gelöst werden“, sagte der Ministerpräsident. Wie genau dies funktionieren soll und welche Mittel oder zusätzlichen Lehrerstellen dafür notwendig sind, soll nun in einem „Dialogprozess“bis zum Winter geklärt werden. Der „Start in die neue Epoche“sei dann aber erst für das Schuljahr 2018/2019 geplant. Den Fehler einer übereilten Schulreform wie bei der Einführung des G 8 werde er nicht wiederholen, so Seehofer: „Diese Zeit müssen wir uns deshalb schon nehmen.“
Ministeriumsumzug Das Ministerium für Gesundheit und Pflege mit Ressortchefin Melanie Huml soll von München nach Nürnberg umziehen. Mit dieser weitreichenden Entscheidung will die Staatsregierung zeigen, dass sie es mit der angestoßenen Behördenverlagerung ernst meint. „Damit setzen wir wichtige strukturelle Impulse für den gesamten nordbayerischen Raum“, hieß es. Seehofer begründete den Umzug zudem mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage Nürnbergs. Das Ministerium beschäftigt derzeit mehr als 200 Mitarbeiter. Mit dem Umzug soll noch in dieser Legislaturperiode begonnen werden. Bereits heute gibt es in Nürnberg eine Außenstelle des Heimatministeriums.
Behördenverlagerung Weitere strukturschwache Landesteile wie Niederbayern und die Oberpfalz sollen durch Behördenverlagerungen und neue Hochschuleinrichtungen gestärkt werden. Auch die lange umstrittene Uniklinik in Augsburg sei nun mit 200 Planstellen im neuen Haushalt verankert: „Damit ist die Gründung der Uniklinik irreversibel“, sagte Seehofer.
Nationalpark „Die Staatsregierung will die Errichtung eines dritten Nationalparks in Bayern“, verkündete Seehofer. Es gebe dabei bislang keine „Fokussierung auf eine Region“, auch grenzüberschreitende Projekte seien denkbar. Alle Standort-Möglichkeiten sollten geprüft werden – allerdings mit einer Ausnahme: „Den Steigerwald kann ich da ausnehmen.“Zwar gibt es im Steigerwald eine starke Bewegung für einen Nationalpark. Nach jahrelangem Streit um den Naturschutz vage. Beim nächsten Akt der Dauerreform der bayerischen Gymnasien mag den interessierten Betrachter allerdings ob der erneuten Kehrtwende schon jetzt ein gewisser Schwindel befallen: Anstatt der Schüler – wie in der gerade getesteten Mittelstufe Plus – sollen nun jetzt doch wieder die Schulen über die in ihrem Haus angebotene in der Region gelte für ihn aber die 2015 getroffene Vereinbarung mit den betroffenen Landräten, nach der eine Lösung in der Region gesucht werden soll.
Lebensmittelkontrolle Bei der nach dem „Bayern-Ei“-Skandal in die Kritik geratenen Lebensmittelkontrolle soll dagegen „im Prinzip“alles beim Alten bleiben: Anders als von Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) zunächst gefordert, soll die Kontrollkompetenz bei den Landratsämtern bleiben. Für die Kontrolle überregional tätiger Großbetriebe soll allerdings eine neue „Lebensmittelbehörde“mit 70 Planstellen an zwei Standorten geschaffen werden. Für Nordbayern ist als Standort Kulmbach vorgesehen, für Südbayern wird noch nach einem geeigneten Ort gesucht.
Hochwasserversicherung Beim Hochwasserschutz will Seehofer die Risikoabsicherung auf die Bürger übertragen: „Alles, was zu zumutbaren Prämien versicherbar ist, muss auch privat versichert werden“, sagte der Regierungschef. Derzeit liege die Versicherungsquote in Bayern aber nur bei 27 Prozent. Geplant sei allerdings eine „freiwillige Versicherungslösung“, keine Versicherungspflicht. Nach einer Übergangsfrist könne der Staat dann finanzielle Fluthilfen nur noch in echten Härtefällen gewähren.