Mit der Kraft haushalten
Nach einem überstandenen Tumorleiden wieder zurück in den Job – geht das?
Bremen Im Nachhinein kann Christiane Poel ihrer Krebserkrankung sogar etwas Gutes abgewinnen. „Ich halte das Ganze für einen neuen Anfang“, sagt sie. Sie achte seit der Krankheit viel stärker auf ihre Gesundheit und ihre Bedürfnisse. Und sie habe unglaublich viel Unterstützung erfahren – auch von ihrem Arbeitgeber. Vielleicht ist ihr deshalb etwas gelungen, was alles andere als selbstverständlich ist: Sie ist nach einer schweren Brustkrebserkrankung erfolgreich in den Beruf wiedereingestiegen.
Früher hat die Diagnose Krebs in vielen Fällen fast automatisch Frühverrentung bedeutet. „Egal, wie jung die Menschen bei der Diagnose waren, aus dem Erwerbsleben waren sie meistens raus“, sagt Marie Rösler von der Bremer Krebsgesellschaft, die seit mehr fast 30 Jahren auch zum Thema Wiedereinstieg in den Beruf berät. Inzwischen habe die Medizin jedoch große Fortschritte gemacht. Immer häufiger sei es dadurch möglich, dass Menschen nach der Erkrankung in den Job wiedereinsteigen. Doch längst nicht immer klappt das reibungslos. „Wichtig ist, nichts zu überstürzen“, sagt Rösler.
Christiane Poel hat durch ihre Krebserkrankung insgesamt ein Jahr ausgesetzt. Am 1. September 2008 hat sie die Diagnose Brustkrebs bekommen, in der Woche darauf wurde sie bereits zum ersten Mal operiert. Dem folgten eine zweite Operation, sechs Mal Chemotherapie, 36 Bestrahlungen und dann die Reha. Am 1. September 2009 stieg sie wieder ein. Bis dahin hatte die Chemielaborantin bei der Actega DS in Bremen in der Forschungsabteilung gearbeitet. An ihre alte Tätigkeit war nach der Erkrankung nicht mehr zu denken. Sie war bis dahin im Labor tätig und musste dort unter anderem schwer heben. Nach der Krebserkrankung durfte sie das nicht mehr. Poel und ihr Arbeitgeber entschieden sich deshalb für einen schrittweisen Wiedereinstieg im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
Ein BEM muss der Arbeitgeber immer dann anbieten, wenn jemand mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt im Jahr arbeitsunfähig ist. Dabei soll der Arbeitgeber klären, wie die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters überwunden werden kann und welche Leistungen und Hilfen derjenige dafür braucht. Wie das im Detail aussieht, kommt auf den Fall an – eine Möglichkeit kann zum Beispiel eine schrittweise Erhöhung der Stunden- zahl beim Wiedereinstieg sein, erklärt Rösler.
Poel stieg in der ersten Woche mit vier Stunden pro Tag ein, in der zweiten waren es sechs. Außerdem wechselte sie von der Forschungsabteilung zu einer Bürotätigkeit. Wichtig ist außerdem, sich mit anderen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind, sagt Sabine Schreiber. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Leben nach Krebs! Selbsthilfe für junge Krebsüberlebende“. Sie rät dazu, nach der Gesundung erst einmal eine Standortbestimmung zu machen und sich zu fragen: Wo stehe ich nach der Erkrankung? Und wo will ich hin? In einem nächsten Schritt sollte man sich nach den Fördermöglichkeiten erkundigen. Denn die sind je nach beruflicher Situation unterschiedlich.
Da Christiane Poel angestellt arbeitete, hatte sie die Option, das BEM wahrzunehmen. Wer Freiberufler ist, bekommt dagegen in der Regel Unterstützung von der Arbeitsagentur, wer arbeitslos ist, meist vom Jobcenter.
Doch egal, welche Form von Erwerbstätigkeit vorliegt: Alle stehen nach so einer Erkrankung vor der Frage, wie belastbar sie noch sind. „Hier ist es wirklich wichtig, gut in sich hineinzuhorchen“, sagt Rösler. Sie rät auf jeden Fall davon ab, mit der Einstellung in den Job zurückzukehren, dass die Kraft schon wiederkommt, wenn man erst einmal wieder eingestiegen ist. Es sei gar nicht so selten, dass Menschen schnell in den Beruf zurückkehren – und dann nach einem Jahr ganz ausscheiden, weil sie nicht mehr können. Besser sei es umgekehrt: erst wieder anzufangen zu arbeiten, wenn man sich richtig fit fühlt.
Eine weitere Problematik: Nach der Rückkehr in den Job haben Mitarbeiter oft neue Bedürfnisse, und es stellt sich die Frage, wie sie diese kommunizieren. „Viele Menschen sind nach einer Krebserkrankung extrem lärmempfindlich“, gibt Schreiber ein Beispiel. Dann weiter in einem Großraumbüro zu arbeiten, ist häufig unmöglich. Viele müssen erst lernen, den Kollegen zu sagen, was sie nun brauchen und was ihnen zu viel wird. Christiane Poel hat ihren Job immer sehr geliebt. Im Nachhinein würde sie aber sagen, dass sie ein paar Wochen zu früh wiedereingestiegen ist. (dpa)