Silvia Neids letzte Mission
Für Deutschlands Fußballerinnen beginnen die Spiele bereits am Mittwoch. Auftakt für die Abschiedsrunde der Bundestrainerin. Sie geht diese letzte Etappe ohne große Wehmut an
São Paulo Die Assistenztrainerinnen Ulrike Ballweg und Steffi Jones haben in jenem schwarzen Shirt posiert, auf dem in Großbuchstaben Germany aufgedruckt ist und das zur offiziellen Ausstattung deutscher Olympiateilnehmer zählt. Nur Silvia Neid hat sich für das Programmheft, in dem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) über seine Frauen- und Männer-Nationalmannschaft im Zeichen der Ringe informiert, anders gekleidet: stilvoll mit Bluse, Blazer und Kettchen. Und passt auch besser zum Anlass: Wenn die Fußballerinnen mit dem ersten Gruppenspiel gegen den Außenseiter Simbabwe (Mittwoch 23 Uhr MESZ/live ARD) die sportlichen Wettkämpfe aus deutscher Sicht in der Corinthians-Arena von São Paulo vermutlich mit einem Schützenfest eröffnen, dann läuft gleichzeitig die Abschiedstournee der Bundestrainerin an. Nur will die 52-Jährige diesen Fakt nicht überbewerten. „Ich bin total entspannt. Ich verspüre gar keine Wehmut. Ich habe lange genug die Nationalmannschaft betreut.“Für die künftige Leiterin einer Scouting-Abteilung Frauen- und Mädchenfußball liegt der Fokus darauf, die Ära erst am 19. August im berühmten Maracanã in Rio mit dem Finale enden zu lassen. Acht Jahre diente sie als Assistentin unter Tina Theune, besetzte elf Jahre lang die Chefrolle. Zweimal war sie Europameister (2009 und 2013), einmal Weltmeister (2007). Der Tiefpunkt kam ausgerechnet bei der Heim-WM 2011, als die Fußballlehrerin wie nie zuvor ob ihrer fachlichen Fähigkeiten in die Kritik geriet.
Die nach eigener Aussage „ganz schwierige Phase“hätte sie ohne die Rückendeckung des damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger kaum durchgestanden. Dessen Nachfolger Wolfgang Niersbach fädelte vor 16 Monaten handstreichartig die Nachfolgelösung ein: Der DFB-Direktorin Steffi Jones ohne jede Trainererfahrung das Amt zu übertragen, davon zeigte sich auch Silvia Neid („Ich hätte das nicht gemacht“) im ersten Moment überrascht. Die 43-Jährige ist mittlerweile als zweite Co-Trainerin an ihrer Seite, und längst zeichnet sich ab, dass sie einige andere Akzente setzen will. Es wäre allerdings zu einfach, nur zu behaupten, unter der meist frohgemuten Frankfurterin werde mehr gelacht als unter der bisweilen etwas sperrig wirkenden Odenwälderin. „Vielleicht lernt man ja als Bundestrainerin, distanzierter zu sein und sich wirklich nur noch zum Sportlichen zu äußern“, hat sie gerade im Interview mit der FunkeGruppe verraten. „Als Mensch bin ich anders. Ich bin total lustig, ich tanze unheimlich gerne und bin sehr gesellig.“Trotzdem hat sie eben nicht vor allem und jedem eine Verbeugung gemacht. Bei einem Hintergrundgespräch in der kanadischen Metropole Montreal zweifelte sie vor einem Jahr ernsthaft die Existenzberechtigung des Olympischen Fußballturniers an, wenn der aus ihrer Sicht wenig professionelle Rahmen – nur 18 Spielerinnen im Aufgebot, kleiner Betreuerstab, Spiele im Drei-Tages-Takt – nicht verbessert würden. Sie, die einst aus dem baden-württembergischen Walldürn auszog, um als Spielerin und Trainerin Erfolge im Frauenfußball zu erringen, konnte in diesem Moment nicht aus ihrer Haut. Obwohl die deutsche Delegation mit den anderen Gruppengegnern (neben Simbabwe noch Australien und Kanada) in einem riesigen HotelBetonklotz in São Paulo untergebracht ist, betont Silvia Neid nun das Besondere an Olympia: „Jeder fiebert für den anderen mit. Das ist ein Wahnsinnsgefühl.“Ihre Spielerkarriere endete in genau jenem Rahmen. Nur verpasste Deutschland bei den Spielen 1996 nach einem 1:1 gegen Brasilien den Halbfinaleinzug – es war das 111. und letzte Länderspiel der blonden Spielmacherin. 20 Jahre später hat sie die Messlatte nicht eben niedrig gelegt. Gold soll es nach dreimal Bronze (2000, 2004 und 2008) bitte sein.