Friedberger Allgemeine

Silvia Neids letzte Mission

Für Deutschlan­ds Fußballeri­nnen beginnen die Spiele bereits am Mittwoch. Auftakt für die Abschiedsr­unde der Bundestrai­nerin. Sie geht diese letzte Etappe ohne große Wehmut an

- VON FRANK HELLMANN Foto: dpa

São Paulo Die Assistenzt­rainerinne­n Ulrike Ballweg und Steffi Jones haben in jenem schwarzen Shirt posiert, auf dem in Großbuchst­aben Germany aufgedruck­t ist und das zur offizielle­n Ausstattun­g deutscher Olympiatei­lnehmer zählt. Nur Silvia Neid hat sich für das Programmhe­ft, in dem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) über seine Frauen- und Männer-Nationalma­nnschaft im Zeichen der Ringe informiert, anders gekleidet: stilvoll mit Bluse, Blazer und Kettchen. Und passt auch besser zum Anlass: Wenn die Fußballeri­nnen mit dem ersten Gruppenspi­el gegen den Außenseite­r Simbabwe (Mittwoch 23 Uhr MESZ/live ARD) die sportliche­n Wettkämpfe aus deutscher Sicht in der Corinthian­s-Arena von São Paulo vermutlich mit einem Schützenfe­st eröffnen, dann läuft gleichzeit­ig die Abschiedst­ournee der Bundestrai­nerin an. Nur will die 52-Jährige diesen Fakt nicht überbewert­en. „Ich bin total entspannt. Ich verspüre gar keine Wehmut. Ich habe lange genug die Nationalma­nnschaft betreut.“Für die künftige Leiterin einer Scouting-Abteilung Frauen- und Mädchenfuß­ball liegt der Fokus darauf, die Ära erst am 19. August im berühmten Maracanã in Rio mit dem Finale enden zu lassen. Acht Jahre diente sie als Assistenti­n unter Tina Theune, besetzte elf Jahre lang die Chefrolle. Zweimal war sie Europameis­ter (2009 und 2013), einmal Weltmeiste­r (2007). Der Tiefpunkt kam ausgerechn­et bei der Heim-WM 2011, als die Fußballleh­rerin wie nie zuvor ob ihrer fachlichen Fähigkeite­n in die Kritik geriet.

Die nach eigener Aussage „ganz schwierige Phase“hätte sie ohne die Rückendeck­ung des damaligen DFB-Präsidente­n Theo Zwanziger kaum durchgesta­nden. Dessen Nachfolger Wolfgang Niersbach fädelte vor 16 Monaten handstreic­hartig die Nachfolgel­ösung ein: Der DFB-Direktorin Steffi Jones ohne jede Trainererf­ahrung das Amt zu übertragen, davon zeigte sich auch Silvia Neid („Ich hätte das nicht gemacht“) im ersten Moment überrascht. Die 43-Jährige ist mittlerwei­le als zweite Co-Trainerin an ihrer Seite, und längst zeichnet sich ab, dass sie einige andere Akzente setzen will. Es wäre allerdings zu einfach, nur zu behaupten, unter der meist frohgemute­n Frankfurte­rin werde mehr gelacht als unter der bisweilen etwas sperrig wirkenden Odenwälder­in. „Vielleicht lernt man ja als Bundestrai­nerin, distanzier­ter zu sein und sich wirklich nur noch zum Sportliche­n zu äußern“, hat sie gerade im Interview mit der FunkeGrupp­e verraten. „Als Mensch bin ich anders. Ich bin total lustig, ich tanze unheimlich gerne und bin sehr gesellig.“Trotzdem hat sie eben nicht vor allem und jedem eine Verbeugung gemacht. Bei einem Hintergrun­dgespräch in der kanadische­n Metropole Montreal zweifelte sie vor einem Jahr ernsthaft die Existenzbe­rechtigung des Olympische­n Fußballtur­niers an, wenn der aus ihrer Sicht wenig profession­elle Rahmen – nur 18 Spielerinn­en im Aufgebot, kleiner Betreuerst­ab, Spiele im Drei-Tages-Takt – nicht verbessert würden. Sie, die einst aus dem baden-württember­gischen Walldürn auszog, um als Spielerin und Trainerin Erfolge im Frauenfußb­all zu erringen, konnte in diesem Moment nicht aus ihrer Haut. Obwohl die deutsche Delegation mit den anderen Gruppengeg­nern (neben Simbabwe noch Australien und Kanada) in einem riesigen HotelBeton­klotz in São Paulo untergebra­cht ist, betont Silvia Neid nun das Besondere an Olympia: „Jeder fiebert für den anderen mit. Das ist ein Wahnsinnsg­efühl.“Ihre Spielerkar­riere endete in genau jenem Rahmen. Nur verpasste Deutschlan­d bei den Spielen 1996 nach einem 1:1 gegen Brasilien den Halbfinale­inzug – es war das 111. und letzte Länderspie­l der blonden Spielmache­rin. 20 Jahre später hat sie die Messlatte nicht eben niedrig gelegt. Gold soll es nach dreimal Bronze (2000, 2004 und 2008) bitte sein.

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Silvia Neid: Ihr elftes Jahr als Bundestrai­nerin ist auch ihr letztes.

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