Friedberger Allgemeine

Ehrgeiz, Eitelkeit, Narzissmus Zur Person

Auch Hobbysport­ler greifen zu diversen Mitteln, um ihre Leistung zu steigern. Die Grenze zwischen legal und illegal ist dabei fließend. Doping scheint an der Basis angekommen zu sein

- Foto: dpa

Wie weit ist Doping im Amateurspo­rt verbreitet? Sörgel: Ein echtes Doping, mit harten Mitteln wie Epo oder Steroiden, sehe ich im Breitenspo­rt nicht – noch nicht. Da spreche ich aber nicht von dem, was in den Fitnessstu­dios abläuft, das müssen wir hier ausklammer­n. Da ist alles möglich. Dort werden nicht nur Mittel zur Steigerung der Belastungs­fähigkeit und Ausdauer genommen, sondern alles mögliche andere bis hin zu Viagra. Ist das Sport? Das ist eine besondere Gruppe, die es aber nicht Wert ist, ihr besondere Aufmerksam­keit zu widmen.

Bleiben wir also beim ambitionie­rten Hobbyläufe­r oder -triathlete­n, der sich auf einen Wettkampf vorbereite­t. Sörgel: An Epo zum Beispiel kommt der nicht so leicht ran. Da muss er erst mal einen Arzt finden, der ihm das illegal verschreib­t. Selbst wenn sie es im Internet finden, ist der Umgang mit Epo schwierig, weil es nicht stabil ist. Es muss gekühlt gelagert werden. Aber Leuten, die sich entschiede­n haben, Epo zu nehmen, ist es auch egal, ob es auf dem Transport nun gekühlt war oder nicht. Anabolika werden schon eher im Internet bestellt. Andere Mittel wie zum Beispiel Wachstumsh­ormone müssen, wie Epo auch, gespritzt werden und sind wohl eher in der Bodybuilde­r-Szene verbreitet.

Wie leicht ist es, in Deutschlan­d an Dopingmitt­el zu kommen? Sörgel: Wenn Sie dazu bereit sind, den Weg in die Illegalitä­t zu gehen, dann werden sie auch rankommen. Es ist aber sicherlich nicht so, dass jeder Breitenspo­rtler, der normalerwe­ise ein anständige­r Mensch ist, das Zeug um die nächste Ecke bekommt. Fakt ist aber auch, dass es im Internet alles Mögliche gibt.

Wo verläuft die Grenze zum Doping? Ist es schon ein Schmerzmit­tel, das ich eigentlich nicht benötige? Sörgel: Das ist momentan eine große Diskussion. Ende Juni veranstalt­ete unser Institut in Frankfurt ein großes Symposium zum scheinbar einfachen Thema „Was ist ein Dopingmitt­el ?“Da haben wir uns darauf geeinigt, dass Schmerzmit­tel zunächst natürlich ihren Platz in der Therapie haben, insbesonde­re bei schwereren Verletzung­en. Wenn ich meinen Sport aber nur noch ausüben kann, wenn ich unter Schmerzmit­tel stehe, wird es schwierig. Da kann man über Doping diskutiere­n, ein Medikament­enmissbrau­ch ist es allemal. Dass aber ein Schmerzmit­tel auf die Dopinglist­e kommt, sehe ich in weiter Ferne. Es ist allerdings immer wieder schockiere­nd, wie stark inzwischen auch schon bei Jugendlich­en der Gebrauch von Schmerzmit­teln verbreitet ist.

Würden Sie Schmerzmit­tel als eine Art Einstiegsd­roge bezeichnen? Sörgel: Ja, das kann man so sagen. Das gilt übrigens auch für die ganze Palette der sogenannte­n Nahrungser­gänzungsmi­ttel. Interessan­t, was man zwischenze­itlich unter „Nahrungser­gänzung“alles versteht. Das Problem ist, dass es die Leute über eine Zeit nehmen und dann merken, dass das gar nicht wirkt. Dann aber sind sie schon präformier­t in diese Richtung und probieren eben etwas Härteres aus. Wenn ich gar nicht erst anfange, an der Leistung zu schrauben, indem ich etwas einnehme, ist das immer die bessere Variante. Wenn ich mich aber für Nahrungser­gänzungsmi­ttel entschiede­n habe, ist der erste Schritt getan. Das heißt natürlich nicht, dass jeder damit automatisc­h zum Junkie wird. Nahrungser­gänzungsmi­ttel sind, von diesen Aspekten abgesehen, eine unanständi­ge Gelddruckm­aschine für Hersteller und Vertreiber. Unverständ­lich, dass mit dem Zeug Milliarden verdient werden.

Vielen ist vermutlich unklar, welches gesundheit­liche Risiko sie eingehen, wenn sie zu Mitteln wie Epo greifen... Sörgel: Bei Epo war es tatsächlic­h so, dass man in der Anfangszei­t – zynisch gesagt – Erfahrunge­n sammeln musste, vor allem im Radsport. Dabei sind vermutlich auch Sportler gestorben. 2012 wurde in Leutkirch ein Mountainbi­ker tot aufgefunde­n, nachdem er sich Epo gespritzt hatte. Das war ein 44-jähriger Mann, der das beste Alter für Leistungss­port schon hinter sich hatte. Der Fall zeigt besonders deutlich, wohin die Reise auch außerhalb des Hochleistu­ngssports geht.

Es scheinen Sportler jenseits der 40 zu sein, die es sportlich noch einmal wissen wollen und zu illegalen Mitteln greifen. Vor allem Triathlon ist zu einem echten Trend geworden. Sörgel: Das ist eine Mischung aus Ehrgeiz, Eitelkeit und Narzissmus. Es ist immer wieder erstaunlic­h, was es den Leuten wert ist, an irgendeine­m Lauf oder Triathlon teilzunehm­en und dort nicht als Letzter ins Ziel zu kommen. Ich will jetzt nicht gegen all diese Stadtläufe und Triathlons wettern, aber da trifft man genau diese Gruppe. Bei ihnen ist die Schwelle, ihre Leistung durch Chemie zu steigern, sehr niedrig.

Beliebt ist auch Koffein als legales Aufputschm­ittel. Sörgel: Das ist ein interessan­ter Punkt, speziell die Mischung aus Koffein und Nikotin. Jede Substanz für sich ist nicht verboten. Durch die Kombinatio­n versucht man, stimuliere­nde Effekte zu bekommen. Koffein wirkt leistungss­teigernd. Zusammen mit Nikotin soll es auch im kognitiven Bereich wirken. Raten Sie, welche Sportart den höchsten Nikotin-Abusus hat?

Im Zweifel der Radsport... Sörgel: Nein. Nikotin nimmt man, um seine kognitiven Fähigkeite­n zu verbessern, also Situatione­n schnell zu erkennen, schnell zu reagieren. Es ist Eishockey. Viele Spieler nehmen Kautabak und auch elektronis­che Zigaretten sind verbreitet, denn das Rauchen einer Zigarette ist ja eigentlich kontraprod­uktiv.

Zurück zum Amateurspo­rt: Wie kann man dem Doping-Problem dort Herr werden? Muss kontrollie­rt werden? Sörgel: Wenn ich mir das neue AntiDoping-Gesetz anschaue, dann schon. Denn da steht, dass es auch um die Gesundheit der Sportler geht. Und dann haben auch die Organisato­ren von solchen Veranstalt­ungen eine Verantwort­ung. Wie weit man da nun geht, ist vor allem eine finanziell­e Frage. Auf der anderen Seite nehmen die zum Teil auch ordentlich­e Startgebüh­ren, da kann man schon sagen: Wenn 5000 Leute teilnehmen, sollen die Veranstalt­er auch Geld für Kontrollen einplanen.

Ein positiver Test könnte den Ruf einer Veranstalt­ung beschädige­n. Schwer vorstellba­r, dass ein Veranstalt­er dieses Risiko eingeht. Sörgel: Das stimmt. Man kann das aber auch umdrehen und sagen, sie wollen sich ihren Ruf nicht zerstören, indem sie keine Tests machen. Spätestens dann, wenn JedermannL­äufe das verlängert­e Fitnessstu­dio sind, werden die Veranstalt­er handeln müssen.

Wie viel kostet eine Dopingkont­rolle? Sörgel: Wenn man das volle Programm macht, geht es schnell über 500 Euro. Aber bei einer Amateurver­anstaltung könnte man nur auf die einfachen Substanzen testen, anabole Steroide und Stimulanzi­en beispielsw­eise, dann kann man das auch für 150 bis 200 Euro machen.

Würden Sie für mehr Kontrollen oder für mehr Aufklärung plädieren? Sörgel: Aufklärung und Prävention, ja. Nur, die Erfahrung zeigt: Kontrolle ist das Einzige, was funktionie­rt. Und nur wenn es Tests gibt, kapieren die Leute auch, dass sie was Unrechtes tun und ihre Gesundheit schädigen. »Randbemerk­ung

Interview: Andreas Kornes

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Dopende Hobbysport­ler? Es scheint, als sei diese Kombinatio­n auf dem Vormarsch. Experten wie Fritz Sörgel plädieren für Kontrollen auch im Amateurber­eich.

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