Geist wäre besser als all das Gold
Als ob die Oper sich selbst abschaffen will: „Die Liebe der Danae“von Richard Strauss gerät szenisch ärgerlich. Doch ein Tenor aus Augsburg wächst über sich hinaus
Salzburg Dieser Abend geriet zur nachgereichten Protz-Orgie einer schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts beendeten Feudalepoche. Schlimmer noch: Dieser Abend schien all jenen Beweismaterial in die Hände liefern zu wollen, die Theater, speziell die Oper, als sowieso überflüssig wie ein Kropf erachten. Weil’s angeblich nur kostet – und nichts bringt außer hübschen Schein.
Dieser Abend also ist fatal. Als ob ein Musik-Genre sich selbst abschaffen will. Auf dem Programm im Großen Festspielhaus von Salzburg: „Die Liebe der Danae“, eines der Spätwerke von Richard Strauss – gefallen als „heitere Mythologie“(Untertitel) in den deutsch-österreichischen Nationalsozialismus. Die Uraufführung hätte im Sommer 1944 eben im Salzburger Festspielhaus stattfinden sollen, aber dann kamen Hitler-Attentat und totaler Krieg sozusagen dazwischen. Eine Generalprobe vor geladenem Publikum fand noch statt, bevor das tausendjährige Reich in Schutt und Asche fiel. 1952 wurde die Uraufführung posthum nachgeholt.
Aber auch ohne Nationalsozialismus muss das wortreich-umständliStück als „aus der Zeit gefallen“betrachtet werden: Auf einen Entwurf Hugo von Hofmannsthals hatte Joseph Gregor zwei antike Stoffe ineinander verwoben: jenen vom Casanova Zeus bzw. Jupiter, der sich Danae in Form eines Goldregens lüstern nähert (vielfach Motiv auch der Kunstgeschichte zwischen Tizian und Klimt), sowie jenen um den sagenhaft reichen König Midas, dem zu Gold wird, was er berührt, dem diese Fähigkeit aber im zweiten Akt durch Jupiter auch wieder entzogen wird – bis hin zur bitteren Armut.
Dies sinnstiftend und nicht eins zu eins nacherzählend aufzuführen, bräuchte ein Libretto-Deutungskonzept, eine parabelhafte Schilderung. Etwa die von der Erotik des Goldes (Geldes) einerseits und von möglicher wirklicher Liebe im kleinen Küchenglück andererseits. Nur so zum Beispiel.
Aber der Regisseur und Bühnenbildner Alvis Hermanis mochte nicht denken und noch weniger interpretieren. Er ordnete quasi ein orientalisches Märchen wie aus Tausendundeinernacht plus SarottiMohr an. Er wollte nichts außer (Seidenglanz-)Dekor, (Edelmetall-)Prunk und (Teppich-)Ornamentik. Man wird schier blind vor Blendung. Sündteuer in den aufwendigst golddurchwirkten Pluderhosen, Krummdolchen und Turbanen in der Größe von Gymnastikbällen, todfad, aber in den Auftrittsund Abtrittsverkehrsregelungen sowie im symmetrischen, synchronen, lasziven Gerekel von goldenen Fernsehballettmädchen vor weiß gekachelter Breitwand (Kostüme: Juozas Statkevicius, Choreographie: Alla Sigulova). Man kommt nicht umhin, festzustellen: Das alles ist treudoof-gekünstelt – bis hin zu einem weißen Elefanten aus Pappmaschee, bis hin zu einem echten weißen Esel, der im nutzlos-verschwenderischen Pomp leider nichts (als Korrektiv) fallen lässt. Und doch ist der Abend zugeschissen mit Gold, Gold, Gold.
Im Grunde wird auf diese Weise auch Straussens Musik desavouiert, der zum Zeitpunkt ihrer Komposition sowieso schon anhaftete, nur noch perfektioniertes Kunsthandwerk von mehrfach erprobter und bestätigter Wirkung zu sein. So taucht der funkelnde Wasserfall aus der Alpensinfonie (1916) hier noch einmal als Goldregen auf. Gleichzeitig kommt man aber auch um die folgende Feststellung nicht herum: So ärgerlich unergiebig die Szene, so betörend klangsinnlich, aufrauche schend, suggestiv realisieren die Wiener Philharmoniker und der Wiener Staatsopernchor unter dem subtil dirigierenden Franz WelserMöst die aufliegende Partitur. Dies auf CD gepresst würde reichen für das ganze Leben – bloß illustrieren kann dies das innere Auge – wenn es sein muss – besser, als es in Salzburg geschieht.
Was die musikalische Wiedergabe auch zum Referenz-Ereignis macht, ist die großartige Sängerbesetzung mit u. a. Krassimira Stoyanova, dieser ganz großen Strauss-Interpretin, die für die Danae ein sensationelles Leuchtspur-Legato aufbietet, Tomasz Konieczny als Jupiter mit perfektem, viril tönendem BassbaritonStimmsitz und – nicht zuletzt – Gerhard Siegel, dieser aus Augsburg kommende Tenor, der an diesem Abend mit heldenhaftem, rotgoldenem Timbre über sich hinauswuchs. Sein Midas: kraftvoll, strömend, weit ausschwingend. Er soll 2018 Welser-Mösts Tristan sein (und ihm werden wir uns noch gesondert auf dieser Seite an einem der nächsten Tage widmen). Salzburger Jubel für die Musiker, abgedimmte Begeisterung für die Talmi- und BijouterieInszenierung.
Nächste Vorstellungen 5., 8., 12. und 15. August