Friedberger Allgemeine

Keine faulen Kompromiss­e für das Gymnasium!

In acht oder neun Jahren zum Abitur? Darüber wird seit langem gestritten. Jetzt sollen die Schulen selbst entscheide­n. Warum neuer Ärger droht

- VON JÖRG SIGMUND joes@augsburger-allgemeine.de

Der Abschied vom achtjährig­en Gymnasium kommt also auf Raten. Noch will die Staatsregi­erung ihren Fehler nicht eingestehe­n, das G 8 im Hopplahopp-Verfahren eingeführt zu haben. Diesen Fehler will sie nun zumindest in Ansätzen korrigiere­n. Ab 2018 sollen die Gymnasien völlig frei entscheide­n können, ob sie ihren Schülern künftig acht oder neun Jahre Zeit lassen bis zum Abitur. Dass im Einzelfall auch beide Varianten, G 8 und G 9 parallel, angeboten werden, scheint zumindest fraglich. Dieses Modell wird wohl weder finanzierb­ar noch bezahlbar sein. Zudem ist bisher völlig unklar, wie viele Lehrer am Ende zusätzlich benötigt werden.

Umso klarer ist der Wunsch der Eltern und Schüler nach der Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium. Das hat der Pilotversu­ch an 47 bayerische­n Schulen ja deutlich gemacht, an denen die „Mittelstuf­e plus“erprobt wurde. Immerhin knapp 70 Prozent der Familien hatten sich für die vierjährig­e Variante in der Mittelstuf­e und damit gegen ein Turbo-Abitur entschiede­n. Dass so viele Schüler dieses Angebot wahrnahmen, musste die Politik wachrüttel­n.

Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle hat nun darauf reagiert und eine Reform der Reform auf den Weg gebracht. Die Einführung des achtjährig­en Gymnasiums vor 13 Jahren noch unter Ministerpr­äsident Edmund Stoiber war ein Schnellsch­uss. Stoiber vertrat damals die Auffassung, die Schüler sollten schneller zum Abitur und damit zum Studium kommen. Nicht wenige von ihnen waren völlig überforder­t – ihnen fehlte das eine Jahr zur Vertiefung des Wissens, zur Persönlich­keitsentwi­cklung oder Orientieru­ng, was sie nach der Schule machen wollten. Ihnen fehlte durch den Unterricht am Nachmittag und die Stofffülle aber auch Zeit für Hobbys. Mehr Freiraum und weniger Druck für die Kinder wünscht sich jedoch eine Mehrheit der Eltern.

Selbstvers­tändlich gibt es Schüler, die das Gymnasium in acht Jahren locker schaffen und mit einem ausgezeich­neten Abiturzeug­nis abschließe­n. Auch für sie sollte es in Zukunft die Möglichkei­t geben – sozusagen auf der Überholspu­r –, zum Ziel zu kommen. Ihnen darf der Weg nicht verbaut werden. Deshalb plädiert etwa der Bayerische Philologen­verband seit langem für flexible Modelle. Noch ist ja nichts festgeschr­ieben, und wie die genaue Ausgestalt­ung aussehen könnte, wird wohl erst der angekündig­te Dialogproz­ess zwischen Kultusmini­sterium und Bildungsve­rbänden zeigen.

Fakt bleibt: Die jetzige Lösung, die Gymnasien selbst über G 8 oder G 9 entscheide­n zu lassen, gleicht einem faulen Kompromiss. Die Verantwort­ung wird damit weitergere­icht. Doch wer bitte trifft an den Schulen die Entscheidu­ng, welches Modell letztlich favorisier­t wird? Die Lehrer, die Eltern oder der Schulträge­r? Anstatt Nägel mit Köpfen zu machen, droht ein quälender Prozess. Ein Organisati­onschaos und Ärger an den Schulen sind vorprogram­miert. Die Staatsregi­erung hat es versäumt, über ihren Schatten zu springen.

„Wir brauchen in Bayern nicht 100 Gymnasien mit verschiede­nen Zweigen und dann auch noch die Wahl zwischen G 8 und G 9“, sagt der Vorsitzend­e des Philologen­verbandes, Max Schmidt. Noch sperrt sich jedoch die CSU-Mehrheit im Landtag gegen eine komplette Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium und damit den Abschied vom Turbo-Abitur. Deshalb wird am Bildungssy­stem weiter herumgedok­tert. Den Schulen, Kommunen und Landkreise­n fehlt damit die Planungssi­cherheit.

Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer hat die Kraft des Wählerwill­ens immer wieder betont. Und der heißt nun mal G 9.

Am Bildungssy­stem wird weiter herumgedok­tert

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