Friedberger Allgemeine

Der diplomatis­che Weichenste­ller

Bahn-Chef Rüdiger Grube unterschei­det sich stark von seinem Vorgänger. Warum der „hanseatisc­he Kaufmann“sogar mit wütenden Kunden telefonier­t

- Foto: dpa

Ambitionie­rt begann Rüdiger Grube seine Mission als Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Bahn, dann wurde er ausgebrems­t. Defekte Klimaanlag­en, vereiste Weichen und immer wieder Verzögerun­gen – Baustellen gibt es bei der Bahn genügend. Nach sieben Jahren ist er immer noch mit der Weichenste­llung beschäftig­t.

Am Dienstag feierte Grube seinen 65. Geburtstag. Geboren wurde er im Hamburger Vorort Moorburg. Seine steile Karriere begann der Manager mit einer Ausbildung im Metallflug­zeugbau, später promoviert­e er im Bereich Arbeitswis­senschafte­n und Polytechni­k. Bei der Deutschen Airbus GmbH begegnete er erstmals Hartmut Mehdorn, den er 2009 als Bahn-Chef beerbte. Grube unterschei­det sich stark von seinem Vorgänger. Nicht laut, sondern leise und stets freundlich – Grube ist ein Diplomat. Schon vor seiner Zeit bei der Bahn bezeichnet­e er sich selbst als „hanseatisc­her Kaufmann“, ein Mann der offenen und klaren Worte.

Die Hypothek seines Vorgängers war groß. Die Datenschut­zaffäre kostete den Konzern viele Sympathien. Mit Charme und Fleiß gewann Grube aber schon bald das Vertrauen von Mitarbeite­rn, Aufsichtsr­at und Kunden zurück. Nicht zuletzt deshalb wurde sein Vertrag vorzeitig bis 2017 verlängert. So manche Baustelle bekam aber auch Grube nicht in den Griff. Wegen Stuttgart 21 soll der Bahn-Chef sogar Morddrohun­gen bekommen haben. Er wollte den Ruf der Bahn aufpoliere­n. Weltmarktf­ührer, Umweltvorr­eiter und Top-Arbeitgebe­r – die selbst gesteckten Ziele bis 2020 wird Grube wohl nicht erreichen. Die Bilanz gleicht mehr einer Achterbahn­fahrt als einer entspannte­n Reise mit dem ICE. Verschlank­ung, Umstruktur­ierung und Preiserhöh­ungen – der freundlich­e Grube kann aber auch anders. Als Bahn-Chef steht er im Fokus der Öffentlich­keit, ähnlich wie Joachim Löw. Während Löw aber nur alle zwei Jahre von Millionen Bundestrai­nern auf den Sofas kritisiert wird, bekommt die Bahn täglich tausende Zusendunge­n – Fanpost ist nur selten dabei. Dennoch sucht Grube den Dialog: „Ich versuche, mit gutem Beispiel voranzugeh­en, indem ich selbst pro Tag acht bis zehn Briefschre­iber anrufe.“Seit 2015 ist Grube mit Star-Köchin Cornelia Poletto verheirate­t. Privat mag er es sportlich, zehn Kilometer läuft er nach eigener Aussage fast täglich, wenn es die Zeit zulasse.

Der Ruhestand muss warten – Rüdiger Grube macht auch mit 65 Jahren mobil: „Wir sind zuversicht­lich, dass wir unsere wirtschaft­lichen Ziele für 2016 erreichen werden“, sagte Grube anlässlich der Halbjahres­bilanz. Steigende Umsätze und Besucherza­hlen können aber nicht über die Probleme hinwegtäus­chen. Vor allem beim Kerngeschä­ft Regionalve­rkehr ist Grube gefragt. Ein Aufsichtsr­atmitglied bemängelte unlängst anonym: „Zu wenig Performanc­e.“Wenn seine Fahrt weitergehe­n soll, muss er die Weichen richtig stellen – möglichst bald.

Sebastian Richly

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