Er wird gefeiert, sie wird ausgebuht
Es geht um mehr als um „Tristan und Isolde“. Was Christian Thielemann und Katharina Wagner auf dem Grünen Hügel erleben, zeugt von einem tiefer liegenden Konflikt
Bayreuth Die erste Woche der bis Ende August dauernden RichardWagner-Festspiele ist vorüber, die Woche der Neuinszenierung und Wiederaufnahmen, die anzeigt, wie es um Bayreuth in diesem Jahr steht. Festzustellen ist: Hatte sich im Vorfeld wieder einmal Wind um das Festspielhaus erhoben, so war jetzt doch kein Sturm daraus entstanden.
Was war nicht alles gemutmaßt worden über künstlerischen Bedeutungsverlust, als kurz vor Festspielbeginn die Lichtgestalt Andris Nelsons beim „Parsifal“durch den Dirigenten Hartmut Haenchen ersetzt werden musste. Und drohte dem „Ring“nicht der freie Fall, da in diesem Sommer nicht mehr der Götterliebling Kirill Petrenko dem Festspielorchester vorstand, sondern Marek Janowski? Weder noch: Haenchen entpuppte sich als regelrechter Joker, und Janowski machte klar, dass man auch unterm Etikett des braven Kapellmeisters faszinierende „Ring“-Musik schmieden kann.
Die musikalischen Erfolge dürften auch einem Mann Satisfaktion geben, der in den zurückliegenden Wochen als böser Bube von Bayreuth gezeichnet wurde. An Christian Thielemann, dem musikalischen Direktor der Festspiele, soll es gelegen haben, dass Nelsons die Segel strich, und auch im Falle Petrenko war gewähnt worden, dass Thielemann mit ein Grund für den Rückzug gewesen sei. Dass nun die Neuzugänge derart überzeugende Arbeit leisten, kommt auch dem Konto des Musikchefs Thielemann zugute, zumal der Dirigent für die Bilanz 2016 noch einen obendrauf setzt. Sein „Tristan“, zum Ende des Wiederaufnahmezyklus zu hören, ist maßstäblich in seiner inneren Glut und Überwältigungskraft, die ohne alles wagnerklischeehafte Gebausche auskommt, vielmehr Licht in den Orchestersatz fallen und nie gehörte Instrumentalstimmen hervortreten lässt, aber auch hier nicht ins Gegenteil, in analytisch-kaltes Sezieren verfällt. Thielemann, das macht der Schlussapplaus deutlich, ist, getragen vom farbleuchtenden Festspielorchester, der Held dieses „Tristan“, sehr im Unterschied zu anderen, wovon noch zu reden sein wird.
Die „Handlung“(Richard Wagner) von Tristan und Isolde ist eine Dreiecksgeschichte: die traurige Mär von Tristan, dem Vasallen des Königs Marke von Cornwall, der für Marke die irische Königstochter Isolde als Braut wirbt, wobei Tristan und Isolde aber selbst in Leidenschaft füreinander entflammen, was nichts anderes als tödlich ausgehen kann. Drei unsäglich Verstrickte, drei herausragende Sänger auf der Bayreuther Bühne. Georg Zeppenfeld ist als Marke einmal nicht der Typ des todtraurig-gütigen Königs, sondern mit kernig schlankem Bass ganz männlich-ehrverletzte Herrschergestalt. Stephen Gould gelingt die heldische Tenorhöhenlage des Tristan in heute nur mehr selten zu hörender Natürlichkeit, auch wenn der dritte Aufzug dann doch Tribut verlangt. Letzteres gilt zwar auch für Petra Lang. Doch was diese Sopranistin in ihrem Rollendebüt als Isolde vor allem im ersten Aufzug an gestochener Artikulation in tiefer Lage präsentierte, in welch schillernden Farben sie die emotionalen Wechselbäder ihrer Figur wiederzugeben, wie sie die tief gekränkt Liebende auch in subtiles Spiel zu übertragen verstand, gehört zu den faszinierendsten Momenten dieser Aufführung.
Katharina Wagners Inszenierung überzeugt durch ihren konsequenten Verzicht auf Konkretisierung; was man sieht, sind vor allem Seelenzustände. Statt Schiff- und Burgszenerie, wie vom Komponisten vorgesehen, gibt es etwa im ersten Aufzug eine Bühnenanordnung (Frank Philipp Schlössmann/Matthias Lippert) aus übereinander gestapelten Treppen und Gängen, die ins Nirgendwo hinlaufen. Was deutlich macht: Die hier wandeln, können nicht hinaus aus ihrer Liebesverstrickung. Das ist konzeptionell stark, was sich hingegen vom letzten Aufzug, der über eine lange Strecke anmutet wie eine Hirtenkrippe, nicht sagen lässt. Dass über Katharina Wagner, die Urenkelin des Komponisten und inzwischen alleinige Bayreuther Festspiel-Chefin, am Ende jedoch (mitsamt weiterer Produktionsverantwortlicher) ein knackiges Buh-Gewitter niederging – sehr im Gegensatz zum letzten Jahr –, bleibt unverständlich, auch in Anbetracht vieler gelungener szenischer Details. Ob es die kühle Ästhetik dieser Inszenierung ist, die dem Traditionsbewusstsein des Festspielpublikums auf lange Sicht dann doch nicht schmeckt?
Wieder am 5., 9., 13., 17. und am 22. August