Friedberger Allgemeine

Was die Eisdusche bewirkt hat

Forschung Vor zwei Jahren nahmen Menschen weltweit an der Ice-Bucket-Challenge teil. Sie spendeten, um die Krankheit ALS zu bekämpfen. Durch ihr Geld gab es einen ersten Erfolg

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, da schwappte eine Welle aus den USA über die ganze Welt. Eine Eiswelle – und die hat nun erste positive Auswirkung­en.

Aber von vorne: Bei der Welle handelte es sich um die Ice-BucketChal­lenge, auf Deutsch Eis-EimerHerau­sforderung, die Ende Juli 2014 in den USA anfing. Dabei ging es um Folgendes: Ein Mensch musste sich einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf schütten und sich dabei filmen. Danach durfte er einen oder mehrere andere bestimmen, die es ihm gleichtun mussten.

Die Eisdusche wurde ein Hit in sozialen Netzwerken. Viele Sportler, Promis und Politiker machten mit. Doch hinter der Herausford­erung steckte ein ernstes Anliegen. Sie sollte Spenden sammeln für den Kampf gegen die Krankheit Amyotrophe Lateralskl­erose, besser bekannt als ALS. Jeder, der sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf kippte, war aufgeforde­rt, zehn Dollar an die amerikanis­che ALS-Gesellscha­ft zu spenden. Wer sich entzog, sollte 100 Dollar zahlen. Mithilfe dieser Spenden haben Forscher nun ein neues Gen entdeckt. Es heißt NEK1 und trägt wohl maßgeblich dazu bei, dass ein Patient an ALS erkrankt.

Bei ALS verlieren Zellen im zentralen Nervensyst­em, die für die Bewegung zuständig sind, sogenannte Motoneuron­en, ihre Funktion. Der Patient wird gelähmt. Das kann in den Händen, in den Beinen oder beim Sprachappa­rat beginnen. Irgendwann ist die Atemmuskul­atur betroffen und der Erkrankte stirbt. Doch während er seinen Körper nach und nach nicht mehr bewegen kann, bleibt er geistig fit und bekommt alles mit. Von 100 000 Menschen haben im weltweiten Durchschni­tt zwischen drei und acht Menschen ALS. Nur ein geringer Prozentsat­z von ihnen hat die Krank- heit geerbt. Beim Rest ist die Ursache völlig unklar.

Nach der Ice-Bucket-Challenge verzeichne­te die amerikanis­che ALS-Gesellscha­ft ein Rekordhoch an Spenden. Sie gab die Gelder an verschiede­ne Forschungs­einrichtun­gen weiter. Ein Empfänger war das Project Mine, das zwei holländisc­he ALS-Patienten gegründet haben. Es hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forscher auf der ganzen Welt zu vernetzen und das Erbgut von ALS-Kranken zu sammeln, deren Genom zu entschlüss­eln und zu vergleiche­n. Auch das Unikliniku­m Ulm ist daran beteiligt.

Die Ulmer Mediziner sammeln seit rund 20 Jahren die DNA von ALS-Patienten. Dahinter stecke die Überlegung, dass so Gen-Mutationen gefunden werden können, die bei vielen Menschen mit der Krankheit auftreten. Sie könnten Auslöser für ALS sein, erklärt Jochen Weishaupt. Er ist Professor für Neurologie an der Uniklinik und forscht zu ALS. Zusammen mit Wissenscha­ftlern aus der ganzen Welt, die ebenfalls am Project Mine beteiligt sind, haben er und sein Team das neue Gen gefunden. Zwar kennen sie schon einige Gene, die die Krankheit ausbrechen lassen, „aber NEK1 hat eine andere Funktion als diese. Insofern zeigt es einen neuen Aspekt auf, wie die Krankheit entsteht“, sagt Weishaupt.

Die Bedeutung des Fundes erklärt der Neurologe so: „In dem Gen startet die Krankheit, von dort können wir wissenscha­ftlich beobachten, was danach passiert, und bekommen Hinweise, was die Nervenzell­en krank macht.“Steht fest, was die Ursache für die Krankheit ist, könnten wiederum Medikament­e entwickelt werden, um die Auslöser zu bekämpfen und die Erkrankten irgendwann zu heilen. Schon jetzt arbeiten Wissenscha­ftler daran, ein anderes ALS-Gen auszuschal­ten und Patienten so zu therapiere­n. Ob und wann das gelingt, ist offen.

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Im Sommer 2014 ging die Ice-Bucket-Challenge um die ganze Welt. Überall übergossen sich Menschen mit Eiswasser und sammelten Spenden, um ALS zu bekämpfen. Bei der Krankheit werden Zellen im zentralen Nervensyst­em zerstört. Das lähmt die Betroffene­n.
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Fotos: Jennifer Bruce, afp/Rodolfa, Dimos, dpa

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