Unvermittelte Faustschläge in der Straßenbahn
Ein 20-Jähriger greift einen jungen Mann an, zieht anschließend ein Messer und attackiert einige Tage später wieder ein Zufallsopfer ohne Anlass. Warum? Das weiß er selber nicht
Es waren nur ein paar Zentimeter Fuß, die ihn störten, an jenem 3. November in einer Tram der Linie 2 zwischen Fischertor und Rathausplatz. Der Fuß ragte ein wenig in den Gang. Es war genügend Platz, um vorbei zu kommen. Trotzdem machte er den jungen Mann an, der seine Beine übereinander geschlagen und still auf seinem Sitz gesessen hatte. „Hey, Alter, was glotzt du so blöd?“sagte er. Und dann schlug er ihm ohne Vorwarnung, mir nichts, dir nichts, die Faust zweimal ins Gesicht, sodass das Nasenbein knackte und brach. Das Opfer war ein geistig unter Betreuung stehender junger Mann. Der Täter, ein 20-Jähriger, konnte damals, auch dank einer Gruppe junger Studenten, festgenommen, das Video der Tram-Überwachungskamera ausgewertet werden. Ein Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Günter Baumann, hatte die Aufgabe, den rohen Angriff in der Tram zu sanktionieren.
Und nicht nur den. Denn nachdem der Schläger mit zwei seiner Bekannten, das Opfer und die Studenten ausgestiegen waren, kam es am Rathausplatz noch zu einem Nachspiel. Der 20-Jährige zog ein Messer und bedrohte die Studenten. Und genau elf Tage später griff er ebenso ohne jeglichen Anlass am Moritzplatz einen 23-jährigen Passanten an, schlug ihm ebenfalls mehrmals ins Gesicht, sodass die Brille zerbrach und das Opfer Verletzungen davontrug. Der 23-Jährige verlor in der Folge seinen Job, weil ihm der Arbeitgeber das Probeverhältnis kündigte, nachdem er wegen der Verletzungen nicht arbeiten konnte.
Der Täter war erst vier Monate zuvor aus der Jugendhaft auf Bewährung entlassen worden. Das Landgericht hatte ihn zu zehn Monaten Knast verurteilt, unter anderem wegen zahlreicher Mopeddiebbehinderter, stähle. Die Jugendkammer – das Urteil wurde vorgelesen – hatte kein gutes Haar an dem Angeklagten gelassen, der mehrere Ausbildungen abgebrochen hatte, weil er, so das Gericht, keine Lust hatte, am Morgen aufzustehen.
Auch jetzt, in dem neuerlichen Prozess, ließ der Angeklagte (Verteidiger: Marco Müller) wenig Reue und Einsicht erkennen. „Ich weiß nicht, warum ich zuschlug“, gab er ziemlich einsilbige Antworten.
Nach der Attacke in der Tram hatte der Angeklagte auch noch zwei seiner Bekannten, ein Mädchen, 16, und einen jungen Mann, 17, mit in die Geschichte hinein gezogen. Weil beide ihren Kumpel decken wollten, teils aus Angst, hatten sie bei der Vernehmung durch die Polizei gelogen – versuchte Strafvereitelung nannte das die Staatsanwaltschaft.
Für das Jugendschöffengericht war das Maß nun voll. Wegen Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung schickte es den Schläger unter Einbeziehung der Vorstrafe für zweieinhalb Jahre in den Jugendknast, so wie es Staatsanwalt Alexander Duré gefordert hatte. Die beiden Mitangeklagten müssen Beratungsgespräche bei der „Brücke“über Zivilcourage führen und je 24 Stunden soziale Hilfsdienste ableisten. (utz)