Friedberger Allgemeine

Als Paul vom Klo runter musste

Das Beatles-Album „Revolver“ist verbunden mit der Cover-Gestaltung des am Starnberge­r See lebenden Grafikers Klaus Voormann. Der hat selbst ein musikalisc­hes Vorleben

- VON RUPERT HUBER Bild: dpa

Augsburg Man kommt nicht los von den Bildern des verregnete­n Sommers 1966. Da saß man am 5. August als ziemlich angefresse­ner Jungpubert­ierender im Dachkämmer­lein am Schliersee. Die blonden Zwillingss­chwestern aus Frankfurt, die sich in derselben Pension langweilte­n, waren schon anderthalb Jahre älter und wollten nur wissen, wo man mit den feschen Burschen in den Lederhosen tanzen kann.

Zum Glück gab es an diesem völlig versauten Nachmittag ein tolles Radioprogr­amm: Der Bayerische Rundfunk spielte das nagelneue Beatles-Album „Revolver“– Stück für Stück. Es war großartig. Ein Streicher-Arrangemen­t wie in „Eleanor Rigby“hatte man sich nie bei den Liverpoole­rn vorstellen können. Auch nicht vertrackte Nummern wie „Got To Get You Into My Life“oder „Tomorrow Never Knows“, wo man sich nicht sicher war, ob die schrägen Gesänge

Die Beatles-Platte lag neben dem Föhn

Indianerge­heul waren oder die Kehlkopfüb­ungen ausgeflipp­ter Mönche symbolisie­ren sollten.

Erst Tage später stand das Album im örtlichen Elektrolad­en, neben einem Telefunken-Kofferradi­o und einem futuristis­chen Föhn. Aber was für ein Cover! Damals sagte man wohl noch Hüllen-Titelbild. Schwarz-weiß war es, und wenn man lange genug hinschaute, wusste man: Das ist psychedeli­sch! Ganz ohne blubbernde Farbblasen und Jugendstil-Ornamente.

Verantwort­lich war dafür der gebürtige Berliner Klaus Voormann, studierter Grafiker und einer der vielen, die mit der unsinnigen Bezeichnun­g „fünfter Beatle“gekennzeic­hnet wurden. Ein am Starnberge­r See lebender Bassist, der in seiner Zeit in England zwischen 1966 und 1969 mit Manfred Mann etliche flockige Hits einsammelt­e (darunter „Mighty Quinn“). Was ihn nie zufriedens­tellte. Die Fab Four aber kannte Voormann schon aus seiner Hamburger Studienzei­t. Für sie war er der schwarz gekleidete „Exi“, also Existenzia­list, mit dem sie sich, obwohl zunächst auf proletaris­ch getrimmt, bald anfreundet­en.

Jahre später erfolgte der „Revolver“-Überfall, wenngleich ohne Knarre. In echter Lennon-Manier. „Wir hätten gern, dass du unser nächstes Cover machst. Du weißt doch, für uns, die kleine Pipifaxban­d Beatles, die kein Schwein kennt, anscheinen­d nicht mal unser Freund Klaus.“Das erzählt Voormann selbst in seinem Buch „Warum spielst du ,Imagine‘ nicht auf dem weißen Klavier, John“. Groß- artiger Auftrag, schwierig in der Umsetzung. Weil es Lennon nie schnell genug gehen konnte. Voormanns erster Gedanke: „Um Gottes Willen, ein Cover für die Beatles.“Welche Herausford­erung.

Aus der fertigen Optik, mit Tusche und Feder gezeichnet, lassen sich, wenn man will, Bezüge zu der Einnahme von Drogen herstellen, mit denen die Beatles experiment­ierten. „Es gefiel uns, wie er aus den Ohren kleine Dinge herauskomm­en ließ“, meinte Paul McCartney. So kombiniert­e Voormann seine Musikerköp­fe samt Spaghetti-Haaren mit kleinen Fotos von John und Ringo, die sich offenbar ein Nest auf Georges Harrisons Kopf gebaut haben.

Ein Grammy war die verdiente Belohnung für den Grafiker, der auch mit 78 Jahren noch arbeitet. Der zurückhalt­ende Künstler hält „Revolver“für einen Wendepunkt in der Popmusik. „Ich bin sehr stolz. Es war nun mal die berühmtest­e Band der Welt, und für die durfte ich ein Cover machen.“Auf dem McCartney fast auf einer Kloschüsse­l gesessen hätte. Aber Produzent George Martin, gediegener

Brite, redete Paul die Szene schließlic­h doch noch aus.

Schon lange lebt Klaus Voormann am Starnberge­r See. Hier kann er durchatmen, findet Muße, auch für die Arbeit in seinem Grafik-Atelier. Den Namen der Gemeinde will er nicht nennen, da ist er eigen. Nach Bayern kam der Weltenbumm­ler, der auch schon in den USA gelebt hat, der Liebe wegen. Ehefrau Christina ist gebürtige Münchnerin. „Klaus sagt immer wieder, dass wir hier in einer paradiesis­chen Gegend leben.“Zu seinen Hobbys gehört das Tennisspie­l, bei dem der 78-Jährige, wie die Ehefrau sagt, noch immer eine gute Figur macht. Nicht jeder, der die wilde Zeit des Swingin’ London mitgemacht hat, sitzt also heute auf dem Holzbänkch­en im Park.

Und mit seinem Sohn Maximilian tritt er schon mal live auf. So wie unlängst auf einer Veranstalt­ung des Bayerische­n Rundfunks, als Maximilian die Bassgitarr­e übernahm. Das hat er von Papa gelernt.

 ?? Foto: Klaus Voormann, EMI Records ?? Mit dem heute vor 50 Jahren erschienen­en Album „Revolver“haben die Beatles ein Meisterwer­k geschaffen. Der deutsche Grafiker Klaus Voormann hat in Schwarz-Weiß ein Cover gezeichnet, das zu Entdeckung­en reizt.
Foto: Klaus Voormann, EMI Records Mit dem heute vor 50 Jahren erschienen­en Album „Revolver“haben die Beatles ein Meisterwer­k geschaffen. Der deutsche Grafiker Klaus Voormann hat in Schwarz-Weiß ein Cover gezeichnet, das zu Entdeckung­en reizt.

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