Als Paul vom Klo runter musste
Das Beatles-Album „Revolver“ist verbunden mit der Cover-Gestaltung des am Starnberger See lebenden Grafikers Klaus Voormann. Der hat selbst ein musikalisches Vorleben
Augsburg Man kommt nicht los von den Bildern des verregneten Sommers 1966. Da saß man am 5. August als ziemlich angefressener Jungpubertierender im Dachkämmerlein am Schliersee. Die blonden Zwillingsschwestern aus Frankfurt, die sich in derselben Pension langweilten, waren schon anderthalb Jahre älter und wollten nur wissen, wo man mit den feschen Burschen in den Lederhosen tanzen kann.
Zum Glück gab es an diesem völlig versauten Nachmittag ein tolles Radioprogramm: Der Bayerische Rundfunk spielte das nagelneue Beatles-Album „Revolver“– Stück für Stück. Es war großartig. Ein Streicher-Arrangement wie in „Eleanor Rigby“hatte man sich nie bei den Liverpoolern vorstellen können. Auch nicht vertrackte Nummern wie „Got To Get You Into My Life“oder „Tomorrow Never Knows“, wo man sich nicht sicher war, ob die schrägen Gesänge
Die Beatles-Platte lag neben dem Föhn
Indianergeheul waren oder die Kehlkopfübungen ausgeflippter Mönche symbolisieren sollten.
Erst Tage später stand das Album im örtlichen Elektroladen, neben einem Telefunken-Kofferradio und einem futuristischen Föhn. Aber was für ein Cover! Damals sagte man wohl noch Hüllen-Titelbild. Schwarz-weiß war es, und wenn man lange genug hinschaute, wusste man: Das ist psychedelisch! Ganz ohne blubbernde Farbblasen und Jugendstil-Ornamente.
Verantwortlich war dafür der gebürtige Berliner Klaus Voormann, studierter Grafiker und einer der vielen, die mit der unsinnigen Bezeichnung „fünfter Beatle“gekennzeichnet wurden. Ein am Starnberger See lebender Bassist, der in seiner Zeit in England zwischen 1966 und 1969 mit Manfred Mann etliche flockige Hits einsammelte (darunter „Mighty Quinn“). Was ihn nie zufriedenstellte. Die Fab Four aber kannte Voormann schon aus seiner Hamburger Studienzeit. Für sie war er der schwarz gekleidete „Exi“, also Existenzialist, mit dem sie sich, obwohl zunächst auf proletarisch getrimmt, bald anfreundeten.
Jahre später erfolgte der „Revolver“-Überfall, wenngleich ohne Knarre. In echter Lennon-Manier. „Wir hätten gern, dass du unser nächstes Cover machst. Du weißt doch, für uns, die kleine Pipifaxband Beatles, die kein Schwein kennt, anscheinend nicht mal unser Freund Klaus.“Das erzählt Voormann selbst in seinem Buch „Warum spielst du ,Imagine‘ nicht auf dem weißen Klavier, John“. Groß- artiger Auftrag, schwierig in der Umsetzung. Weil es Lennon nie schnell genug gehen konnte. Voormanns erster Gedanke: „Um Gottes Willen, ein Cover für die Beatles.“Welche Herausforderung.
Aus der fertigen Optik, mit Tusche und Feder gezeichnet, lassen sich, wenn man will, Bezüge zu der Einnahme von Drogen herstellen, mit denen die Beatles experimentierten. „Es gefiel uns, wie er aus den Ohren kleine Dinge herauskommen ließ“, meinte Paul McCartney. So kombinierte Voormann seine Musikerköpfe samt Spaghetti-Haaren mit kleinen Fotos von John und Ringo, die sich offenbar ein Nest auf Georges Harrisons Kopf gebaut haben.
Ein Grammy war die verdiente Belohnung für den Grafiker, der auch mit 78 Jahren noch arbeitet. Der zurückhaltende Künstler hält „Revolver“für einen Wendepunkt in der Popmusik. „Ich bin sehr stolz. Es war nun mal die berühmteste Band der Welt, und für die durfte ich ein Cover machen.“Auf dem McCartney fast auf einer Kloschüssel gesessen hätte. Aber Produzent George Martin, gediegener
Brite, redete Paul die Szene schließlich doch noch aus.
Schon lange lebt Klaus Voormann am Starnberger See. Hier kann er durchatmen, findet Muße, auch für die Arbeit in seinem Grafik-Atelier. Den Namen der Gemeinde will er nicht nennen, da ist er eigen. Nach Bayern kam der Weltenbummler, der auch schon in den USA gelebt hat, der Liebe wegen. Ehefrau Christina ist gebürtige Münchnerin. „Klaus sagt immer wieder, dass wir hier in einer paradiesischen Gegend leben.“Zu seinen Hobbys gehört das Tennisspiel, bei dem der 78-Jährige, wie die Ehefrau sagt, noch immer eine gute Figur macht. Nicht jeder, der die wilde Zeit des Swingin’ London mitgemacht hat, sitzt also heute auf dem Holzbänkchen im Park.
Und mit seinem Sohn Maximilian tritt er schon mal live auf. So wie unlängst auf einer Veranstaltung des Bayerischen Rundfunks, als Maximilian die Bassgitarre übernahm. Das hat er von Papa gelernt.